Darüber könne ich nichts sagen, erklärte ich ihr. Meine Familie war nicht sehr religiös. Das Thema machte mich ehrlich gesagt ein bisschen nervös.
In jenem Sommer fuhren wir drei zum letzten Mal mit unseren Fahrrädern zur Fairway Mall.
Wir hatten diesen Ausflug schon hundert-, ja tausendmal gemacht. Die Zwillinge wurden allmählich ein bisschen zu alt dafür, aber in den sieben Jahren, die wir gemeinsam auf dem Grundstück des Großen Hauses wohnten, war es zu einem Ritual geworden, zur unverzichtbaren Sommersamstagsunternehmung. An regnerischen oder brüllend heißen Wochenenden ließen wir es schon mal ausfallen, doch wenn das Wetter okay war, zog es uns wie eine unsichtbare Hand zum Treffpunkt am Ende der langen Lawton-Auffahrt.
An diesem Tag wehte ein sanfter Wind, und das Sonnenlicht verlieh allem, was es berührte, eine tiefe organische Wärme. Es war, als wolle das Klima uns beruhigen: der Natur ging es, zehn Monate nach dem Ereignis, recht gut, danke der Nachfrage — auch wenn wir (wie Jason bisweilen sagte) jetzt ein gehegter Planet waren, ein von unbekannten Kräften bestellter Garten, kein Flecken kosmischen Wildwuchses mehr.
Jason fuhr ein teures Mountainbike, Diane das etwas weniger hermachende Gegenstück für Mädchen. Mein Fahrrad war ein Klappergestell, das meine Mutter in einem Secondhand-Laden gekauft hatte. Egal. Worauf es ankam, das war der Kiefernduft in der Luft und die vor uns aufgereihten leeren Stunden. Ich empfand es so, Diane empfand es so, und ich glaube, auch Jason empfand es so, obwohl er zerstreut und sogar ein bisschen verlegen wirkte, als wir aufsattelten. Ich schrieb es dem allgemeinen Stress oder — es war August — der Aussicht auf das neue Schuljahr zu. Jase befand sich in einem beschleunigten akademischen Zug an der Rice Academy, einer Eliteschule mit hohen Ansprüchen. Letztes Jahr hatte er seine Mathe- und Physikkurse spielend leicht absolviert — er hätte sie genauso gut unterrichten können —, aber im nächsten Semester war ein Schein in Latein zu erwerben. »Es ist nicht mal eine lebende Sprache«, sagte er. »Wer zum Teufel liest schon Latein, von klassischen Philologen mal abgesehen? Das ist, als würde man FORTRAN lernen. Alle wichtigen Texte wurden schon vor langer Zeit übersetzt. Macht es mich zu einem besseren Menschen, wenn ich Cicero im Original lese? Cicero, um Gottes willen! Der Alan Dershowitz der Römischen Republik.«
Ich nahm das alles nicht besonders ernst; eine unserer Lieblingsbeschäftigungen auf diesen Ausflügen bestand darin, uns in der Kunst des Klagens zu üben. (Ich hatte keine Ahnung, wer Alan Dershowitz war, irgendein Junge aus Jasons Schule, vermutete ich.) Aber heute war seine Laune doch recht unberechenbar. Auf den Pedalen stehend, radelte er ein Stück vor uns her.
Der Weg zur Mall zog sich an Grundstücken mit dichtem Baumbestand und Pastellhäusern mit gepflegten Gärten und eingelassenen Sprinklern entlang, die Regenbögen in die morgendliche Luft zeichneten. Das Sonnenlicht mochte gefälscht sein, gefiltert, aber es brach sich noch immer in Farben, wenn es durch herabfallendes Wasser drang, und es fühlte sich nach wie vor wie ein Segen an, wenn wir aus dem Schatten der Eichen auf den glitzernd weißen Bürgersteig fuhren.
Nach zehn oder fünfzehn Minuten bequemer Fahrt türmte sich der höchste Abschnitt der Bantam Hill Road vor uns auf — letztes Hindernis und wesentlicher Markstein auf dem Weg zur Mall. Die Bantam Hill Road war sehr steil, aber auf der anderen Seite wartete dann eine schön lange, sanfte Abfahrt bis zu den Parkplätzen der Mall. Jason hatte bereits ein Viertel des Anstiegs bewältigt.
Diane sah mich verschmitzt an. »Fahren wir um die Wette«, sagte sie.
