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Für uns war das ganz normal. Für Michael Watermead mußte es eine arge Zumutung sein. Ich hatte mit dem Fahrer bereits abgesprochen, daß er direkt hierher zum Standort kommen solle und wir die jungen Pferde bis morgen früh auf dem Bauernhof unterstellen würden, doch mir fiel ein, daß ich vergessen hatte, es Michael selbst zu sagen.

Ein Gähnen unterdrückend, tippte ich seine Nummer und erreichte ihn zu Hause.

«Zwei Uhr früh!«protestierte er.»Du weißt doch, daß mir das nicht paßt. Durch den Lärm und das Licht wird die ganze Stallruhe gestört. Die Tiere brauchen ihren Schlaf.«

«Wir können deine Zweijährigen bis morgen früh hier auf dem Bauernhof unterstellen, wenn’s dir recht ist. «Ich schlug es vor, als sei es mir gerade erst eingefallen.»Da passiert ihnen nichts. Mein Fahrer sagt, es geht ihnen gut. Sie fressen und sind ruhig.«

«Das hättet ihr auch besser regeln können«, brummte Michael mit sanftem Tadel, indem er seine Gefühle wie gewohnt vornehm im Zaum hielt.

«Die Fähre in Calais hat Verspätung«, erklärte ich.»Deine Pferde kommen voraussichtlich erst heute abend gegen zehn in Dover an. Mußt du entschuldigen, Michael, aber das haben wir nicht in der Hand.«

«Ja, ja, klar, ich verstehe schon. Trotzdem sehr ärgerlich, verdammt. Na, also gut, den Zweijährigen kann wohl nicht viel passieren. Aber bringt sie morgen so früh wie möglich her. Halb sieben oder so, wenn meine Pfleger zur Arbeit kommen, ja?«

«So früh wie möglich«, versprach ich.

«In Ordnung. «Er hielt inne, um das Thema zu wechseln.

«Etwas… äh Neues über deinen Mechaniker, den armen Kerl?«

«Die Polizei hat Fragen wie nach einem Unfall gestellt.«

«Pech, daß er gestürzt ist.«

«Gar kein Ausdruck.«

«Laß mich wissen, wenn ich etwas tun kann.«

«Danke, Michael.«

«Schönen Gruß von Maudie.«

Ich legte seufzend den Hörer auf, da ich mir mehr von Maudie wünschte, und nach einer Denkpause rief ich das Gestüt an, das die Lieferung aus Irland erwartete.

«Ihre vier Stuten mit Fohlen«, sagte ich beschwichtigend,»sind jetzt auf der Fähre, aber sie kommen frühestens um elf heute abend in Fishguard an, und wenn wir sie von dort direkt zu Ihnen bringen, kann es gut drei Uhr werden. Wäre Ihnen das recht?«

«Aber immer. Wir sind sowieso die ganze Nacht auf — wir haben Stuten, die abfohlen.«

Nachdem das erledigt war, stand ich müde auf, nahm die Tragetüte, schloß die vordere Bürotür ab, ließ die Kantine aber für die Fahrer offen und ging hinaus, um den Four-trak, mein kleines Arbeitspferd, anzuwerfen. Wenn ich mich hinter das Steuer dieses praktischen Wagens setzte, hatte ich manchmal schon das Gefühl, daß die Jaguar XJS-Persönlichkeit mir ganz abhandenkam; aber irgendwo in dem Geschäftsmann atmete auch noch der Jockey, und jetzt sah ich ein, daß es unerläßlich war, ihn am Leben zu erhalten, daß ich ihn nicht untergehen lassen durfte, daß er weiterhin bereit sein mußte, jeden Tag sein Leben zu riskieren, auch wenn er es nicht mehr tat.

Ich fuhr nach Hause, aß, ging zu Bett.

Ich würde den Jaguar wieder öfter von der Leine lassen, dachte ich.

Am Morgen kurz nach halb sieben war ich aufgestanden. Angezogen, satt vom Frühstück fuhr ich im aufkommenden Tageslicht zum Bauernhof, um zu sehen, was anlag.

Der Transporter aus Frankreich mit Michael Water-meads Zweijährigen stand friedlich an seinem gewohnten Platz, seine Ladung döste im Stall, sein Fahrer war nirgends zu sehen. Dafür steckte ein zusammengefalteter Zettel von ihm hinter dem Scheibenwischer. Ich faltete ihn auseinander und las:»Kann die jemand anders zu den Wa-termeads bringen? Ich bin groggy, meine Schicht ist rum, und ich glaub, ich hab die Grippe. Tut mir leid, Freddie. «Darunter stand» Lewis «und als Zeitangabe» Dienstag, 2 Uhr 30.«

Zum Teufel mit der Grippe, dachte ich heftig. Zum Teufel mit allen unsichtbaren Feinden.

