«Aber was steckt dahinter?«fragte ich.
«Vandalismus«, meinte er vergnügt.»Zerstörung und Beschädigung als Selbstzweck. «Er fuhr sich mit den Fingern durch die Haare.»Ich könnte Ihnen zum Beispiel einen netten kleinen Virus kreieren, der dafür sorgt, daß Ihre Buchführung nicht mehr aufgeht. Nichts Spektakuläres wie Michelangelo, kein Totalschaden, nur so, daß es Sie verrückt macht. Eine eingebaute Fehlerquelle, damit Sie endlos nachrechnen und suchen müssen und nie die richtige Zahl rauskommt. «Man sah, daß ihm die Vorstellung gefiel.»Wenn Sie so ein Programm erst mal geschrieben haben, müssen Sie es verbreiten. Ich meine, der Virus kann von einem Computersystem auf ein anderes übergehen. Man braucht dazu eine Diskette mit dem Virus. Man lädt die Diskette in einen Computer und überträgt die Daten von der Diskette auf das System — wie es ständig geschieht —, und zack! springt der Virus über und legt sich auf die Lauer.«
«Was macht man dagegen?«fragte ich.
«Es gibt heute alle möglichen teuren Programme, um Viren aufzuspüren und zu neutralisieren. Und eine Menge Leute bemühen sich, Viren zu erfinden, die man nicht loswerden kann. Das ist ein ganzer Gewerbezweig. Reizend. Ich meine, schlimm.«
Viren, überlegte ich, brachten ihm Einnahmen.
«Wie stellt man fest, ob man einen Virus hat?«fragte ich.
«Man checkt die Informationen in dem betreffenden Computer durch. Auf der Platte, die ich dazu nehme, sind über zweihundert gängige Viren. Die sagt Ihnen, ob Ihr Rechner von Michelangelo oder Jerusalem II infiziert ist. Hätten Sie mich vorige Woche geholt, hätte ich das machen können.«»Vorige Woche sahen wir dazu keine Notwendigkeit«, sagte ich.»Und, ehm… wenn dieser Michelangelo nur am 6. März aktiviert wird, dann hatten wir ihn voriges Jahr am 6. März offensichtlich noch nicht in unserem System.«
Der Experte gab weitere Informationen preis.»Michelangelo wurde erst nach dem 6. März 1991 erfunden und greift nur bei IBM-kompatiblen Geräten wie dem Ihren.«
«Das ist kein Trost«, sagte ich.
«Äh… nein. Aber ich kann Ihnen die Anlage säubern. Dann ist sie erst mal virenfrei und bleibt es auch, vorausgesetzt, Sie passen auf, daß nichts von draußen reinkommt. Freunde, Bekannte könnten Ihnen infizierte Platten leihen. Und… haben Sie noch andere Terminals?«
«Bei mir zu Hause steht eins«, sagte ich.»Aber das ist demoliert worden.«
Der Fachmann war entgeistert.»Sie meinen, noch ein Virus?«
«Nein, ich meine mit der Axt.«
Die äußerliche Zerstörung eines Computers schmerzte ihn sichtlich. Bösartige innere Krankheiten waren sein Metier. Äxte fielen unter mutwillige Beschädigung, sagte er.
«Mir scheint, Computerviren sind auch mutwillige Beschädigung«, sagte ich.
«Ja, aber das ist ein Spiel.«
«Nicht, wenn man dabei sein Lebenswerk verliert«, gab ich zu bedenken.
«Wer keine Sicherungskopien anfertigt, der spinnt.«
Ich war ganz seiner Meinung, was Sicherungskopien anging, vermochte Viren aber nicht als Spiel zu betrachten. Für mich waren sie genauso schlimm wie chemische Kriegsführung. Ich hatte von einem Computervirus gehört, der eine ganze geologische Untersuchung gelöscht hatte, so daß man in einer Wüstenregion nicht rechtzeitig Brunnen bohren konnte und über tausend Menschen zugrunde gingen. Der Urheber dieses Virus war angeblich über seine Durchschlagskraft entzückt. Die Opfer hatten eben Pech gehabt.
Ich sagte:»Es läßt sich wohl nicht feststellen, ob dieser Virus absichtlich oder aus Versehen in unser System eingeführt worden ist?«
Er starrte mich ernst an, die Hand geschäftig in den Haaren.
«Das mit Absicht zu machen, wäre unfein.«
«Ja.«
«Die meisten Viren werden unabsichtlich verbreitet, wie Aids.«
«Wie lange können sie schlummern?«
«Ein Virus kann ziemlich lange dasein, bevor er zum Leben erweckt wird. «In seinen Augen lag das ganze traurige Wissen seiner Generation.»Man muß Vorsichtsmaßnahmen treffen.«
Ich sagte ihm, daß ich wünschte, wir hätten ihn schon früher gekannt, und erwähnte den Namen der Firma, an die wir uns bisher gehalten hatten.