Das war ziemlich schrecklich. Die Zwillinge hatten im Juni Geburtstag; ich erst im Oktober. Jeden Sommer waren sie also nicht nur ein, sondern zwei Jahre älter als ich: sie waren vierzehn geworden, während ich noch vier frustrierende Monate lang zwölf blieb. Der Unterschied machte sich auch als körperlicher Vorteil bemerkbar. Diane wusste, dass ich sie bergauf nicht schlagen konnte, aber sie trat dennoch energisch in die Pedalen und ich versuchte seufzend, meine quietschende alte Kiste auf ein konkurrenzfähiges Tempo zu steigern. Es war kein wirklicher Wettkampf. Diane hob sich aus dem Sattel ihrer strahlenden Maschine aus mattgeschliffenem Aluminium, und als sie die Steigung in Angriff nahm, hatte sie bereits einen mächtigen Schwung aufgebaut. Drei kleine Mädchen, die damit beschäftigt waren, Kreidemuster auf den Bürgersteig zu malen, sprangen eilig aus dem Weg. Sie warf einen Blick zu mir zurück, halb ermunternd, halb spöttisch.
Die steile Straße raubte ihr natürlich den Schwung, doch sie schaltete in einen tieferen Gang und ließ die Beine geschmeidig ihre Arbeit verrichten. Jason, inzwischen oben angelangt, hatte angehalten und hielt sich mit einem langen Bein im Gleichgewicht, während er belustigt zurückblickte. Ich mühte mich weiter, aber nach der Hälfte des Anstiegs schwankte mein Rad mehr, als dass es sich voranbewegte, und ich war gezwungen, abzusteigen und den Rest des Weges zu Fuß zu gehen.
Als ich endlich ankam, grinste mir Diane entgegen.
»Hast gewonnen«, sagte ich.
»Tut mir Leid, Tyler. Es war nicht gerade fair.«
Ich zuckte verlegen mit den Achseln.
Die Straße endete hier in einer Sackgasse, in der Baugrundstücke abgesteckt, aber noch keine Häuser errichtet worden waren. Die Mall lag westlich am Fuße eines langen sandigen Abhangs. Ein ausgestampfter Pfad schnitt durch struppige Bäume und Beerenbüsche. »Wir sehen uns unten«, rief Diane und rollte wieder davon.
Wir schlossen unsere Räder ab und betraten das gläserne Hauptschiff der Mall. Die Mall war ein beruhigender Ort, hauptsächlich weil sie sich seit letztem Oktober so wenig verändert hatte. Zeitungen und Fernsehen mochten nach wie vor in ständiger Alarmbereitschaft sein — die Mall lebte in seliger Abkehr von der Realität. Der einzige Hinweis darauf, dass in der Welt draußen etwas schief gelaufen sein könnte, war das Fehlen von Satellitenschüsseln im Angebot der Elektronikmärkte und ein ganzer Schwung von »Oktober«-Titeln in der Auslage des Buchladens. Jason schnaubte angesichts eines Paperbacks mit blau-goldenem Hochglanzcover, ein Buch, das den Anspruch erhob, das Oktober-Ereignis mit biblischen Prophezeiungen zu erklären. »Die einfachste Sorte Prophezeiung«, sagte er, »ist die, die etwas vorhersagt, was bereits geschehen ist.«
Diane sah ihn genervt an. »Auch wenn du nicht daran glaubst, brauchst du dich noch längst nicht darüber lustig zu machen.«
»Genau genommen mache ich mich nur über den Einband lustig. Das Buch selbst habe ich ja nicht gelesen.«
»Solltest du vielleicht.«
»Warum? Was verteidigst du denn hier?«
»Ich verteidige gar nichts. Aber vielleicht hat Gott etwas mit dem vergangenen Oktober zu tun. Das scheint mir keine so lächerliche Vorstellung zu sein.«
»Nun, tatsächlich ist das, ja, doch, eine ziemliche lächerliche Vorstellung.«
Sie verdrehte die Augen und stapfte, vor sich hinseufzend, voraus. Jase stellte das Buch zurück ins Regal.
Ich sagte ihm, dass die Leute meiner Meinung nach einfach nur verstehen wollten, was geschehen sei, und dass es deshalb solche Bücher gebe.
»Oder vielleicht wollen sie auch nur so tun, als würden sie verstehen wollen. Das nennt man Realitätsverweigerung. Willst du mal was wissen, Tyler?«
»Klar.«
»Behältst du’s für dich?« Er senkte die Stimme so, dass Diane, ein paar Schritte von uns entfernt, ihn nicht hören konnte. »Es ist noch nicht öffentlich bekannt gegeben.«