«Ja, hab ich gehört.«
«Er hatte eine Axt im Wagen.«
Sandy bekam große Augen.»Ich dachte, das war Mechanikerwerkzeug.«
«Er hatte ein Rollbrett und eine große, offene rote Plastikkiste mit einem Wagenheber, Schraubenschlüsseln, Montiereisen, Starthilfekabeln, Zangen, Leitungsdraht, Schmierpistole, Putzlumpen, allem möglichen Krimskrams… und eine Axt, wie die Feuerwehrleute sie benutzen, hatte er auch immer dabei, seit mal ein Baum auf einen von den Transportern gekracht ist. Da hat die Firma mir noch nicht gehört.«
Sandy nickte.»Ich erinnere mich. Das war bei so einem orkanartigen Sturm.«
«Sie könnten sich im Ort mal nach Joggers Sachen umtun.«»Ich werde es an die Glocke hängen«, sagte er ernst.
«Sagen Sie, es gibt eine Belohnung. Nichts Tolles, aber so, daß ein brauchbarer Hinweis sich auszahlt.«
«In Ordnung.«
«Ist heute nicht auch der Leichenschautermin von Jog-ger?«
Sandy sah erschrocken auf seine Uhr.»Ich muß weg. Ich bin noch nicht rasiert und angezogen.«
«Sie rufen mich ja sicher nachher an.«
Er versprach mir, das zu tun, und fuhr los. Lizzie kam gähnend in die Küche und sagte, falls ich sie brauchte, sei sie oben in der Heia. Ich solle sie bitte um elf wecken und sie nach Heathrow zum Flugzeug bringen. Sie hatte gerade von meinem Schlafzimmeranschluß aus einem ihrer Partner vom Ableben des Robinson 22 erzählt. Er war sprachlos, sagte sie. Er werde die Versicherung informieren, wenn er seine Stimme wiederfand, und wahrscheinlich würde ich davon noch hören, da die Versicherung bestimmt einen Gutachter schickte. Könnte ich meinen Wagen bis dahin vielleicht lassen, wo er war? Tja, warum nicht.
Sie gab mir geistesabwesend einen Kuß auf die Wange und empfahl mir, wieder ins Bett zu gehen.
«Ich fahre zum Bauernhof«, sagte ich.»Zuviel zu tun.«
«Dann schließ hinter dir ab, sei so gut.«
Ich schloß die Hintertür ab und fuhr zum Bauernhof, wo ich Nina vorfand, die in der Kantine mit Nigel Kaffee trank. Sie besprachen die Fahrt nach Frankreich, zur Überführung des Springpferdes der Tochter von Jericho Rich, und Nina schien blind für Nigels dunkel bewimperte Augen und seinen sinnlichen Mund. Sie hatten von Harve schon alles über die Schrecken der Nacht gehört und sagten, sie freuten sich, daß ich wieder auf dem Damm sei.
Nina nahm ihren Kaffee und folgte mir ins Büro.
«Geht’s Ihnen wirklich gut?«fragte sie.
«Mehr oder weniger.«
«Ich habe Neuigkeiten für Sie«, sagte sie und zögerte,»aber…«
«Schießen Sie los. Geht es um die kleinen Glasröhrchen?«
«Was? Nein, über die ist noch kein Bericht da. Es dreht sich um die Anzeige in Horse & Hound.«
Ich dachte zurück. So vieles war seit Sonntag auf mich eingestürmt.»Ach ja… die Transportanzeige. >Alles kommt in Betracht.««
«Ja, genau. Patrick hat sich von der Zeitung sagen lassen, wer sie aufgegeben hat. Und Sie werden staunen…«
«Raus damit.«
«Es war ein Mr. K. Ogden aus Nottingham.«
«Nein!«Meine Augenbrauen schnellten hoch.»So, so, das ist ja allerdings erstaunlich.«
«Dachte ich mir, daß Sie das finden. Die Zeitung sagt, sie hat ihn überprüft, als er mit dem Inserat ankam. Sie wollte sicher sein, daß nichts Ungesetzliches dahintersteckt. Anscheinend kam sie zu der Überzeugung, daß Mr. Ogden brav und redlich seine Dienste als Berater oder persönlicher Kurier anbot, so eine Art Mädchen für alles. Die Telefonnummer in der Anzeige ist sein Privatanschluß. Das hat die Zeitung nachgeprüft. Sie nimmt an, daß die Anzeige ihm Aufträge gebracht hat, da er sie immer weiter hat laufen lassen.«
«Donnerwetter«, sagte ich verdutzt.»Aber so gut kann es ihm auch wieder nicht gegangen sein. Man hat ihn ja wegen Scheckbetrug und anderer kleiner Schwindeleien gesucht. Vielleicht hat Horse & Hound ihn für seriös be-funden — und vielleicht war er das auch mal —, aber ich vermute, er hat sich um die Rechtmäßigkeit seiner Aufträge nicht weiter gekümmert, solange er dafür bezahlt wurde.«
«Das können Sie nicht einfach unterstellen«, protestierte sie streng.
