Anrufbeantworter eingeschaltet, als ich zum Duschen nach oben gegangen war, hatte ihn dann angelassen, als ich Blumen pflückte und zum Friedhof ging, und natürlich auch, als ich zum Mittagessen zu den Watermeads fuhr, und seitdem war er die ganze Zeit an gewesen. Das Band drehte sich eifrig zurück.
Ich drückte auf den Startknopf und fiel beinahe aus dem Sessel.
Die erste Stimme war die von Jogger, rauh, Cockney, ohne Eile, ohne Angst.
«Ich kann den blöden Apparat nicht leiden«, sagte er.»Wo stecken Sie denn, Freddie? Jemand hat den Lieferwagen gechowchowt. Er steht nicht hier in der Garage, irgendein Wermolch hat ihn abgegriffen, als ich gepennt hab. Am besten, Sie sagen es Sandy — Nein… stopp… warten Sie…«Er schwieg eine Zeitlang und fuhr dann ziemlich verlegen fort:»Ehm, äh, streichen Sie das, Freddie. Ich weiß, wo er ist. Er steht an der Kneipe. Vergessen Sie, daß ich’s gesagt hab, okay?«
Die Verbindung brach ab, doch der zweite Anruf war ebenfalls von Jogger.»Das mit dem Lieferwagen ist mir so auf einmal wieder eingefallen. Sandy hat die Schlüssel. Ich geh erst noch am Bauernhof vorbei, nach dem Rechten sehen, dann hol ich die Schlüssel. Jedenfalls wollte ich Ihnen raten, mal die Cousins unters Tatü zu nehmen. Letztes Jahr im August hab ich einen in der Schmiergrube gefunden, der war tot und hat gewimmelt, und ein Phönixpferd hatte im vorigen Sommer den gleichen Hut auf und ist eingegangen. Was halten Sie davon?«
Seine Stimme brach ab und ließ mich mit dem Problem allein, daß ich nicht wußte, wovon er geredet hatte.
Cousins in der Schmiergrube! Und auch noch tot, wie er selbst. Armer Jogger, verdammte alte Nervensäge.
Warum konnte er etwas nicht geradeheraus sagen? Sein gereimter Slang war bisher nicht ernstlich von Bedeutung gewesen, aber jetzt war er doch sehr ärgerlich. Gechow-chowt hieß gemopst oder geklaut. Wermolch stand für Strolch, Tatü für die Hupe, die Lupe. All das war noch nachvollziehbar, weil es aus der Umgangssprache kam. Aber was sollten» Cousins «und» gewimmelt «und» Phönix«?
Was ich brauchte, entschied ich, war ein Reimlexikon, und morgen früh würde ich mir eins kaufen.
Ich hatte den Anrufbeantworter für meinen Privatanschluß an diesem Morgen gegen elf eingeschaltet. Da hatte Jogger noch gelebt. Um gegen drei am Nachmittag» ziemlich kalt «in der Grube zu liegen, mußte er schon recht bald nach seinen Anrufen gestorben sein. Eine Zeitlang saß ich nur da und schaute dumm auf das Gerät, als könnte es meinen Mechaniker irgendwie zum Leben erwecken. Hätte ich selbst mit ihm gesprochen, wäre er jetzt vielleicht sogar noch am Leben gewesen. Ich konnte das Telefon nicht klingeln hören, wenn ich unter der Dusche stand oder mein Rasierapparat lief. Vielleicht hatte er da angerufen, aber ich hatte die Rufanzeige nicht leuchten sehen. Wahrscheinlicher war, daß er es versucht hatte, als ich fort war, um die Blumen zu pflücken und niederzulegen. Wir mußten uns um Sekunden verpaßt haben.
Unendlich traurig hörte ich noch einige Nachrichten auf dem Band ab und erzählte ein oder zwei Leuten von Jogger. So oder so würde es vor dem Schlafengehen das ganze Dorf wissen.
Um halb acht am nächsten Morgen war ich nach einer unruhigen Nacht wieder auf dem Hof drüben und unterhielt mich mit den beiden Fahrern, die Rennpferde nach
Southwell bringen sollten. Dort gab es eine Allwetterbahn, direkt nordöstlich von Nottingham, deren Geläuf allgemein beliebt war, da es nicht wie Rasen rissig werden, frieren oder wegschwimmen konnte. Der einzige Nachteil für Trainer aus Pixhill war die Entfernung der Bahn, einhundertfünfzig Meilen von zu Hause, aber genau diese Entfernung füllte auch die Kassen von Croft Raceways. Es war mit die längste Strecke, die unsere Transporter an einem Tag hin und zurück fuhren, und sie bedeutete immer einen langen Tag. Weitere Strecken erforderten schon Übernachtungen oder zwei Fahrer, die sich am Steuer ablösten.
