Lambourn gebaut. Sehr gutes Fabrikat. Jedenfalls verdek-ken und schützen die Seiten die Rahmenteile wie bei Pkws auch. Man kann da Bomben verstecken.«
«Ich verstehe schon«, versicherte er mir.»Haben Sie denn vor Bomben Angst?«
«Eher vor Drogen.«
Patrick Venables sah auf seine Uhr und stand auf.»Zeit für mich«, sagte er.»Kommen Sie nach dem letzten Rennen noch mal zum Waageraum.«
Mein zustimmendes Nicken erreichte nur seinen schon entschwindenden Rücken. Ich fragte mich, was er von dem Ganzen hielt; würde er es mit einem Achselzucken abtun oder es sich näher ansehen? Eine Entscheidung, die er sicher im Laufe des Nachmittags traf, aber ich selbst war dadurch, daß ich ihm alles erzählt hatte, schon zu dem Schluß gekommen, daß ich wirklich herausfinden mußte und wollte, was da vorging, mit oder ohne seine Hilfe.
Ich ging hinaus und verbrachte einen Großteil des Nachmittags mit Gesprächen, die zwar manchmal nützlich waren fürs Geschäft, aber gar nicht zu vergleichen mit der Spannung der aktiven Teilnahme am Wettkampf, dem Ab- und Zurückwiegen, dem raschen Umziehen und Wiederhinaus-gehen zum nächsten Rennen… Nun ja. Das gute daran war, daß ich nicht mehr hungern mußte, um unnatürlich dünn zu bleiben, mir nicht mehr die Knochen brach und schwere Blessuren geheimhielt; daß ich keine Angst mehr haben mußte, große Rennen, gute Besitzer, den Mut oder den Job zu verlieren. Ich war jetzt so frei wie noch nie und überlegte, daß ich zwar immer noch darauf angewiesen war, es Besitzern und Trainern recht zu machen, aber schließlich mußte jeder, der zu etwas kommen wollte, es irgend jemandem recht machen: Künstler dem zahlenden Publikum, Präsidenten und Premierminister ihrem Volk.
An Nachmittagen wie dem in Sandown benahm ich mich nicht anders als meine Fahrer, das heißt, ich achtete besonders auf Pferde, die ich auf den Platz gebracht hatte. Ein Sieger hob die Stimmung jedes Fahrers; wurde ein Pferd schwer verletzt und getötet, was hin und wieder vorkam, fuhren wir bedrückt nach Hause. Das unbestrittene, wenn auch unlogische Besitzdenken wirkte sich merklich darauf aus, wie gern, wie schnell, wie gründlich die Transporter bei der Rückkehr gewartet wurden.
Da zwei von den Pferden, die ich an diesem Tag befördert hatte, einem Trainer gehörten, für den ich früher ab und zu geritten war, ergab es sich von selbst, daß ich schließlich mit ihm und seiner Frau ins Gespräch kam.
Benjy Usher und Dot schienen sich wie üblich wieder einmal zu zanken. Als ich an ihnen vorbeiging, packte er mich am Ärmel.
«Freddie«, verlangte er,»sagen Sie dieser Frau mal, in welchem Jahr Fred Archer sich erschossen hat. Sie meint 1890. Ich sag, das ist Quatsch.«
Ich warf einen Blick auf Dots Gesicht, in dem sich wie gewohnt Unruhe und Resignation mischten. Jahre des Zusammenlebens mit einem jähzornigen Mann hatten ihrem Gesicht Züge aufgeprägt, die sich auch in den seltenen Momenten, wo sie lächelte, kaum noch änderten, doch obwohl sie und Benjy sich anfauchten, seit ich sie kannte, hielt das Paar immer noch eisern zusammen.
Sie waren beide ungewöhnlich gut aussehend, aber das machte es nur noch seltsamer. Beide waren gut gekleidet, in den Vierzigern, gewandt im Umgang mit anderen und intelligent. Vor fünfzehn Jahren hätte ich ihrer Verbindung keine fünf Minuten gegeben, woran man nur wieder sieht, wie wenig ein Außenstehender von einer Ehe mitbekommt.
«Also?«hakte Benjy nach.
«Ich weiß es nicht«, sagte ich diplomatisch, obwohl ich genau wußte, daß es 1886 war, im neunundzwanzigsten Lebensjahr des überragenden Champion-Jockeys, der 2749 Rennen gewonnen hatte und immer mit der Bahn angereist war.
«Sie sind auch zu nichts zu gebrauchen«, sagte Benjy, und Dot sah erleichtert aus.