Ich schloß die vordere Bürotür auf und ging in mein Arbeitszimmer, um die Zweitschlüssel für Lewis’ Transporter zu holen, denn es schien mir einfacher, ihn selbst hinüber zu Michael zu fahren, statt zu warten, bis ein anderer Fahrer antrabte. Also schloß ich den Transporter auf, lud die geduldigen, unbekümmerten Gäste aus meinem Stall ein und fuhr sie die knappe Meile bis zu ihrem Bestimmungsort.

Michael war bereits auf dem Hof und sah demonstrativ auf seine Armbanduhr — fast sieben, und wir hatten halb sieben vereinbart.

Als ich aus dem Fahrerhaus stieg, ließ sein Mißfallen etwas nach, verschwand aber nicht völlig. Er war für seine Verhältnisse ganz und gar schlecht gelaunt.

«Freddie! Wo ist Lewis?«sagte er.

«Lewis hat sich die Grippe geholt«, sagte ich bedauernd.

«Verdammt!«Michael rechnete ein wenig.»Was wird mit Doncaster? Diese Grippe dauert so lang.«

«Ich stelle dir einen guten Fahrer«, versprach ich.

«Das ist nicht dasselbe. Lewis hilft beim Aufsatteln und so.

Manche von diesen Faulpelzen tuckern zum Pferderennen und schlafen im Führerhaus, bis es Zeit zum Nachhausefahren ist. Brett war so einer. Den konnte ich nicht ausstehen.«

Ich bekundete Verständnis, ließ die Rampe zum Ausladen der Zweijährigen herunter und band den ersten los, um ihn herauszuführen.

«Ich dachte, die blöden Franzosen wollten einen Begleiter mitschicken«, nörgelte Michael, den blonden Kopf zurückwerfend, mit etwas wehleidiger Stimme.

Bei jedem anderen hätte das Mißfallen sich in einem hemmungslosen Wutausbruch geäußert. Bei Jericho Rich zum Beispiel, dem Unbeherrschten.

«Lewis hat uns gestern am Telefon gesagt, daß der französische Pfleger in Calais umgekehrt ist«, erklärte ich.»Anscheinend dachte er, er würde auf der Überfahrt seekrank. Da Lewis mir aber versicherte, er komme allein zurecht, beschlossen wir, nicht noch Zeit mit der Suche nach einem Ersatzbegleiter zu vergeuden. Wo soll ich den Burschen hier hinbringen?«

Der Zweijährige tänzelte ausgelassen an seinem Strick. Michaels Futtermeister kam angelaufen, um sich seiner anzunehmen und ihn in sein neues Heim zu führen.

Als auch der zweite Import heil ausgeladen war, wich Michaels Gereiztheit seiner gewohnten Gutmütigkeit, und er bot mir an, eine Tasse Kaffee zu trinken, bevor ich zurückfuhr. Wir gingen zusammen ins Haus, in die warme, helle, einladende Küche mit dem langen Kieferntisch, wo Freunde der Familie morgens immer Fruchtsaft und Toast bekommen konnten.

Maudie war da in Jeans und Pulli, die blonden Haare noch vom Schlaf zerwühlt, das Gesicht ungeschminkt. Sie nahm meinen Begrüßungskuß abwesend entgegen und fragte nach Lewis.

«Grippe«, sagte Michael knapp.

«Aber der hilft den Kindern bei den Kaninchen! Verdammt und zugenäht. Jetzt muß ich das selber machen.«

«Was denn?«fragte ich arglos.

«Den Stall und das Gehege reinigen.«

«Vorsicht«, neckte Michael,»sonst kannst du ihr noch die blöden Karnickel ausmisten. Laß die Kinder es doch machen, Maudie. Sie sind alt genug.«

«Die sind schon für die Schule angezogen«, wandte sie ein, und tatsächlich kamen ihre beiden Jüngsten, ein Junge und ein Mädchen, in ordentlichem Grau hereingeschlüpft, um ihren Vater zu umarmen und ihren Heißhunger zu stillen. Ihnen folgte zu meiner großen Überraschung meine eigene Tochter, Cinders.

Sie trug die gleichen grauen Sachen. Ich entnahm dem Geplapper, daß sie auf die gleiche Schule ging und bei den Watermeads übernachtet hatte. Hugo, überlegte ich, konnte nicht damit gerechnet haben, daß ich zum Frühstück kommen würde.