»Das Ding da?«
»Und seine Freunde. Die gute Nachricht ist, die Ersatzteile sind nicht teuer. Die schlechte Nachricht ist, es wäre besser, wenn du das Auto nicht mehr fährst, bis wir die neuen Teile eingesetzt haben.«
»Hmm.«
»Wir können mit meinem Wagen in die Stadt fahren und Ersatzteile holen, falls du bereit bist, bis morgen Früh zu warten.«
»Ja, sicher. Das ist sehr freundlich. Wir hatten auch nicht die Absicht, sofort wieder wegzufahren. Es sei denn, Jason besteht darauf.«
»Jason wird sich beruhigen. Er ist nur…«
»Du brauchst nichts zu erklären. Er hätte es lieber, wenn ich nicht hier wäre. Das verstehe ich, es schockiert oder überrascht mich nicht. Diane fand nur, dass sie keine Einladung annehmen könne, die mich ausdrücklich nicht einschließt.«
»Tja… gut für sie.« Vermutlich.
»Aber ich könnte mir genauso gut irgendwo in der Stadt ein Zimmer nehmen.«
»Dazu besteht keine Veranlassung«, sagte ich und fragte mich im gleichen Atemzug, wie es um Gottes willen dazu hatte kommen können, dass dieser Simon Townsend ausgerechnet von mir zum Bleiben gedrängt wurde. Ich weiß nicht, was genau ich mir von einem Wiedersehen mit Diane versprochen hatte, jedenfalls hatte Simons Anwesenheit mögliche verschwiegene Hoffnungen gleich wieder zunichte gemacht. Gut so, vermutlich.
»Ich nehme an«, sagte Simon, »Jason hat mir dir über New Kingdom gesprochen. Das ist ein Streitpunkt zwischen uns.«
»Er hat mir erzählt, dass ihr damit zu tun habt.«
»Ich will hier keine Werbung machen, aber falls dir irgendetwas an der Bewegung Sorgen bereitet, kann ich sie dir vielleicht nehmen.«
»Alles, was ich über NK weiß, ist das, was ich im Fernsehen sehe, Simon.«
»Einige Leute bezeichnen es als christlichen Hedonismus. Ich ziehe den Namen New Kingdom vor. Das bringt es im Grunde auf den Punkt. Den Chiliasmus wachsen lassen, indem man ihn lebt, hier und jetzt. Das Dasein der letzten Generation so idyllisch sein lassen wie das der allerersten.«
»Aha. Tja, Jason hat wenig Nachsicht mit Religion.«
»Ja, das ist richtig, aber weißt du was, Tyler? Ich glaube, es ist gar nicht die Religion, die ihn so aufregt.«
»Nicht?«
»Nein. Ich bewundere Jason Lawton, und das nicht nur, weil er so klug ist. Er ist einer der Eingeweihten, wenn du mir die Vokabel gestattest. Er nimmt den Spin ernst. Es gibt, na, acht Milliarden Menschen auf der Erde? Und so ziemlich jeder davon weiß, dass die Sterne und der Mond vom Himmel verschwunden sind. Und doch verschließen sie sich dieser Realität. Nur wenige von uns glauben wirklich an den Spin. NK nimmt ihn ernst. Und Jason tut es auch.«
Das entsprach auf fast schockierende Weise dem, was Jason gesagt hatte. »Nun, allerdings nicht im gleichen… Stil.«
»Das ist der springende Punkt. Zwei Visionen, die um öffentliche Zustimmung wetteifern. Über kurz oder lang werden die Menschen sich der Realität stellen müssen, ob sie wollen oder nicht. Und sie werden sich entscheiden müssen zwischen einem wissenschaftlichen Verständnis und einem spirituellen. Das macht Jason Sorge. Denn wenn es um die Frage von Leben und Tod geht, dann obsiegt immer der Glaube. Wo würdest du die Ewigkeit lieber verbringen? In einem irdischen Paradies oder einem sterilen Labor?«
Die Antwort schien mir nicht so klar auf der Hand zu liegen, wie Simon offenbar meinte. Ich musste an Mark Twains Antwort auf eine ähnliche Frage denken: Im Himmel, des Klimas wegen, in der Hölle, der Gesellschaft wegen.
Im Innern des Hauses fand eine unüberhörbare Diskussion statt — abwechselnd Dianes schimpfende Stimme und die mürrischen, monoton vorgetragenen Antworten ihres Bruders. Simon und ich holten uns zwei Klappstühle aus der Garage, setzten uns in den Schatten des Carports und warteten darauf, dass die Zwillinge fertig würden. Wir unterhielten uns über das Wetter. Das Wetter war sehr schön. In diesem Punkt bestand Konsens zwischen uns.
Der Lärm im Haus ebbte schließlich ab, und nach einer Weile trat ein etwas ernüchtert wirkender Jason nach draußen und lud uns ein, ihm mit dem Grill zu helfen. Wir folgten ihm nach hinten und setzten unsere Unterhaltung fort, während der Grill heiß wurde. Auch Diane kam jetzt nach draußen, mit gerötetem Gesicht, aber sichtlich triumphierend. So hatte sie schon früher immer ausgesehen, wenn sie aus einem Streit mit Jason siegreich hervorgegangen war: ein bisschen überheblich, ein bisschen überrascht.
