Wir zogen nicht die Jalousien vor. Die wirbelnden Sterne warfen ihr Licht ins dunkle Zimmer, dessen Muster in unscharfen Bildern über meine und Dianes Haut strichen, so wie Großstadtlichter durch ein regennasses Fenster leuchten: still, geschlängelt. Wir sprachen nicht, denn Worte wären hinderlich gewesen. Worte wären Lügen gewesen. Wir liebten uns wortlos, und erst als es vorbei war, war in mir der Gedanke: Lass dies Bestand haben. Nur dies.
Wir schliefen, als der Himmel sich schließlich verdunkelte, als das Feuerwerk abflaute und verschwand. Der chinesische Angriff erwies sich mehr oder weniger als Geste. Tausende waren infolge der globalen Panik ums Leben gekommen, aber es hatte keine unmittelbaren Todesopfer auf der Erde gegeben — und vermutlich auch nicht unter den Hypothetischen.
Die Sonne ging am nächsten Morgen pünktlich auf.
Das Klingeln des Telefons weckte mich. Ich war allein im Bett. Diane nahm den Anruf in einem anderen Zimmer entgegen und kam dann herein, um mir zu sagen, dass Jase dran gewesen sei; die Straßen wären frei und er sei hierher unterwegs.
Sie war geduscht und angezogen und roch nach Seife und gestärkter Baumwolle. »Und das war’s?«, sagte ich. »Simon kreuzt wieder auf und du fährst weg? Was letzte Nacht war, bedeutet gar nichts?«
Sie setzte sich neben mich aufs Bett. »Was letzte Nacht war, hat nie bedeutet, dass ich nicht mit Simon wegfahren würde.«
»Ich dachte, es hätte mehr bedeutet.«
»Es hat mehr bedeutet, als ich ausdrücken kann. Aber es löscht die Vergangenheit nicht aus. Ich habe Versprechen abgegeben und ich habe einen Glauben, und diese Dinge ziehen gewisse Grenzen in mein Leben.«
Sie klang nicht sehr überzeugt. Ich sagte: »Einen Glauben. Sag mir, dass du nicht an diesen Scheiß glaubst.«
Sie erhob sich stirnrunzelnd. »Vielleicht nicht. Aber vielleicht muss ich mit jemandem Zusammensein, der daran glaubt.«
Ich packte meine Sachen und verstaute den Koffer im Hyundai, noch bevor Jase und Simon angekommen waren. Diane sah mir von der Veranda aus zu.
»Ich ruf dich an«, sagte sie.
»Tu das«, erwiderte ich.
4 x 109 n. Chr.
Ich zerbrach eine weitere Lampe während einer meiner Fieberanfälle.
Diesmal gelang es Diane, den Schaden vor dem Concierge zu verheimlichen. Sie hatte das Reinigungspersonal bestochen, die schmutzige Bettwäsche jeden zweiten Morgen vor der Tür gegen saubere auszutauschen, damit die Zimmermädchen nicht hereinkämen und mich im Delirium vorfänden. Im städtischen Krankenhaus waren in den vergangenen sechs Monaten Fälle von Denguefieber, Cholera und menschlichem KVES aufgetreten, und ich wollte nicht in der Epidemiologiestation neben einem Quarantänefall aufwachen.
»Was mir Sorge macht«, sagte Diane, »ist, was alles passieren könnte, wenn ich nicht da bin.«
»Ich kann auf mich aufpassen.«
»Nicht, wenn das Fieber zuschlägt.«
»Dann kommt es einfach auf Glück und Timing an. Hast du die Absicht, irgendwohin zu gehen?«
»Nur das Übliche. Aber ich meine, in einem Notfall. Oder falls ich aus irgendeinem Grund nicht ins Zimmer zurück kann.«
»Was für ein Notfall?«
Sie zuckte mit den Achseln. »Das ist rein hypothetisch«, sagte sie in einem Ton, der vermuten ließ, dass es alles andere als das sei.
Aber ich drang nicht weiter in sie. Es gab nichts, was ich zur Verbesserung der Situation beitragen konnte — außer zu kooperieren.
Ich ging in die zweite Woche der Behandlung, näherte mich der Krisis. Das sich in meinem Blut und Gewebe ansammelnde marsianische Präparat hatte einen kritischen Pegel erreicht. Selbst wenn das Fieber nachließ, fühlte ich mich desorientiert, verwirrt. Die rein körperlichen Nebenwirkungen waren auch kein Spaß: Gelenkschmerzen, Gelbsucht, Ausschlag — sofern man mit »Ausschlag« den Vorgang bezeichnen will, bei dem einem die Haut abpellt, Schicht um Schicht, und rohes Fleisch, fast wie eine offene Wunde, freigelegt wird. In einigen Nächten schlief ich vier oder fünf Stunden — fünf war der Rekord, glaube ich —, bevor ich in einem Brei von Hautpartikeln aufwachte, die Diane dann aus dem blutverschmierten Bett entfernte, während ich mich wie ein Arthritiker solange auf einen Stuhl setzte.
