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Sie sagte lässig» Tag «zu mir als einem, der ihr vor zwei Tagen bei einem Mittagessen über den Weg gelaufen war, einem Bekannten ihrer Eltern. Ihre Aufmerksamkeit kehrte sofort zu den anderen Kindern zurück, mit denen sie unbefangen herumalberte.

Ich versuchte, sie nicht zu beachten, war mir ihrer Gegenwart aber so bewußt, als wären mir plötzlich ein Paar Fühler gewachsen. Sie saß mir gegenüber, dunkelhaarig, zierlich und lebhaft, geborgen und geliebt. Nicht mein. Niemals mein. Ich aß Toast und wünschte, die Dinge lägen anders.

Maudies Tochter sagte:»Wer versorgt denn die Kaninchen, wenn Lewis die Grippe hat?«

«Warum nicht Ed?«brachte Maudie ihren älteren Sohn in Vorschlag.

«Mutter! Du weißt doch, daß der das nicht macht. Als Bruder ist das eine taube Nuß. Lewis mag die Kaninchen. Er knuddelt sie, streichelt ihnen das Fell. Die hoppeln ihm nur so auf die Hand. Keiner kann so gut mit ihnen umgehen wie Lewis. Ich wünschte, Lewis wär mein Bruder.«

Michael sah Maudie mit hochgezogenen Brauen an; die Vorstellung von Lewis als Sohn entzückte beide nicht.

«Wer ist Lewis?«fragte Cinders.

«Ein Fahrer von Freddie«, sagten ihr die Kinder und erklärten, daß ich ein Frachtunternehmen hatte; daß die Wagen mir gehörten.

«Ach so«, meinte sie ohne sonderliches Interesse.

Michael sagte, er werde das Gehege am Nachmittag von einem Pferdepfleger säubern lassen, und Maudie scheuchte die drei Kinder wie einen Schwarm Spatzen durch ihr Frühstück, in die Mäntel und hinaus zum Auto, um sie rechtzeitig um halb neun in der meilenweit entfernten Schule abzuliefern.

Die Küche wirkte still und leer, nachdem sie fort waren. Ich trank meinen Kaffee aus, stand auf und dankte Michael für die Gesellschaft.

«Gern geschehen«, sagte er freundlich.

Mein Blick fiel auf eine von John Tigwoods allgegenwärtigen Sammelbüchsen, die auf der Fensterbank stand.

«Ah ja«, sagte ich, mich erinnernd.»Einer von meinen Transportern holt heute eine Fuhre alter Hindernispferde aus Yorkshire. John Tigwood sagt, du nimmst zwei davon in deine untere Koppel auf. Wie machen wir das? Soll das ganze Lot erst hierherkommen? Ich meine, welche zwei möchtest du?«

Er schaute ein wenig genervt drein, was mich nicht überraschte.»Lorna hat mich wieder breitgeschlagen. Sollen sie und dieser kleine Gnom das in seinem Maulwurfsloch unter sich ausmachen. Aber schau mal, ob du mir zwei bringen kannst, die nicht schon in den letzten Zügen liegen. Bei den zwei vorigen habe ich Tigwood gesagt, er soll sie zum Abdecker bringen, damit sie von ihrem Elend erlöst werden. Es ist doch bloß Gefühlsduselei, diese abgetakelten alten Wracks auf den Beinen zu halten, aber das kann ich natürlich nicht vor den Kindern sagen. Sie verstehen nicht, daß auch der Tod notwendig ist.«

Er kam mit hinaus auf den Stallhof, um in die Downs zu fahren, wo seine Pferde noch bewegt wurden, und fragte mich spontan, ob ich mitfahren wollte, um Irkab Alhawa bei der schnellen Arbeit zu sehen.

Erfreut nahm ich sofort an, denn ich wußte, es war ein Kompliment und ein Geschenk. Er fuhr uns mit seinem hochgelagerten Shogun und hielt an einem Aussichtspunkt nahe dem Ende seiner Allwetter-Trainierbahn. Von dort hatten wir freie Sicht auf die Pferde, die jeweils zu dritt bergan auf uns zu galoppierten, und sahen sie ganz aus der Nähe, wenn sie an uns vorbeifegten, um einhundert Meter weiter dann anzuhalten.

Ich hatte jahrelang unzählige Morgenstunden damit verbracht, Pferde im Training zu reiten. Ich machte es immer noch, wenn ich die Gelegenheit erhielt. Eine Gelegenheit, Watermead-Pferde zu bewegen, würde ich allerdings nicht bekommen, da Hindernisjockeys von meiner Größe, ob aktiv oder nicht, meist zu schwer waren für die jungen Flachpferde.

«Wie macht sich Irkab?«fragte ich zögernd.

