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«Er ist lieb«, sagte Nina.

Lewis strahlte und sagte:»Für den ist uns nichts zu gut. Vielleicht schicken wir ihn nach Eton, warum nicht?«Er steckte die Fotos in ein Kuvert.»Am besten mach ich mich mal auf nach Lingfield«, sagte er.»Zwei für Benjy Usher. Als ich zuletzt in dem Stall war«, erzählte er Nina,»haben die das falsche Pferd rangeholt, und das war nicht das erste Mal. Ich hatte aufgeladen und fuhr schon zum Tor raus, da kommt ein Pfleger an und schreit sich die Lunge aus dem Hals. Das falsche Pferd! Also wirklich! Und aus dem Fenster im ersten Stock schimpft Mr. Usher, als wär’s meine Schuld, nicht die von seinem Futtermeister, dem blöden Sack.«

Nina hörte fasziniert zu und fragte mich:»Kann es leicht passieren, daß man das falsche Pferd erwischt?«

«Wir nehmen die Pferde, die man uns gibt«, sagte ich.»Wenn es die falschen sind, können wir nichts dafür. Wie Sie wissen, haben unsere Fahrer Arbeitsbögen mit der Uhrzeit, dem Abhol- und Bestimmungsort und den Namen der Pferde, aber die Identität müssen sie nicht nachprüfen.«

«Voriges Jahr haben wir zwei von Mr. Usher wirklich zu den falschen Rennen transportiert«, sagte Lewis belustigt.

Ich ging näher drauf ein.»Wir sollten ein Usher-Pferd nach Leicester und eins nach Plumpton bringen, und obwohl Lewis und der andere Fahrer ganz klar gesagt haben, welcher Transporter wohin fährt, hat Ushers Futtermeister sie durcheinandergebracht. Es wurde erst entdeckt, als das erste Pferd auf dem falschen Platz ankam. Gab einen ziemlichen Wirbel.«

«Wirbelsturm«, meinte Lewis grinsend.»Aber hallo.«

«Werfen Sie einen Blick in die Zeitung und vergleichen Sie die Namen von Ushers Pferden mit denen auf Ihrer Liste«, wies ich Lewis an,»damit es heute nicht noch mal Verwechslungen gibt.«

«Okay.«

Er ging in die Kantine, wo er sich kurz die Rennausschreibungen ansah, und mit einem Winken dann hinaus zu seinem Super-Sechser, um sich auf den Weg zu machen.

«Als er hier anfing«, erzählte ich Nina,»hatte er Ringellocken. Jetzt hat er dafür das Baby. Er kann gut die Fäuste gebrauchen, falls Sie mal Schutz nötig haben. An seinem Jungen vergreifen sich bestimmt nicht viele.«

«Klassenrowdies, seht euch vor?«

«Und ihre Väter auch.«

«Sie sind alle ziemlich verschieden, wenn man sie näher kennenlernt«, sagte Nina.

«Die Fahrer, meinen Sie? Ja, das stimmt. «Sie kam mit in mein Büro.»Erzählen Sie mir von Nigel.«

Sie machte es sich in dem zweiten Sessel bequem, während ich mich auf die Schreibtischkante setzte.

«Er ist fast die ganze Strecke hin und zurück allein gefahren, ohne Rücksicht auf die Stunden, aber wir haben die Fahrtenbücher so ausgefüllt, daß es mehr nach gleicher Beteiligung aussieht.«

«Ts, ts.«

Sie lächelte.»Er sagte, ich könnte mich um die Pferde kümmern. Mit Pferden hat er’s gar nicht so, wußten Sie das? Er sagt, manche Fahrer, mit denen er sich bei den Rennen unterhält, haben richtig Angst vor ihnen.«

«Davon habe ich gehört.«

«Nigel findet Sie als Arbeitgeber gar nicht übel. Bißchen pingelig, meinte er.«

«Ach ja?«

«Und er ist stolz auf seinen Körper. Er ist mit mir den Entwicklungsstand seiner Muskeln durchgegangen, praktisch jeden einzeln. Er hat mir erklärt, wie ich meine Brustmuskulatur aufbauen kann.«

Ich lachte leise.»Wie nützlich.«

«Ich soll Ihnen etwas von Patrick Venables ausrichten.«

Abrupter Themenwechsel.»Was denn?«fragte ich.

