«Vielen herzlichen Dank, Sandy.«
«Die Ogden-Sache wird am Donnerstag in aller Frühe an gleicher Stelle verhandelt, also am Geschworenengericht, das ist ein Raum im Polizeipräsidium in Winchester. Natürlicher Tod, wird man feststellen. Da gibt es keine Ver-tagung. Dr. Farway wird seinen Bericht vortragen. Mrs. Ogden hat ihren Mann identifiziert. Anscheinend hat Ogden es immer mal wieder mit dem Herz gehabt, aber nicht regelmäßig seine Medikamente genommen. Es ist wohl besser, Dave geht hin, auch wenn er vielleicht nicht aufgerufen wird. Ich bin natürlich auch da.«
«Fabelhaft, Sandy. Danke nochmals.«
«Ich hab gestern abend im Pub auf Jogger getrunken«, sagte er.
«War viel los. Jede Menge Leute haben sich auf der Gedenkurkunde eingetragen. Sie werden eine Riesenrechnung kriegen.«
«Alles für einen guten Zweck.«
«Der arme alte Jogger.«
«Ja«, sagte ich.
Lizzie und ich entschlossen uns, in einem zehn Meilen von Pixhill entfernten Landgasthof zu Abend zu essen, dessen Spezialität gebratene Ente in Honigglasur war, außen braun und knusprig, innen saftig. La Potiniere war es nicht, aber doch ein altes Lieblingslokal von Lizzie, der die schweren Eichenbalken, die buckeligen Wände und die gedämpfte bis schummrige Beleuchtung gefielen.
Da oft Leute aus Pixhill dort aßen, überraschte es mich nicht sonderlich, Benjy und Dot Usher Schulter an Schulter in einer Nische auf der anderen Seite des Raumes sitzen zu sehen. Sie hatten wie üblich ihre Umgebung vergessen und steckten mitten in einem Streit, die beiden zornroten Gesichter zwei Handbreit voneinander weg.
«Wer ist das?«fragte Lizzie, meinem Blick folgend.
«Ein Millionär aus Pixhill, der ein bißchen trainiert, und seine ihm innig verbundene Gattin.«»Wer dumm fragt…«
«Bekommt vielleicht trotzdem eine präzise Antwort.«
«Ist es wahr?«
«Ich schätze, wenn die jemals aufhören zu streiten, zerbricht ihre Ehe an Langeweile.«
Ich erzählte ihr von meinem Tag mit ihnen beim Pferderennen in Sandown und von Benjys seltsamer Angewohnheit, Pferde nicht anzufassen.
«Und das ist ein Trainer?«
«So nennt er sich. Aber er ist auch ein Kunde, deshalb habe ich nichts gegen ihn.«
Sie musterte mit schwesterlicher Nachsicht mein Gesicht.»Ich weiß noch, wie du mal gesagt hast, wenn du nur für Leute reiten würdest, die du magst, hättest du vielleicht den Gold Cup nicht gewonnen.«
«M-hm. Die gleiche Theorie. Gegen Entgelt verdinge ich mein Talent an jeden.«
«Das hört sich so nach Prostitution an.«
«Was wäre denn keine?«
«Die reine Forschung beispielsweise. Du bist ein ausgemachter Philister.«
«Goliath war auch ein Philister. ein Mordskerl.«
«Zu Fall gebracht mit einer Steinschleuder.«
«Heimtückisch.«
Lizzie lächelte vor Vergnügen.»Du fehlst mir«, sagte sie.
«Gleichfalls. Erzähl mir von Professor Quipp.«
«Ich wußte doch, ich hätte nicht sagen sollen, wo sie mich alle erreicht haben. Dir entgeht aber auch gar nichts.«
«Komm, erzähl.«
«Er ist nett. «Sie klang liebevoll, nicht so, als müsse sie sich verteidigen. Ein gutes Zeichen, bedachte man den Charakter einiger früherer Bärte.»Er ist fünf Jahre jünger als ich und fährt für sein Leben gern Ski. Wir waren eine Woche in Val-d’Isere.«
Lizzie schnurrte richtig.»Wir haben uns gegenseitig die Hänge runtergescheucht.«
«Hm… Welche Bartfarbe?«
«Gar kein Bart. Du bist gemein. Auch kein Schnurrbart.«
Es hörte sich ernst an.
«Welches Fachgebiet?«fragte ich.