«Ganz hervorragend.«

Michaels Stimme war voll Zufriedenheit, der Streß, ein Pferd auf den ersehnten Derbysieg hin zu trainieren, war so früh im Jahr noch längst nicht schweißtreibend. Im Juni würde er dann kein Auge mehr zutun.

Wir sahen drei oder vier Trios in vorher festgelegter Folge an uns vorbeiziehen, und Michael sagte:»Irkab ist bei den nächsten drei, der erste hier auf unserer Seite. Du erkennst ihn an der durchgehenden Blesse.«

«Gut.«

Die drei Pferde kamen in Sicht, schnell und leicht dahingleitende Schatten auf der braunen Bahn. Irkab Alhawa mit seinem schwierigen arabischen Namen war als Zweijähriger ein Spätentwickler gewesen, der das Ausmaß seines sportlichen Könnens erst bei den Middle Park Stakes vergangenes Jahr im Oktober gezeigt hatte. Lewis hatte ihn an diesem Herbsttag als ein Watermead-Pferd von vielen nach Newmarket gebracht und war mit einer Offenbarung zurückgekehrt, die die Presseleute wie einen Schwarm Stare nach Pixhill gelockt hatte.

Die Verheißung des Middle Park war zwei Wochen später bestätigt worden durch einen glänzenden Sechslängensieg bei den Dewhurst Stakes, dem letzten großen Zwei-jährigenrennen der Saison, wo er die Elite von Newmarket auf ihrem eigenen Platz niedergemacht hatte, mit dem Ergebnis, daß während des ruhigen, untätigen Winters Irkab Alhawa fast zu einer Kultfigur geworden war, die merkwürdig klingenden Silben ein Teil seines Nimbus. Die Presse hatte den Namen mit» Reitet den Wind«übersetzt, wenn ich auch irgendwo gehört hatte, daß die Übersetzung nicht ganz stimmte. Sei’s drum; Irkab Alhawa war gut für Michael, für Pixhill, für Lewis und nicht zuletzt für Freddie Croft.

Die braune Sensation mit der schmalen weißen Blesse, von weitem schon erkennbar, fegte die Bahn entlang und auf uns zu in dem reibungslosen Zusammenspiel von Kraft und Masse, das die Natur den wenigen glücklichen Pferden und Menschen mitgibt, bei denen Bewegung gleichbedeutend ist mit Anmut und Geschwindigkeit.

Ich empfand wie immer in der Gegenwart hochklassiger Pferde einen sonderbaren Neid: nicht, weil ich auf ihrem Rücken sein wollte, sondern weil ich sie sein, weil ich den Wind reiten wollte. Es war aberwitzig, aber nach so vielen Jahren der Vertrautheit mit diesen herrlichen Geschöpfen waren sie in gewisser Hinsicht Erweiterungen meiner selbst, ständige Gefährten im Hintergrund meines Bewußtseins.

Nicht jeder hatte sich mit Michael über das Erscheinen eines Wunderkindes in seinem Stall gefreut. Wie die Menschen nun einmal sind, hätte so mancher Vertreter der Rennwelt nur zu gern gehört, daß dem Pferd etwas zugestoßen sei. Michael tat das mit einem Achselzucken ab.»Neid und Mißgunst wird es immer geben. Denk nur dran, wie einige Politiker dazu ermuntern! Wenn die Leute schäumen und Gift spucken, ist das nicht mein Problem, es ist ihres. «Höflich und unbekümmert, wie er war, hatte Michael kein Verständnis für die Eigendynamik grundlosen Hasses.

Irkab Alhawa galoppierte mit majestätischer Kraft an uns vorüber. Michael wandte sich mir zu, ein funkelndes Lächeln in den Augen, und sah, daß er nichts zu sagen brauchte. Bei einem solchen Pferd waren Kommentare unangebracht, banal.

Wir fuhren zum Stall zurück. Ich dankte ihm. Er nickte, und merkwürdigerweise hatte dieser Galopp nicht nur unsere guten Geschäftsbeziehungen gefördert, sondern uns einer echten Freundschaft nähergebracht.

Ich schaffte Lewis’ Super-Sechser wieder zum Bauernhof, wo der Alltagsbetrieb mich erfaßte und in die Wirklichkeit zurückholte.

Aziz war zur Arbeit angetreten, und seine Vitalität, sein strahlendes Lächeln hatten Harves weniger glänzende Augen bereits etwas glasig werden lassen. Harve war über meine Ankunft erleichtert und sagte mir, daß er gerade versuchte, dem über seinen ersten Auftrag enttäuschten Aziz die Devise» ein Job ist ein Job ist ein Job «nahezubringen.

«In dem Fach gibt es eine Menge Leerlauf«, versicherte ich Aziz.»An manchen Tagen fährt man sieben ausrangierte Greise. An einem andern Tag vielleicht auch einen Derbysieger. Die Ladung gesund und wohlbehalten an ihr Ziel zu bringen, nur darauf kommt es an.«