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Mrs. Ogden, bislang blaß in ihren umhangartigen schwarzen Mantel gehüllt, überwand sich, ihn aufzuknöpfen. Unter dem Mantel weiteres Schwarz. Schwarze Schuhe, schwarze Handtasche, schwarze Handschuhe, schwarzer Schal. Übertrieben.

«Ein furchtbarer Schlag für Sie«, sagte ich.

«Ja.«

«Da ist Ihnen die Tochter sicher ein Trost.«

«Wir haben keine Tochter. Das hat er erfunden, damit die Leute ihn mitnehmen.«

«So?«

«Er mußte sich Sachen ausdenken. «Sie warf mir plötzlich einen erschrockenen Blick zu, der erste Riß im Eis.»Er hatte keine Arbeit, verstehen Sie?«»War er… Vertreter?«tippte ich an.

«Nein. Er war Verkaufsleiter. Zweiter Verkaufsleiter. Die Firma wurde übernommen. Die meisten leitenden Angestellten wurden nicht mehr gebraucht.«

«Das tut mir sehr leid.«

«Er kriegte keine andere Stelle. Nicht mit vierundfünfzig und einem schwachen Herz.«

«Das Leben ist unfair.«

«Er war seit vier Jahren arbeitslos. Wir haben die Abfindung und unsere Ersparnisse aufgebraucht. die Bausparkasse fordert das Haus zurück. und. und. das ist alles zuviel.«

Und er hatte ungedeckte Schecks ausgestellt, dachte ich, und Hotelrechnungen nicht bezahlt und sich als EinmannTransportunternehmen über Wasser zu halten versucht, indem er sich kostenlos von Leuten durch die Gegend fahren ließ, denen er eine rührselige Geschichte von der Hochzeit einer inexistenten Tochter erzählte.

Lynn Melissa Ogden sah so am Boden zerstört aus wie der Hubschrauber vor meiner Tür. Sie hatte angegrautes, glattes braunes Haar, das im Nacken von einem schmalen schwarzen Band gehalten wurde. Kein Make-up. Verkniffener Zug um den Mund. Der sehnige Hals des Alters.

Ich fragte mitfühlend:»Haben Sie denn Arbeit?«

«Ich hatte. «Der Grauschimmer auf ihrer Haut sah nach Verzweiflung aus.»Ich war bei einem Obst- und Gemüsehändler angestellt, aber Kev… na, er ist jetzt tot, es kann ihm nicht mehr weh tun… Kev hat sich da Geld aus der Kasse genommen, und die waren zwar anständig, sie haben nicht die Polizei geholt, aber sie sagten, ich müsse gehen.«

«Ja.«

«Wir hatten von dem Geld gelebt.« Sie bebte vor unnützem Zorn.»Uns von meinem Lohn ernährt und von dem Obst- und Gemüseausschuß, der in dem Laden anfiel. Wie konnte er nur!«

«Er hätte vielleicht den Ring verkaufen können«, meinte ich.

«Ich habe ihn an seinem Finger gesehen… Gold und Onyx.«

«Das war ein Imitat«, sagte sie dumpf.»Den echten hat er schon vor Monaten versetzt. Er fehlte ihm so. wirklich so, daß er geweint hat. Also hab ich ihm wieder einen gekauft… das war Tinnef, aber er hat ihn getragen.«

Ich goß ihr Kaffee nach. Sie trank geistesabwesend, und die Tasse klapperte gegen die Untertasse, als sie sie absetzte.

«Weshalb wollte Ihr Mann zur Tankstelle in Chieve-ley?«fragte ich.

«Er mußte — «Sie unterbrach sich jäh, überlegte und sagte dann:»Es spielt wohl keine Rolle jetzt. Er kann ja keinen Ärger mehr bekommen… Ich sagte ihm, ich könnte das alles nicht mehr ertragen, aber natürlich hab ich’s ertragen. Wir waren dreiunddreißig Jahre verheiratet… Ich hatte ihn mal geliebt, aber dann… das ging schon lange so… hat er mir bloß noch leid getan, und ich konnte ihm doch keinen Tritt geben, oder? Wo sollte er denn hin? Und er blieb wochenlang von zu Hause weg, weil die Polizei dagewesen war… ich weiß nicht, warum ich Ihnen das erzähle.«

«Weil Sie es irgend jemandem erzählen müssen.«

«Ah ja. Und dann, was die Leute denken, verstehen Sie? Zu unseren Nachbarn kann ich damit nicht gehen, und Freunde haben wir kaum noch, weil Kev sie angepumpt hat.«

Und nie etwas zurückgezahlt. Die Worte standen so klar im Raum, als hätte sie sie ausgesprochen.