Ich begann selbst meinen klarsten Momenten zu misstrauen. Denn oft war das, was ich empfand, eine rein halluzinatorische Klarheit: die Welt überhell und extrem scharf in ihren Konturen, Worte und Erinnerungen wie die Zahnräder eines durchdrehenden Motors. Schlimm für mich. Schlimmer noch vielleicht für Diane, die Bettschüsseldienste verrichten musste in der Zeit, in der ich inkontinent war. In gewisser Weise erwiderte sie damit einen Gefallen. Ich war bei ihr gewesen, als sie diese Quälerei selbst durchlebt hatte. Aber das war viele Jahre her.
Meistens schlief sie nachts neben mir, obwohl ich nicht weiß, wie sie das aushielt. Sie hielt sorgsam Abstand — manchmal war schon der Druck des Baumwolllakens so schmerzhaft, dass mir die Tränen kamen —, aber allein ihre Gegenwart war beruhigend.
In den wirklich schlimmen Nächten, wenn man damit rechnen musste, dass ich um mich schlug und ihr dabei wehtun konnte, rollte sie sich auf der Couch neben der Balkontür zusammen.
Sie erzählte nicht viel über ihre Ausflüge nach Padang. Ich hatte eine annähernde Vorstellung davon, was sie dort machte: Kontakte knüpfen zu Zahl- und Frachtmeistern, die Kosten und Bedingungen für einen Transit auskundschaften. Gefährliche Arbeit. Wenn es etwas gab, das mir mehr zu schaffen machte als die Wirkungen der Droge, dann war es das Wissen darum, dass Diane in einer potenziell gewalttätigen asiatischen Halbwelt herumzog, mit nicht mehr Schutz als einer Dose Tränengas und ihrem beträchtlichen Mut.
Aber selbst dieses Risiko war besser, als aufgegriffen zu werden.
Sie — die Agenten der Regierung Chaykin oder ihrer Verbündeten in Jakarta — waren aus einer Reihe von Gründen an uns interessiert. Wegen des Präparats natürlich, aber, wichtiger noch, auch wegen diverser digitaler Kopien der marsianischen Archive, die wir mit uns führten. Und herzlich gern hätten sie uns auch über Jasons letzte Stunden befragt: über den Monolog, den ich mitgehört und aufgezeichnet hatte, über all das, was er mir über das Wesen der Hypothetischen und des Spins erzählt hatte. Wissen, das nur Jason besessen hatte.
Ich schlief und erwachte, und sie war nicht mehr da.
Eine Stunde brachte ich damit zu, die Bewegung der Balkonvorhänge zu beobachten, sah das Sonnenlicht den sichtbaren Fuß des Torbogens emporwandern und träumte dabei von den Seychellen.
Schon mal auf den Seychellen gewesen? Ich auch nicht. Was in meinem Kopf ablief, war ein alter Dokumentarfilm, den ich früher auf PBS gesehen hatte. Die Seychellen sind tropische Inseln, Heimat von Schildkröten und der Coco de Mer und einem Dutzend verschiedener seltener Vogelarten. Geologisch gesehen sind sie das, was von dem Kontinent übrig geblieben ist, der einst Asien und Südamerika miteinander verband, lange vor der Entwicklung des modernen Menschen.
Träume, hatte Diane einmal gesagt, seien wild gewordene Metaphern. Der Grund, warum ich von den Seychellen träumte (ich stellte mir vor, wie sie es mir erklärte), war, dass ich mich versunken fühlte, uralt, ausgestorben.
Wie ein untergegangener Kontinent, überflutet in der Erwartung meiner eigenen Verwandlung.
Ich schlief wieder ein, erwachte, und sie war immer noch nicht da.
Wachte im Dunkeln auf, noch immer allein, und wusste, dass mittlerweile zu viel Zeit vergangen war. Schlechtes Zeichen. Bisher war Diane immer vor Anbruch der Dunkelheit zurückgekehrt.
Ich hatte mich im Schlaf heftig gewälzt. Das Baumwolllaken lag zerknüllt auf der Erde, kaum zu erkennen im von der Gipsdecke reflektierten Licht, das von der Straße hereinfiel. Mir war kalt, aber ich war zu wund, um mich hinunterzubeugen und es wieder aufzuheben.