Er lachte.»Die Hälfte der PCs, die die verkauft haben, war von Viren überschwemmt. Die haben selber infizierte Virensuchprogramme benutzt und verseuchte Disketten, die ihnen wütend zurückgeschickt wurden, neu verpackt, um sie wieder unters arglose Volk zu bringen. Sie sind über Nacht verschwunden, weil sie wußten, daß ihnen der
6. März eine Flut von Schadensersatzklagen empörter Kunden beschert. Obwohl der 6. März ein Sonntag war, mußten wir vergangene Woche zig Fälle wie diesen hier bearbeiten. Nicht unsere, sondern deren Kunden.«
Isobel sah bestürzt aus.»Aber sie waren immer so nett und hilfsbereit, die kamen jederzeit her, wenn wir sie brauchten.«
«Und es sollte mich nicht wundern, wenn sie den Rechner dann so programmiert haben, daß Sie sie auch weiterhin brauchten«, sagte der Experte mit nur halb verborgener Bewunderung.
«Wenn Sie das mit mir machen«, sagte ich freundlich,»klage ich Ihnen Ihr letztes Hemd vom Leib.«
Er betrachtete mich nachdenklich.»Ich doch nicht«, sagte er und fügte, wie um sich vor künftigen, zu Unrecht erhobenen Vorwürfen zu schützen, hinzu:»Denken Sie daran, daß Fehlbedienung der häufigste Grund für kompletten Datenverlust ist. Ich meine, Sie können die ganze Festplatte leerputzen, einfach indem Sie ein Delete für >Löschen< im Hauptverzeichnis eingeben.«
Wir blickten verständnislos.
Er sagte zu Isobeclass="underline" »Mal angenommen, Sie geben DEL Stern-Punkt-Stern ein — mehr braucht es nicht. Das ist genauso wirkungsvoll wie Michelangelo. Sie würden alles für immer verlieren.«
«Nein!«Wie vorauszusehen, war sie entsetzt.
«Doch. «Er lächelte.»Aber davon halten die Leute nichts, die sich Viren ausdenken.«
«Aber warum?«fragte Isobel unglücklich jammernd.»Warum erfindet einer Viren, die so viel Unheil stiften?«
«Um sich wichtig zu machen«, sagte ich.
Die Augen des Fachmannes weiteten sich. Meine Einschätzung gefiel ihm nicht. Er bewunderte eher die Kunstfertigkeit des Erfinders, statt dessen Eitelkeit zu verachten.
«Nun ja«, sagte er langsam,»es stimmt schon, daß eine Menge Virusleute ihren Namen im Programm hinterlas-sen. Einer zum Beispiel heißt Eddie, der hat schon mehrere erfunden.«
«Machen Sie uns mal wieder flott«, unterbrach ich ihn, denn plötzlich war ich das ganze Thema leid.»Sie können unsere Anlage ab jetzt betreuen und regelmäßig ihren Betriebszustand prüfen. Wir arbeiten noch einen Wartungsvertrag aus.«
«Mit Vergnügen«, sagte er, und die Hand fuhr doppelt schnell durch das Haar.»Morgen sind Sie wieder voll aktionsfähig.«
Ich ließ ihn allein, als er rasch noch eine (teure) Liste von den Sachen zusammenstellte, die wir brauchten, und ging in mein eigenes Büro, um mit den Herstellern meines Safes zu telefonieren.
«Eine Axt?«riefen sie verblüfft aus.»Sind Sie sicher?«
«Ich brauche jemand, der mir den Safe öffnet«, bestätigte ich.
«Was können Sie tun und bis wann?«
Sie gaben mir die Telefonnummer ihres nächsten Vertreters. Der Vertreter werde selbstverständlich einen Schlosser vorbeischicken, damit der sich die Sache einmal ansah.
Der Vertreter klang nicht eben begeistert und schlug zögernd eine Inspektion in der nächsten Woche vor.
«Morgen«, sagte ich.
Ein scharfer Atemzug. Ich sah die geschürzten Lippen, den nachdenklich wiegenden Kopf richtig vor mir. Vielleicht am Freitag nachmittag. Vielleicht. Das sei dann aber als eine Riesengefälligkeit zu werten.
Ich legte auf und dachte bei mir, wenn ich auf Anfragen mit so viel Widerwillen und so wenig Bereitschaft reagieren würde, wäre ich bald raus aus dem Geschäft. Nicht nur, daß ich jederzeit selbst überallhin fuhr, wenn sonst kein Fahrer zur Verfügung stand, sondern oft lieh ich kurzfristig einen Wagen bei der Konkurrenz aus, nur um keinen Auftrag abzulehnen. Bis jetzt hatte ich noch praktisch alles, was ich transportieren sollte, transportiert. Das hatte natürlich mit Stolz zu tun, aber mit einem Stolz, der Leistung bringt.