Dann setzten wir uns an den Tisch auf der Terrasse. Es gab Huhn, Eistee und die Überreste des Dreibohnensalats. »Habt ihr etwas dagegen, wenn ich ein Gebet spreche?«, fragte Simon.
Jason verdrehte die Augen, nickte aber tolerant.
Simon senkte feierlich den Kopf. Ich machte mich auf eine Predigt gefasst, aber alles, was er sagte, war: »Gib uns den Mut, die Fülle anzunehmen, die du uns an diesem und jedem anderen Tag vorsetzt. Amen.«
Ein Gebet, das nicht Dankbarkeit ausdrückte, sondern den Wunsch nach Mut. Sehr zeitgenössisch. Diane lächelte mir über den Tisch hinweg zu. Dann drückte sie Simons Arm und wir machten uns über das Essen her.
Es war noch recht früh, als wir fertig waren, die Sonne verweilte im Westen, die Mücken bereiteten sich erst noch auf ihre abendliche Aktivität vor. Der Wind hatte sich gelegt, in der abkühlenden Luft lag etwas zart Gedämpftes.
Anderswo allerdings überschlugen sich die Ereignisse.
Was wir nicht wussten — was selbst Jason, trotz all seiner tollen Beziehungen, noch nicht wusste —, war, dass zwischen dem ersten Bissen Hühnerfleisch und dem letzten Löffel Dreibohnensalat die Chinesen die Verhandlungen abgebrochen und den sofortigen Start eines mit thermonuklearen Sprengköpfen ausgestatteten Gespanns von Dong-Feng-Raketen angeordnet hatten. Die Flugkörper waren ungefähr im selben Moment aufgestiegen, als wir die zweite Runde Heineken aus der Kühltasche gezogen hatten, eisig grüne, raketenförmige Flaschen, von denen das Schwitzwasser tropfte.
Wir räumten den Tisch frei. Ich erwähnte die verschlissenen Zündkerzen und meinen Plan, am nächsten Morgen mit Simon in die Stadt zu fahren. Diane flüsterte ihrem Bruder etwas zu, dann, nach einer gewissen Pause, stieß sie ihn mit dem Ellbogen an. Jason nickte, wandte sich an Simon und sagte: »Gleich hinter Stockbridge gibt es einen von diesen Automobilgroßmärkten, der bis neun geöffnet hat. Wie wär’s, wenn wir da jetzt gleich hinfahren?«
Es war ein Friedensangebot, wie widerwillig auch immer. Simon erholte sich ziemlich schnell von seiner Überraschung und erwiderte: »Ich werde ganz bestimmt keine Fahrt in diesem Ferrari da ausschlagen, falls es das ist, was du mir anbietest.«
»Ich kann dir gern zeigen, was er so alles hergibt.« Beschwichtigt von der Aussicht, mit seinem Auto angeben zu können, ging Jason ins Haus, um seine Schlüssel zu holen. Simon warf uns einen Na-Donnerwetter-Blick zu, dann folgte er ihm. Ich sah Diane an. Sie grinste, stolz auf diesen Triumph der Diplomatie.
Anderswo näherten sich die Dong-Feng-Raketen der Spin-Barriere, passierten sie und flogen auf ihre programmierten Ziele zu. Seltsam die Vorstellung, wie sie über eine plötzlich dunkle, kalte, bewegungslose Erde hinwegschossen, allein ihrer Programmierung folgten, sich auf die gesichtslosen Artefakte ausrichteten, die hunderte von Kilometern über den Polen hingen.
Wie die Aufführung eines Dramas ohne Publikum, zu schnell für das menschliche Auge.
Der Konsens — hinterher — ging dahin, dass die Explosion der chinesischen Sprengköpfe keine Auswirkung auf den ungleichen Zeitfluss gezeitigt hätte. Was dagegen betroffen war (und zwar erheblich), das war der visuelle Filter, der die Erde umgab. Nicht zu reden von der menschlichen Wahrnehmung des Spins.
Wie Jason schon vor Jahren erläutert hatte, bedeutete das temporale Gefälle, dass gewaltige Mengen blauverschobener Strahlung die Oberfläche unseres Planeten überschwemmt hätten, wenn sie nicht von den Hypothetischen gefiltert und kontrolliert worden wäre. Mehr als drei Jahre Sonnenschein auf jede vergehende Sekunde: genug, um alles Leben auf der Erde auszurotten, genug, um den Boden unfruchtbar zu machen und die Meere zum Kochen zu bringen. Die Hypothetischen, die den zeitlichen Einschluss der Erde ins Werk gesetzt hatten, hatten uns auch vor dessen tödlichen Nebenwirkungen geschützt. Mehr noch, sie kontrollierten nicht nur, wie viel Energie zur Erde gelangte, sondern auch, wie viel von der Hitze und dem Licht des Planeten in den Weltraum zurückgestrahlt wurde. Vielleicht war das der Grund dafür, dass das Wetter in den letzten Jahren so angenehm… durchschnittlich gewesen war.