«Was wollte er also in Chieveley?«fragte ich nochmals.

«Er hat immer Anrufe von Leuten bekommen, für die er Sachen von einem Ort zum anderen bringen sollte. Ich sagte ihm, das bringe ihn noch in Schwierigkeiten. Ich meine, es konnte doch sein, daß er Teile zur Herstellung von Bomben befördert, oder Rauschgift oder sonst was. Ziemlich oft hat er Hunde und Katzen befördert. das gefiel ihm. Er hat ein paarmal in Horse & Hound annonciert. Die Leute haben ihm die Bahn bezahlt, damit er die Tiere abholt, aber er hat die Fahrscheine zu Geld gemacht und ist per Anhalter gefahren. Ich meine, er hatte wirklich keinen Stolz mehr. Alles war aus den Fugen.«

«Schlimm«, sagte ich.

«Wir haben das Telefon bezahlt«, sagte sie.»Die Telefonrechnung haben wir immer bezahlt. Und ich habe die Nachrichten für ihn entgegengenommen, und er hat mich jeweils angerufen, wenn er gratis bei jemandem telefonieren konnte. Aber lange hätten wir so nicht weitermachen können.«

«Nein.«

«Eigentlich ist es ein Segen für ihn, daß er gestorben ist.«

«Mrs. Ogden.«

«Doch, doch. Weil er sich nämlich geschämt hat, mein armer alter Junge.«

Ich dachte an ihr ganzes gemeinsam getragenes Leid und fand, es war ein unverdientes Glück für Kevin Keith gewesen, Lynn Melissa zu haben.

«In meinem Pferdetransporter hatte er aber kein Tier dabei«, sagte ich.

«Nein. «Sie schaute unsicher drein.»Es hatte aber schon was mit Tieren zu tun. Es war eine Antwort auf die Horse & Hound-.Anzeige. Eine Frau rief an. Kev sollte jemanden an der Tankstelle Pontefract treffen und zur Tankstelle von South Mimms fahren und dann mit Ihrem Transporter nach Chieveley.«

«Ah«, sagte ich.

Sie hörte das tiefe Verständnis in meiner Stimme, ohne sich einen Reim darauf machen zu können, und sah mich überrascht an.

«Wen sollte er in Chieveley treffen?«fragte ich.

«Das hat sie nicht gesagt. Nur, daß jemand zu ihm hinkommen würde, wenn er aus dem Transporter steigt. Jemand würde ihn ansprechen, ihn bezahlen und seine Fracht übernehmen, und der Fall wäre erledigt.«

«Und darauf sind Sie eingegangen?«

«Aber natürlich, ja. Wir haben doch davon gelebt.«

«Wen sollte er in Pontefract treffen?«

«Sie sagte nur, >jemand< würde ihn ansprechen und ihm eine kleine Tragtüte geben.«

«Hat sie gesagt, was drin ist?«

«Ja, eine Thermosflasche, sagte sie, aber die dürfe er nicht öffnen.«

«M-hm. Hätte er sie denn sonst geöffnet?«

«Aber nein. «Sie war sich ganz sicher.»Er hätte Angst gehabt, sein Geld nicht zu bekommen. Und er meinte immer, was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.«

Ein glänzendes Rezept, um auf die Nase zu fallen.

Sie sah auf ihre Uhr, dankte mir für den Kaffee und sagte, sie werde sich langsam auf den Weg zum Bahnhof machen, wenn ich nichts dagegen hätte.

«Wie ist es mit dem Fahrgeld?«fragte ich.

«Ach… ich habe einen Gutschein bekommen. Von der Polizei oder vom Gericht oder so. Am vorigen Samstag auch schon, als ich herkommen sollte, um ihn zu identifizieren. «Sie seufzte schwer.»Alle waren gut zu mir.«

Arme Mrs. Ogden. Ich fuhr sie zum Bahnhof und wartete mit ihr, bis der Zug kam, obwohl sie sagte, das sei nicht nötig. Ich hätte ihr gern Geld gegeben, um ihr über ihre gegenwärtigen Schwierigkeiten mit hinwegzuhelfen, aber sie hätte es wohl nicht angenommen. Ich würde mir von Sandy ihre Adresse besorgen, dachte ich, und ihr etwas zum Gedenken an Kevin Keith schicken, den armen alten Jungen, der mich in einen Mahlstrom gestürzt zu haben schien.

Kapitel 9

Als ich Winchester verließ, klingelte das Autotelefon. Isobels Stimme sagte:»Ah, gut. Ich hab Sie schon mal zu erreichen versucht. Die Polizei ist wegen Jogger hier.«

«Welche Polizei?«

«Nicht Sandy Smith. Zwei andere. Sie möchten wissen, wann Sie zurückkommen.«