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Nigel fuhr vom Bauernhof herunter. Nina winkte mir aus dem Fahrerhaus zu, während ich am Fenster stand. In der Annahme, daß alle braven Pferdemenschen um diese Zeit schon auf waren, rief ich Jericho Richs Tochter an und sagte ihr, daß der Transport angelaufen war und das neue Pferd, wenn es ihr paßte, am nächsten Abend gegen acht oder etwas später bei ihr sein könnte.

«So schnell? Was für ein Service!«rief sie aus.»Haben Sie den Pfleger mitgeschickt — ich glaub, Dave, ja? — , von dem mein Vater sprach?«

«Nicht Dave, aber einen, der genauso gut ist.«

«Alles klar dann. Danke.«

«Gern geschehen«, sagte ich und meinte es auch. Für mich war es eine Freude, gute Arbeit zu leisten und Kunden mehr als zufriedenzustellen.

Eine weitere mehr als zufriedene Kundin kam in diesem Augenblick mit einem Jeep auf den Bauernhof geprescht, dem ein langes, hartes Dasein jeglichen Fahrkomfort ausgetrieben hatte. Marigold English, wieder in Arbeitskleidung und Strickmütze, sprang aus ihrem Gefährt, bevor es noch ganz zum Stehen gekommen war, und blickte sich nach Lebenszeichen um.

Ich ging zu ihr hinaus.

«Guten Morgen, Marigold. Schon eingelebt?«

«Tag, Freddie. Kommt mir vor, als ob ich hier seit Jahrhunderten niste. «Ihr Lächeln kam und ging. Ihre Stimme war wie immer auf Hörgeschädigtenlautstärke.»Ich bin auf dem Weg in die Downs, aber ich dachte, ich schau mal kurz rein. Ich habe bei Ihnen zu Hause angerufen, aber eine Frau sagte, Sie seien hier.«

«Meine Schwester«, sagte ich.

«Ah ja? Also, was wissen Sie über diesen John Tigwood und irgend so ein Pensionsprojekt für alte Pferde? Der Typ will mich da rankriegen. Was soll ich machen? Sagen Sie es mir ganz offen. Keiner hört Sie. Raus damit.«

Ich war so offen zu ihr, wie es mir klug erschien.»Das ist ein engagierter Mann, der eine Menge Leute hier in der Gegend überredet, alten Pferden ein schönes Zuhause zu geben. Michael Watermead nimmt zwei von der neuen Ladung auf, die wir gestern nach Pixhill geholt haben. Benjy Usher ebenfalls, wenn Dot nicht noch ein Machtwort spricht. Schaden kann es nicht, wenn man genug Platz und Gras hat.«»Sie würden also ja zu ihm sagen?«

«Es ist eine anerkannte karitative Einrichtung in Pixhill. «Ich überlegte einen Moment und sagte:»Bei dem neuen Lot ist zufällig ein Pferd, das ich vor langer Zeit oft geritten habe. Ein großer Kämpfer. Ein toller Partner. Könnten Sie John Tigwood bitten, Ihnen dieses Pferd zu überlassen? Es heißt Peterman. Wenn Sie ihm regelmäßig Hafer geben, damit er gesund und bei Kräften bleibt, komme ich dafür auf.«

«Da steckt also doch ein weicher Kern drin!«neckte sie mich.

«Na ja… er hat Rennen für mich gewonnen.«

«In Ordnung, ich ruf bei Tigwood an und mache ihm das Angebot. Peterman, sagten Sie?«

Ich nickte.»Sagen Sie nichts von dem Hafer.«

Sie warf mir einen freundlich belustigten schrägen Blick zu.

«Eines Tages werden Sie von Ihren guten Taten noch mal eingeholt.«

Sie eilte zu dem Jeep zurück, brachte den Motor auf Touren und verheizte wieder einen Millimeter vom Reifenprofil. Aus der Öffnung, die früher vielleicht einmal ein Seitenfenster enthalten hatte, schrie sie im Davonrollen:»Meine Sekretärin wird Ihre wegen Doncaster kontakten.«

Ich rief ein Dankeschön, das sie wahrscheinlich durch das Gekreisch der Uraltgänge nicht hörte. Mir schien, sie würde Pixhill guttun, und ich wünschte ihr frohes Gelingen.

Verschiedene Fahrer traten zur Arbeit an und gingen in die Kantine. Als sie Harves Bericht von meinen nächtlichen Abenteuern hörten, kamen sie alle mit ihren Kaffeetassen wieder nach draußen und bestaunten und musterten mich, als wäre ich irgendwie unwirklich.

Unter den Fahrern war auch der Liebling der Familie Watermead, Lewis, der Kaninchenfreund, der doch seine Leiden im Bett auskurieren wollte.

«Was ist aus der Grippe geworden?«fragte ich.