«Wegen der Röhrchen, die Sie mir zur Analyse mitgegeben haben. Er sagt«, sie runzelte unschlüssig die Stirn,»er sagt, sie. haben etwas enthalten, das man Virustransportmedium nennt.«

Da ich nicht gleich etwas dazu sagte, fuhr sie fort:»Das ist anscheinend eine Flüssigkeit, die sich zusammensetzt aus sterilem Wasser und Sucrose — klingt seltsam, hat er aber so gesagt —, aus Rindereiweiß — das ist der Stoff, von dem das Virus zehrt —, aus Glutaminsäure, was wohl eine Aminosäure ist, und aus einem Antibiotikum namens Geront… nein, Quatsch… Gentamicin, das eindringende Bakterien tötet, aber einem Virus nichts tut. Die ganze Mixtur wird benutzt, um Viren über Land zu befördern.«

«Hat man ein Virus drin gefunden?«

«Nein. Es hieß, außerhalb eines Körpers hält sich ein Virus nicht lange. Bei Viren spricht man anscheinend nicht von >leben<, da sie nicht wirken oder sich vermehren können oder was auch immer, wenn sie erst von der lebenden Wirtszelle getrennt sind. Das scheint mir alles ein bißchen kompliziert zu sein. Jedenfalls wüßte Patrick gern, wo die Röhrchen herstammen.«

«Von der Tankstelle Pontefract in Yorkshire. Den Weg davor kenne ich nicht.«

Ich erzählte ihr, was ich von Lynn Melissa Ogden, der Hinterbliebenen von Kevin Keith, erfahren hatte.

«Arme Frau«, sagte ich.»Die haben ein klägliches Leben geführt.«

«Es gibt so viel schreckliche Existenzen. Und keiner, der ins Leben einsteigt, denkt, daß es so enden könnte.«

Ich erzählte ihr von meiner Konfrontation mit Dave früher am Morgen.

«Sie hatten also recht!«rief sie aus.»Sie sagten doch, er müsse den Mitfahrer eingeplant haben.«

«M-hm. Aber er hat nicht reagiert, als ich ihn fragte, was Kevin Keith bei sich hatte. Das wußte er mit Sicherheit nicht.«

«Dann kann er auch nicht der schwarz Vermummte gewesen sein, der das Fahrerhaus durchstöbert hat.«

«War er bestimmt nicht. Er hätte sich nicht zu maskieren brauchen. Er hätte einfach so kommen können. Er hatte gehofft, man würde ihm seinen Lohn ins Fahrerhaus legen, aber wen wundert’s, daß daraus nichts wurde? Der da vermummt kam, hat etwas gesucht, statt einen Umschlag zurückzulassen.«

«Aber wer war das?«

«Gute Frage. «Ich überlegte ein wenig.»Da sind mindestens zwei Köpfe am Werk. Einer denkt logisch, aber destruktiv. Der andere agiert so unlogisch wie ein Poltergeist.«

«Mindestens zwei? Meinen Sie, noch mehr?«

«Ich glaube, daß zwei Männer mich in Southampton ins Hafenbecken geworfen haben. Ein Mann war auf jeden Fall dabei. Und sie haben mich mit Leichtigkeit getragen. Aber der Transport des Virusmediums wurde von einer Frau arrangiert.«

«Oder einem Mann mit verstellter Stimme?«

«Was hätte das für einen Sinn? Und es ist auch nicht so einfach. «Ich hielt inne.»Aber eins wissen wir nicht — ob Kevin Keith das Virusmedium mitnehmen sollte, wenn er in Chieveley ausstieg, oder ob er es im Wagen lassen sollte, damit es nach Pixhill kommt. Das heißt, damit es hier auf den Bauernhof kommt. Und wir wissen nicht, ob auf dem Weg hierher tatsächlich ein Virus in den Röhrchen war, oder ob jemand hier aus der Gegend das Medium zur künftigen Verwendung bestellt hatte.«

«Herr Jesus.«

Ich kramte in meiner Tasche und reichte ihr ein zusammengefaltetes Blatt Papier mit der Niederschrift von Joggers Anruf.

«Die Cockney freunde von Patrick Venables sollen sich das mal vornehmen«, schlug ich vor.

«Was für Cockneyfreunde?«

«Er hat bestimmt Kontakte zur Londoner Halbwelt.«

«Welches Vertrauen! Na gut. «Sie las den Text laut.»Die Cousins unters Tatü nehmen… du lieber Gott.«

«Sagt Ihnen das etwas?«

«Ein Phönixpferd hatte vorigen Sommer den gleichen Hut auf… Das ist doch völliger Blödsinn. «Sie stopfte den Zettel in ihre Handtasche.»Auf der Frankreichfahrt ist niemand in unsere Nähe gekommen«, sagte sie.»Nirgends hat sich jemand auch nur im geringsten für die Unterseite unseres Transporters interessiert. Nigel sagte, er fährt Phils Sechser nicht gern, weil der sich schwerer lenken läßt als seiner. Er schätzt die Jedem-sein-Wagen-Regelung und fährt für manche Trainer lieber als für andere. Er würde gern öfter für die Watermeads fahren, aber da hat Lewis den Daumen drauf. Lewis fährt auch für Benjy Usher, aber den kann Nigel nicht besonders leiden. Harve hat ihm gesagt, daß er für eine neue Trainerin, eine Mrs. English, eingeplant ist, und von der hat er gehört, sie sei ein Drachen.«