Ich dankte ihm halbherzig. Er lächelte schwach und bat mich, es mit ihr zu versuchen.»Wenn nichts draus wird, ist nichts verloren.«
Da war ich mir nicht so sicher, aber ich hatte ihn um Hilfe gebeten und sah keine Möglichkeit, jetzt abzuspringen. Er enteilte mit einer letzten Information:»Ich habe ihr Ihre Adresse gegeben.«
Er war fort, ehe mir einfiel, nach ihrem Namen zu fragen, aber das spielte wohl kaum eine Rolle. Ich hoffte, sie würde freundlicherweise kommen, bevor ich zu Maudie Watermead essen ging.
Sie hieß Nina Young. Früh um neun kam sie die Einfahrt heraufgebraust und erwischte mich unrasiert, noch im Bademantel, während ich bei Kaffee und Cornflakes die Zeitung las.
Ich ging auf ihr Klingeln zur Tür und begriff nicht sofort, wer sie war.
Sie hatte einen scharlachroten Mercedes gefahren und trug, obwohl sie gar nicht so jung war, hautenge Jeans, ein weißes Hemd mit romantisch weiten Ärmeln, eine bestickte Afghanweste, schwere Goldketten und ein teures Parfüm. Ihr glänzendes dunkles Haar war meisterlich geschnitten. Die hohen Wangenknochen, der schlanke Hals und die ruhigen Augen ließen mich an Ahnenporträts denken, an Generationen blauen Bluts. Meiner Vorstellung von einem zünftigen Pferdetransportfahrer entsprach sie nicht.
«Patrick Venables meinte, ich solle zeitig kommen«, sagte sie und hielt mir eine Hand mit lackierten Nägeln hin. Die Stimme war durch die besten Schulen gegangen, das Selbstbewußtsein in der Wiege erlernt. Von meinem männlich-reaktionären Standpunkt aus war der einzige Makel ihr Alter, schätzungsweise schon fast Mitte vierzig.
«Kommen Sie rein«, bat ich und dachte im Zurücktreten, daß sie gut für das Ambiente war, wenn auch vielleicht nicht für die vorliegende Aufgabe.
«Freddie Croft«, sagte sie, als wäre eine Ausschneidefigur vor ihr zum Leben erwacht.»Leibhaftig.«
«Ja«, stimmte ich zu.»Möchten Sie Kaffee?«
«Nein, danke. Höre ich da ein wenig Ungehaltenheit heraus?«
«Aber überhaupt nicht. «Ich führte sie ins Wohnzimmer und bedeutete ihr, irgendwo Platz zu nehmen.
Sie wählte einen tiefen Sessel und schlug die langen Beine übereinander, so daß schlanke Fesseln über den ledernen Schnallenschuhen sichtbar wurden. Aus einer teuren Umhängetasche zog sie eine kleine Mappe hervor, die sie ungefähr in meine Richtung schwenkte.
«Führerschein für Schwerlastwagen«, versicherte sie mir.
«Der wahre Jakob.«
«Sonst hätte er Sie nicht zu mir geschickt. Wieso haben Sie den?«
«Weil ich meine Jagdpferde selbst fahre«, sagte sie sachlich.
«Und meine Spring- und Vielseitigkeitspferde. Sonst noch Fragen?«
Die Pferdetransporter, die sie bisher gefahren hatte, waren demnach welche mit großen Wohn- und Schlafräumen vor den Boxen, es waren die Luxustransporter mit Wohnmobilqualität, die zur Military nach Badminton und Burley kamen. Sie mußte eine vertraute Erscheinung in dieser Welt sein, zu vielen Leuten vom Sehen bekannt für den anstehenden Zweck.
«Vielleicht sollte ich Sie kennen?«tippte ich an.
«Glaub ich nicht. Ich gehe nicht zum Pferderennen.«
«Hm«, sagte ich mild,»hierfür müßten Sie aber schon in der Lage sein, die Rennplätze zu finden.«
«Patrick sagte, Sie hätten bestimmt eine Karte.«
Patrick, dachte ich, war von allen guten Geistern verlassen.
Sie nahm meine zweifellos offensichtlichen Bedenken mit ruhiger Belustigung zur Kenntnis.
«Meine Pferdetransporter sind funktionell«, sagte ich.»Keine Kühlschränke, keine Kochplatten, keine Toiletten.«»Sie haben Mercedesmotor, ja?«
Ich nickte überrascht.
«Ich bin ein guter Fahrer.«
Das glaubte ich ihr.»Also schön«, sagte ich.
Ich überlegte, daß ich, egal wie es um ihre Ermittlerqualitäten bestellt war, auf jeden Fall noch jemandem zum Fahren brauchte. Was Harve und Jogger von ihr halten würden, daran wagte ich nicht zu denken.