Er schniefte und sagte heiser:»Schätze, es ist doch nur eine Erkältung. Kein Fieber oder so. «Er hustete und nieste aber ansteckend genug.

«Es ist trotzdem besser, wenn Sie Ihre Bazillen nicht ausstreuen«, sagte ich.»Wir haben sowieso schon zuviel kranke Fahrer. Nehmen Sie sich noch einen Tag frei.«

«Echt?«

«Kommen Sie am Freitag wieder, und arbeiten Sie dafür auch Samstag.«

«Okay«, meinte er lässig, mit pfeifendem Atem.»Setz ich mich hin und seh mir Cheltenham an. Danke.«

Phil, entgegenkommend, phlegmatisch, unachtsam, uninteressiert und unvorstellbar zuverlässig, sagte zu mir:»Stimmt es, daß man Ihnen Ihr Haus demoliert hat?«

«Leider ja.«

«Und den Jaguar?«

«Auch.«

«Den Kerl würde ich umbringen«, sagte er.

«Wenn ich ihn in die Finger kriege.«

Die anderen nickten, sie konnten es mir nachfühlen. Es kam nicht in Frage, daß sich jemand ungestraft an ihrem Eigentum vergriff.

«Am Bauernhof«, sagte ich,»ist gestern abend nach elf wohl keiner von euch vorbeigekommen?«

Es hatte nicht den Anschein.

Lewis sagte:»Haben Sie nicht gesehen, wer auf Sie losgegangen ist?«

«Ich hab noch nicht mal was gehört; Fragt mal rum, ja?«

Sie sagten skeptisch, aber bereitwillig, das würden sie tun.

Viele von den Fahrern sahen sich oberflächlich ähnlich, dachte ich, als ich die Gruppe betrachtete. Alle unter vierzig, keiner dick. Die meisten dunkelhaarig, alle mit guten Augen, keiner besonders klein oder über einsfünfundachtzig: die Statur, die am besten zu der Arbeit paßte. Ihr Charakter… das stand auf einem anderen Blatt.

Lewis war vor zwei Jahren mit Ringellocken zu der Truppe gestoßen. Als die anderen ihn» Girlie «nannten, hatte er sich einen dicken Schnurrbart zugelegt und seine Fäuste fliegen lassen, um die Lästermäuler zum Schweigen zu bringen. Dann hatte er sich einen blonden Vamp mit scharlachroten Pfennigabsätzen angelacht und wieder seine Fäuste fliegen lassen, um die bewundernden Pfiffe abzustellen. Im letzten Sommer hatte er sich die Haare abgeschnitten und den Schnauzbart abrasiert, und der Vamp hatte einen Sohn zur Welt gebracht, in den beide Eltern vernarrt waren. Lewis sagte oft, er könne es kaum erwarten, mit seinem Sprößling Fußball zu spielen. Der Bilderbuchvater, wie ausgewechselt.

«Niesen Sie das Baby nicht an«, riet ich ihm, und erschrocken sagte er:»Auf keinen Fall.«

Dave knarzte auf seinem rostigen Drahtesel zum Tor herein, frech, fröhlich und so leichtfertig wie immer. Sein Grinsen und seine Sommersprossen vermittelten den Eindruck ewiger Jugend, das Peter-Pan-Syndrom. Daves Frau bemutterte ihn zusammen mit ihren beiden Töchtern und fand sich großzügig mit seinen Bierreisen und seinen Hundewetten ab.

Auch Aziz kam und ließ die dunklen Augen, die weißen Zähne blitzen. Harve ging anhand einer Liste die Fuhren des Tages durch und vergewisserte sich, daß alle Fahrer genau wußten, wohin sie fahren, welche Pferde sie abholen und wann sie am Ziel sein sollten.

Ich ließ sie allein, als sie anfingen, Dave und Aziz von meinen nächtlichen Abenteuern zu erzählen, wobei sich die ersten Sachfehler einschlichen, die ich aber nicht meinte unbedingt korrigieren zu müssen.

«Im Hafen von Portsmouth«, sagte Phil fälschlicherweise, worauf Dave verstehend nickte. Wir hatten noch nie Pferde in Southampton eingeschifft, brachten hin und wieder aber welche mit der Fähre von Portsmouth nach Le Havre. Alle Fahrer kannten den Hafen von Portsmouth, wenn ich die Pferde auch lieber über Dover-Calais schickte, weil die Überfahrt kürzer war. Auf langen Überfahrten werden viele Pferde seekrank, und für sie ist das um so schlimmer, als sie sich nicht übergeben können. Da in einem meiner Transporter schon einmal ein Pferd an Seekrankheit verendet war, stand mir die Gefahr konkret vor Augen.

«Im Hafen von Portsmouth. «Die Fahrer nickten alle. Portsmouth, gleich hinter Southampton an der Küste, hörte sich vertrauter an.»Seinen Jaguar plattgewalzt…«