An diesem Montag waren sechs unserer Wagen für Rennplätze eingeteilt, zwei für Zuchtstuten, zwei sollten ins Ausland, und vier hatten Pause, was bei der anhaltenden Grippesituation ganz in Ordnung war.
Ich stand draußen auf dem Hof, als eine Frau mit einem kleinen Ford, der schon einige Jahre auf dem Buckel hatte, zum Tor hereingefahren kam. Sie hielt vor dem Büro an und stieg aus, eine schlanke, hochgewachsene Gestalt in Jeans und Steppjacke, mit dunklen, flüchtig zu einem Pferdeschwanz zurückgebundenen Haaren. Kein Make-up, kein Nagellack, kein Anstrich von Jugend.
Sie war, wie sie es angekündigt hatte, fast nicht wiederzuerkennen.
Ich ging zu ihr hinüber.»Nina?«sagte ich.
Sie lächelte munter.»Scheint, ich bin etwas zu früh dran.«
«Um so besser. Ich mache Sie mit den anderen Fahrern bekannt… aber erst sollte ich Ihnen wohl sagen, was denen im Kopf herumgeht.«
Sie hörte sich stirnrunzelnd an, wie Jogger gefunden worden war, und fragte sofort:»Haben Sie das Patrick Venables erzählt?«»Noch nicht.«
«Dann tu ich das. Ich rufe ihn zu Hause an.«
Ich ging mit ihr in mein Büro und hörte zu, wie sie das Gespräch führte.»Es könnte durchaus ein Unfall sein«, sagte sie zu ihrem Boss.»Freddie hofft das auch. Die Polizei hier kümmert sich darum. Was soll ich tun?«
Sie hörte eine Weile zu, sagte ein paarmal» ja «und gab den Hörer an mich weiter.»Er will mit Ihnen reden.«
«Freddie Croft«, sagte ich.
«Hab ich das richtig verstanden? Der Tote ist der Mann, der die leeren Behälter unter Ihren Transportern entdeckt hat?«
«Ja. Mein Mechaniker.«
«Und wer außer Ihnen und mir wußte, daß er sie entdeckt hatte?«
«Jeder, der ihn am Samstag abend in seiner Stammkneipe in Pixhill davon hat reden hören und gereimten Slang versteht. «Er fluchte mit Nachdruck, und ich erklärte Joggers Redegewohnheiten.»Der Ortspolizist hat ihn auch gehört, ist aber nicht ganz schlau draus geworden. Jemand, der wußte, daß die Behälter dort waren, hätte aber sofort kapiert. Ufos und Kuckuckseier unter den Lastern, hatte Jogger gesagt. Damit meinte er unbekannte, unerbetene Anhängsel. Sonnenklar.«
«Finde ich auch. «Patrick Venables schwieg.»Wer war in der Kneipe?«
«Das ist ein beliebter Treff. Ich werde den Wirt fragen. Ich gehe heute nachmittag hin und sag ihm, daß ich jedem ein Bier ausgebe, der am Samstag abend, bei Joggers letztem Besuch, dort war. Zum Gedenken oder so.«
Mit Humor in der Stimme sagte er:»Es kann nichts schaden. Ich strecke auch ein paar Fühler nach Ihrer Kripo
aus und schau mal, was die von all dem halten. Der Tod dieses Jogger ist vielleicht nur ein unglücklicher Zufall.«
«Das will ich hoffen«, sagte ich mit Nachdruck.
Er verlangte noch einmal Nina zu sprechen, und sie sagte noch einige Male» ja «und schließlich» Wiedersehn, Patrick«.
«Ich soll ihn später noch mal anrufen«, sagte sie.»Und Ihnen legt er ans Herz, in der Kneipe vorsichtig zu sein.«
Ich erzählte ihr von Joggers letzter Nachricht auf dem Anrufbeantworter.»Die schreib ich Ihnen auf, wenn ich zu Hause bin«, sagte ich,»aber sie ist ziemlich unverständlich. Er hat sich die Reime immer selbst ausgedacht, und diese habe ich noch nie von ihm gehört.«
Sie schaute mich an.»Dabei haben Sie bestimmt mehr Übung als die meisten.«
«M-hm. Ich dachte schon daran, mir ein Reimlexikon zu kaufen, obwohl es mehr ein Rätselraten ist. Ich meine, wenn er Kaviar sagte, hat er Drogen gemeint. Kaviar und Rogen. Man muß nicht bloß den Reim finden, sondern vielmehr das Wort, das mit dem Reim zusammengeht, und diese Verbindung ist allein Joggers Gehirn entsprungen.«
«Und wenn er nicht gestorben wäre«, sagte sie nickend,»hätten Sie ihn einfach fragen können, was er meinte.«