«Gut«, sagte sie nüchtern, und nach einem kurzen Augenblick:»Beziehen Sie Horse & Hound?«
Ich nahm die neueste, noch ungelesene Nummer der Wochenzeitschrift von einem Beistelltisch, gab sie ihr und sah zu, wie sie sie hinten aufschlug, bei den vielen Seiten mit den Kleinanzeigen. Sie kam zur Pferdetransportsparte, wo ich etwa alle vier Wochen einmal für Croft Raceways warb, und klopfte mit einem rosaroten Fingernagel auf die Seite.
«Patrick wüßte gern, ob Sie das gesehen haben.«
Ich ließ mir die Zeitschrift geben und las die Stelle, auf die sie gezeigt hatte. In einem einspaltigen Kasten standen die schlichten Worte:
TRANSPORTPROBLEME?
Wir helfen weiter.
Alles kommt in Betracht.
In einer vierten Zeile stand eine Telefonnummer.
Ich runzelte die Stirn.»Ja, kenne ich. Das ist ab und zu in den Transportanzeigen. Ziemlich sinnlos, finde ich.«
«Patrick möchte, daß ich der Sache mal nachgehe.«
«Niemand«, wandte ich ein,»würde für einen Schmuggeldienst werben. Das ist doch unmöglich.«»Warum probieren wir es nicht?«
Ich reichte ihr ein schnurloses Telefon.»Bitte sehr.«
Sie tippte die Nummer, hörte zu, zog die Nase kraus und unterbrach die Verbindung.
«Anrufbeantworter«, erklärte sie knapp.»Hinterlassen Sie Name und Telefonnummer, und wir rufen zurück.«
«Mann oder Frau?«
«Mann.«
Wir sahen uns an. Ich glaubte zwar nicht, daß an dem Inserat etwas unsauber war, sagte aber:»Vielleicht kann Patrick Venables mal seinen Einfluß bei Horse & Hound geltend machen und feststellen, wo die Anzeige herkommt.«
Sie nickte.»Das tut er morgen.«
Trotz meiner Skepsis beeindruckt, ging ich zum Schreibtisch hinüber und sah auf den Wochenplan.
«Morgen schicke ich wahrscheinlich zwei Wagen zum Pferderennen nach Taunton«, sagte ich ihr.»Meine Fahrerin Pat hat die Grippe. Sie können ihren Transporter nehmen. Er faßt vier Pferde, aber Sie bekommen wahrscheinlich nur drei. Sie können dem anderen Wagen nach Taunton hinterherfahren, damit Sie zur rechten Zeit am rechten Ort ankommen, und zum Abholen gebe ich Ihnen hier einen Mann namens Dave mit. Er kennt den Stall, von dem die Pferde kommen. Wenn Sie die Pferde eingeladen haben, setzen Sie ihn wieder an unserer Zentrale ab und folgen dem anderen Transporter.«
«In Ordnung.«
«Es wäre besser, wenn Sie nicht mit dem Wagen da draußen zur Arbeit kämen.«
Sie schenkte mir ein funkelndes Lächeln.»Sie werden mich morgen früh kaum wiedererkennen. Wie rede ich Sie denn an? Sir?«
«Einfach Freddie. Und Sie?«
«Nina.«
Sie stand auf, hochgewachsen und ruhig, jeder Zentimeter das Gegenteil von dem, was ich brauchte. Die Fahrt nach Taunton, dachte ich, würde ihre erste und letzte sein, besonders wenn der Augenblick des Reinemachens nach der Rückkehr kam. Sie schüttelte mir die Hand — ihre war fest und trocken — und ging ohne Eile hinaus zu ihrem Wagen. Ich folgte ihr bis zur Tür und sah zu, wie die rote Pracht mit dem teuren, unverwechselbaren Mercedesschnurren losfuhr.
Niemand hatte etwas von Geld gesagt, fiel mir ein. Rose würde wissen wollen, wieviel ich vereinbart hatte. Nicht einmal verdeckte Einsätze für den Jockey-Club ließen sich ohne den allgegenwärtigen Papierkram abwickeln.
Sonntags lief das Geschäft immer relativ ruhig; wenn es hochkam, war vielleicht die halbe Flotte unterwegs. An diesem Sonntag fiel die Fahrerknappheit so wenig ins Gewicht, daß Harve, Jogger und Dave sich ihren gewohnten freien Tag nehmen konnten, und noch etliche Fahrer dazu. Die meisten arbeiteten gern samstags und sonntags, da es am Wochenende mehr Geld gab, doch ich hatte überhaupt mit meinem Team Glück gehabt, denn alle fuhren notfalls auch an ihrem freien Tag, um keine Aufträge an die Konkurrenz abzugeben. Ihre Arbeitsstunden und ihre Ruhezeiten unterlagen strengen gesetzlichen Bestimmungen: Manchmal hatte ich Mühe, sie davon zu überzeugen, daß ich gerichtlich belangt werden konnte, wenn sie die Vorschriften zu sehr beugten.