«Es liegt nahe. «Ich zuckte die Achseln.»Aber ich will den Zweifel zu seinen Gunsten auslegen. Vielleicht hat er nicht gewußt, daß in der Thermosflasche sechs Röhrchen waren. Immerhin möglich. Wetten würde ich nicht drauf.«
«Zyniker.«
«Nach der vergangenen Nacht bin ich in allem zynisch.«
«Was hält die Polizei von vergangener Nacht?«
«Sie hat nicht viel gesagt. Sie meinte, ein kluger Mann kennt seine Feinde, oder etwas in diesem Sinne.«
«Oh. «Sie kniff die Augen zusammen.»Und kennen Sie sie?«
«Ich glaube, Sandy Smith hat recht. Meine Sachen sind aus hemmungsloser Zerstörungswut kurz und klein geschlagen worden, nach dem Lustprinzip. Ich glaube, ich bin auf dem Bauernhof aufgetaucht, als keiner mit mir gerechnet hat, und der Rest war schmückendes Beiwerk. Infantile Schadenfreude. Kindischer Drang, einem weh zu tun.«
«Muß ja ein komisches Kind gewesen sein, wie sich das anhört.«
«Dann eben ein unreifer Erwachsener.«
«Oder ein Psychopath.«
«Ein treffenderes Wort dafür.«
Sie trank ihren Kaffee aus.»Wir machen uns wohl am besten mal auf den Weg, wenn wir die Fähre erwischen wollen. Ist denn jetzt ernstlich damit zu rechnen, daß auf der Fahrt was Komisches passiert?«»Ich weiß es nicht. Hab ich Ihnen genau gesagt, wo der Behälter unter Ihrem Lastwagen ist?«
«Nicht genau, nein.«
«Es ist eine vorn und hinten befestigte Metallröhre in einem Zwischenraum unter dem Aufbau und über den Dieseltanks. Der Zwischenraum befindet sich außerhalb des Rahmens, wird aber durch die Seiten des Aufbaus verdeckt. Von außen oder von unten ist die Stelle nicht sichtbar, aber wenn man weiß, daß die Röhre dort ist, ist leicht dranzukommen. Man kann im Nu die Verschlußkappe abschrauben, hat Jogger gesagt.«
«Vielleicht geh ich mal drunter und seh’s mir an.«
Lieber sie als ich.»Nigel wollte ein neues Rollbrett zum Drunterlegen bauen.«
«Das hat er fertig. Er wollte es Harve zeigen.«
«Wenn Sie einen Blick riskieren wollen, nehmen Sie das Rollbrett. Sagen Sie Harve und Nigel, ich hätte Ihnen gesagt, da sei ein Schauglas unterm Boden, an der Leitung zwischen den Tanks und dem Motor. Da kann man nachsehen, ob der Kraftstoff sauber ist. Wenn ja, bleibt das Glas klar. Alle Schmutzteilchen setzen sich in dem Glas ab, das kann man dann abschrauben und ausspülen. Einmal haben sie uns dreckiges Öl geliefert. Das Schauglas war schwarz zugekleistert. Sagen Sie jedenfalls Harve, Sie möchten es sich ansehen.«
«An meinem Transporter daheim hatte ich auch ein Prüfglas.«
«Entschuldigung, nicht dran gedacht.«
Sie lächelte.»Ich seh es mir mal an.«
Sie ging hinaus und schaute nach. Harve und Nigel fanden sie zickig, sagte sie, als sie wiederkam und sich den Staub aus den Kleidern klopfte.»Und in dem Rohr könnte man alles schmuggeln«, fügte sie hinzu.»Ich werde es im Auge behalten. «Sie blickte aufs Telefon.»Kurz ein Wort mit Patrick?«
«Bitte sehr.«
Sie rief ihn zu Hause an, da es noch so früh war, und erzählte ihm Harves Version von den nächtlichen Ereignissen, wobei sie mich zu jedem Punkt mit den Augenbrauen befragte. Ich nickte ein paarmal. Sinngemäß stimmte alles. Die Auslassungen waren meine eigenen.
«Patrick«, sagte sie zu mir,»wüßte gern, wo Sie da hineingetappt sind.«
«Wenn ich das rauskriege, sage ich es ihm.«
«Er meint, Sie sollen aufpassen.«
«M-hm.«
Harve klopfte ans Fenster und deutete auf seine Armbanduhr.
«Muß los«, sagte Nina.»Tschüs, Patrick. Tschüs, Freddie. Ich bin weg.«
Es tat mir leid, daß sie ging. Bis auf Sandy und Lizzie war sie eigentlich die einzige Person hier, der ich noch vertraute. Der Argwohn war ein lästiger, ungewohnter Gefährte.