Benjy, immer wendig, wechselte das Thema.»Sind meine Pferde gut hier angekommen?«
«Ja, natürlich.«
«Mein Pfleger sagt, Sie haben sie selbst gebracht.«
Ich nickte.»Drei von meinen Fahrern haben die Grippe.«
Viele Trainer kamen mit auf ihren Stallhof, um darüber zu wachen, daß ihre Starter ordentlich verladen wurden, aber Benjy tat das selten. Beaufsichtigung hieß für ihn, aus dem Fenster brüllen, wenn ihm etwas mißfiel, und wie man hörte, kam das oft vor. Benjys Stallpersonal wechselte schneller als bei den meisten. Sein Reisefuttermeister, der die Pferde nach Sandown hätte begleiten sollen, war ihm am Tag vorher davongelaufen.
Benjy fragte mich, ob mir diese unangenehme Sache bekannt sei. Ich hätte davon gehört, sagte ich.
«Dann tun Sie mir einen Gefallen. Satteln Sie meine Pferde und kommen Sie mit uns in den Ring.«
Die meisten Trainer hätten unter den Umständen ihre Tiere selbst gesattelt, aber nicht Benjy. Er mochte sie kaum anfassen, hatte ich beobachtet. Ich nahm an, die Frage nach Fred Archer war bloß ein Vorwand gewesen, um mich einzuspannen.
Ich sagte ihm, ich würde seine Pferde mit Vergnügen satteln. Gar nicht mal so unwahr.
«Gut«, sagte er zufrieden.
Und so ging ich ans Werk, während er und Dot sich mit dem Besitzer des ersten Starters unterhielten, und später am Tag sattelte ich auch den zweiten. Der erste lief achtbar, ohne ins Geld zu kommen, und der zweite gewann sein Rennen. Wie immer bei solchen Anlässen lief Benjys sympathisches Gesicht im Absattelring rot an und brach in Schweiß aus wie auf dem Höhepunkt der Lust. Die Besitzer streichelten ihr Pferd. Dot sagte mir ernsthaft, ich hätte einen guten Futtermeister abgegeben.
Ich lächelte.
«Ach je. Verzeihung.«
«Doch, hätte ich auch«, sagte ich.
An Dot war immer etwas, das ich nicht verstand, eine tiefe innere Zurückhaltung. Nach fünfzehn Jahren kannte ich sie kaum besser als am Anfang.
Benjys sonderbare Trainingsmethoden rührten angeblich daher, daß er vom Trainieren nicht leben mußte. Außerdem hatte Benjy mit seinen vielen ererbten Millionen auch hervorragende Pferde auf dem Kontinent gekauft, die er dort von anderen Trainern ausbilden ließ und die in Frankreich und Italien größere Rennen gewannen als Benjys Pferde in England. Wie die meisten Besitzer lockten Benjy die höheren Geldpreise des europäischen Festlandes, und doch blieb er lieber in Pixhill wohnen, trainierte zum Zeitvertreib für andere Leute und benutzte meine Wagen für seine Transporte, womit ich voll und ganz einverstanden war.
Er und Dot luden mich auf ein Glas ein: doppelte Gins für sie, Mineralwasser für mich. Wenn ich eines nicht verlieren durfte, war es mein Führerschein.
Benjy sagte:»Ich habe einen Hengst mit einer Sehnenzerrung in Italien, der soll zur Genesung und zum Ausruhen hierher. Würden Sie ihn holen?«»Aber sicher.«
«Gut. Ich sage Ihnen Bescheid. «Er klopfte mir auf die Schulter.»Sie leisten ganze Arbeit mit den Transportern. Auf Sie kann man sich verlassen, nicht wahr, Dot?«
Dot nickte.
«Nun ja… danke«, sagte ich.
Irgendwie ging der Nachmittag schnell vorbei, und nach dem letzten Rennen wartete ich vor dem Waageraum auf Patrick Venables. Er kam schließlich im Laufschritt, immer noch unter Zeitdruck.
«Freddie«, sagte er.»Sie haben mir gestern erzählt, daß Sie knapp an Fahrern sind. Stimmt das noch?«
«Drei haben Grippe, und einer ist endgültig weg.«
«Hm, hm. Dann schlag ich vor, ich schicke Ihnen eine Aushilfe; jemanden, der sich Ihres Problems annehmen kann.«
Ich war nicht gleich Feuer und Flamme.»Er müßte auch den Job machen können.«
«Es ist eine Sie. Und Sie werden sehen, daß sie es kann. Ich habe vereinbart, daß sie morgen früh nach Pixhill kommt. Zeigen Sie ihr, wie der Laden läuft, und lassen Sie sie dann weitersehen.«