«Organische Chemie, zufällig.«
«Ah.«
«Noch so ein Ah, und du kannst dir deine Röhrchen an den Hut stecken.«
«Kein Ah soll mehr über meine Lippen kommen.«
Wir aßen hungrig die braune Ente, und während des anschließenden Kaffees zog Benjy Usher seine Aufmerksamkeit lange genug von Dot ab, um mich auf der anderen Raumseite zu bemerken.
«Freddie!«rief er ungehemmt, so daß alle anderen Gäste den Kopf nach ihm drehten.»Kommen Sie mal her, Sie Strauchdieb.«
Hingehen schien das einfachste. Ich trat an ihren Tisch und begrüßte Dot.
«Setzen Sie sich zu uns«, befahl Benjy.»Bringen Sie die Puppe mit.«
«Das ist meine Schwester.«
«Ja, klar, erzählen Sie mir noch so einen.«
Benjy hatte ein Glas über den Durst getrunken. Dot wirkte verlegen. Eigentlich überredete ich Lizzie ihr zuliebe, mit auf die andere Seite zu kommen.
Wir nahmen dankend einen Kaffee von Dot an und wiesen Benjys Vorschlag, auf große Gläser Portwein umzusteigen, zurück. Als Benjy sich noch eins bestellte, meinte Dot im Plauderton:»Impotent ist er jetzt schon. Beim nächsten Glas fällt er um.«
«Alte Giftschleuder.«
Lizzie bekam große Augen.
Dot bemerkte:»Danach kommt die Kotzerei, und das Ende sind Tränen und weinerliches Selbstmitleid. So was will ein Mann sein.«
«Prämenstruelle Störungen«, höhnte Benjy.»Chronischer Fall.«
Lizzie sah sich ihre schönen Gesichter und ihre lässig elegante Erscheinung an, die Diamanten an Dots Fingern und die goldene Armbanduhr von Benjy. Dazu war nichts zu sagen. Kommentar überflüssig. Ihr Vergnügen waren nicht die Moneten, sondern die Sticheleien.
«Wann holen Sie meinen Hengst aus Italien?«fragte mich Benjy.
«Am Montag«, schlug ich vor.»Das wird drei Tage dauern. Mittwoch abend könnte er hier sein.«
«Welcher Fahrer? Aber nicht diesen Brett. Michael sagt, bloß nicht Brett.«
«Der ist weg. Brett wird’s also nicht sein.«
«Lassen Sie Lewis fahren. Auf den schwört Michael, und er hat meine Pferde schon öfter chauffiert. Der Hengst ist nämlich wertvoll. Und schicken Sie jemanden mit, der unterwegs nach ihm sieht. Da können Sie Ihren Dave nehmen. Der packt ihn schon.«
«Ist er denn schwierig?«
«Sie wissen doch, wie Hengste sind«, sagte Benjy leutselig.
«Schicken Sie Dave. Der kommt schon klar damit.«
Dot sagte:»Ich weiß wirklich nicht, warum du ihn nicht in Italien als Deckhengst aufstellst.«
«Halt dich aus Sachen raus, die dich nichts angehen«, gab ihr Mann zurück.
Um ihre Zankerei zu unterbinden, erwähnte ich, daß wir am Nachmittag eine Ladung alter Pferde aus Yorkshire geholt hatten und daß er, wenn ich es recht verstand, zwei davon aufnehmen wollte.
«Diese alten Gerippe!«rief Dot aus.»Nicht schon wieder.«
«Haben Sie schon welche?«fragte Lizzie.
«Hatten. Die sind gestorben«, erwiderte Dot.»Ich hasse das. Ich will keine mehr.«
«Sieh nicht hin.«
«Du stellst sie ja direkt vors Wohnzimmerfenster.«
«Ich kann sie auch ins Wohnzimmer stellen. Vielleicht gibst du dann Ruhe.«
«Was bist du für ein Kindskopf.«
«Was bist du für ein Schwachkopf.«
Lizzie sagte liebenswürdig:»Es war schrecklich nett, Sie kennenzulernen«, und erhob sich zum Gehen, und als wir draußen im Jaguar waren, fragte sie:»Fetzen die sich immer so?«
«Für fünfzehn Jahre kann ich es bezeugen.«
«Menschenskind. «Sie gähnte, satt, entspannt und schläfrig.
«Schöner Mond heute abend. Toll zum Fliegen.«
«Aber du fliegst doch nicht heute nacht?«
«Nein, das ist nur eine Denkgewohnheit. Ich sehe den Himmel mit Fliegeraugen, du fragst dich, ob der Boden zu hart oder zu weich für Pferde ist.«
«Wahrscheinlich.«