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«Was zum Teufel machen Sie da?«brüllte ich und versuchte zu dem Eindringling hochzuklettern. Zwecklos, wenn man Gummistiefel trägt: die Trittflächen sind für so breite Treter nicht gemacht.

Die schwarze Maske griff nach der zusammengerollten Pferdedecke, schüttelte sie rasch auf und warf sie mir über. Meine Füße rutschten ab, ich machte einen Schritt zurück ins Leere und schlug lang auf den Asphalt. Die schwarze Gestalt, schwach sichtbar, war mit einem Satz auf der Fahrerseite, riegelte die Tür dort auf, sprang behend heraus und flüchtete schnell und geschmeidig in die Dunkelheit.

Mit Sportschuhen hätte ich die Jagd vielleicht aufnehmen können. In Gummistiefeln und einem offenen Regenmantel war es aussichtslos. Ich stand angewidert auf, knöpfte endlich den Regenmantel zu und lauschte vergebens auf das Geräusch entschwindender Schritte.

All das ergab keinen Sinn, auch nicht, daß ich hier mitten in der Nacht in unpassendem Aufzug herumstand. Der Transporter enthielt außer dem Radio oder dem Telefon nichts, was sich zu stehlen lohnte, aber auf beides hatte es die schwarze Gestalt offenbar nicht abgesehen gehabt. Wenn ich daran zurückdachte, wie ich sie im ersten Moment vor mir sah, hatte sie eigentlich gar nichts Bestimmtes gemacht, sondern bloß mit dem Rücken zu mir im Fahrerhaus gestanden. Staub und Dreck an den Kleidern. Soweit ich mich entsann, hatte sie nichts in den Händen gehabt. Kein Werkzeug, nicht einmal eine Taschenlampe. Wenn sie die Pflegertür mit einem Schlüssel oder einem Dietrich geöffnet hatte, mußte sie ihn in die Tasche gesteckt haben.

Das Schlüsselloch der Pflegertür befand sich im Griff selbst. Es steckte kein Schlüssel im Schloß, und ich fand auch keine frischen Kratzer oder andere Hinweise, daß sich jemand mit Gewalt oder sonstwie daran zu schaffen gemacht hätte.

Frierend und verärgert warf ich die Pferdedecke wieder ins Fahrerhaus, schloß die Pfleger- und die Fahrertür und ging ins Haus, um die Schlüssel zu holen und sie noch einmal abzusperren.

Aus Rücksicht auf meine Teppiche zog ich die Stiefel aus und tappte barfuß über den Flur und durchs Wohnzimmer zum Schreibtisch, ohne erst Licht zu machen, da es mir von draußen her hell genug war. Ich nahm die Schlüssel aus der Schublade, machte kehrt, zog die Stiefel wieder an und schlappte zum Wagen zurück.

Im Näherkommen sah ich ungläubig, daß sich wieder ein schwarzer Schatten im Fahrerhaus bewegte. Das ist nicht wahr, dachte ich, und was in Gottes Namen konnte er bloß wollen? Er stand hinter dem Fahrersitz und griff in die Koje über den Vordersitzen, die die ganze Breite des Fahrerhauses einnahm und über der Windschutzscheibe nach vorn vorsprang. In dieser geräumigen Ablage, die alle meine Lkws hatten, brachten die Fahrer und die Begleiter ihre persönliche Habe unter, oft Kleidung zum Wechseln und manchmal auch Schlafsack und Kopfkissen. Sie war mit einer Matratze ausgestattet, da einige Fahrer unterwegs lieber dort übernachteten als in einer billigen Pension. Brett hatte mir gesagt, er habe etwas Besseres erwartet. Sie können ja wählen, hatte ich ihn erinnert.

Die geschäftige Gestalt im Fahrerhaus sah mich kommen und war wieder draußen und weg, bevor ich sie erreichen konnte. Ich lief schwerfüßig hinterdrein, wie durch Zuk-kerrübensirup, da bei jedem Schritt meine nackten Füße halb aus den Stiefeln rutschten. Der Schatten jagte die Zufahrt hinunter und schien am Ausgang zur Straße mit dem Dunkel der Bäume zu verschmelzen.

Vergebens folgte ich ihm auf die Straße hinaus, denn er war nicht mehr zu sehen. Es war eine offene Landstraße, mit offenen Einfahrten zu anderen Häusern. Bäume und

Büsche zu Hunderten, unzählige Verstecke. Man hätte eine halbe Armee gebraucht, um ihn zu finden.

Niedergeschlagen und verwirrt kehrte ich zu dem Transporter zurück. Die Fahrertür stand noch weit offen. Umständlich kletterte ich hinein, stellte mich so wie er hinter den Sitz und knipste das Innenlicht an, um besser in die Ablage schauen zu können.

Sie war leer bis auf die Matratze und eine Plastiktüte, die, wie sich zeigte, Abfälle a la Brett enthielt; das zerknüllte Papier einer Tafel Schokolade, eine leere Sandwichverpackung mit dem Sortenaufdruck» Rind und Tomate «und zwei leere Coladosen.

Ich stellte die Tüte wieder zurück. Jeder Fahrer hatte seinen Transporter selbst in Ordnung zu halten, und ich hatte keine Lust, hinter Brett aufzuräumen. Was immer er und Dave an diesem Tag getrieben hatten, die Mitnahme sterbenskranker Geschäftsleute war anscheinend erst der Anfang. Die zwei würden mir am Morgen eine ganze Menge erklären müssen.

Sorgfältig schloß ich noch einmal den Wagen ab und ging zum Haus zurück, fühlte mich dort aber keineswegs beruhigt. Der wendige Besucher war beim erstenmal in den Transporter gelangt, ohne eine Scheibe einzuschlagen oder sonstwie erkennbare Gewalt anzuwenden, und vermutlich konnte er immer noch so hinein.

Obwohl ich nicht die leiseste Ahnung hatte, was er wollte, mißfiel mir die Vorstellung, er könnte ein zweitesmal wiederkommen. Außerdem kam mir der beunruhigende Gedanke, daß er vorhaben könnte, etwas zu deponieren, etwas zu beschädigen oder den Transporter ganz außer Betrieb zu setzen. Bestürzt und verunsichert streifte ich die Stiefel und den Regenmantel ab und rannte nach oben, um zwei Pullover, Jeans, Strümpfe und Schuhe anzuziehen, in denen ich laufen konnte. Ich holte meinen alten Schlafsack aus dem Schrank, überzeugte mich durch einen Blick aus dem Fenster, daß sich nicht schon ein dritter Besuch anbahnte, und lief wieder hinunter, um noch eine Steppjacke und Handschuhe überzuziehen.

Mit all diesen Wärmespendern bepackt, ging ich ein weiteres Mal zu dem Transporter und richtete mich für länger auf den Vordersitzen ein, zumindest körperlich, wenn auch nicht geistig einigermaßen entspannt.

Die Zeit verging.

Ich döste.

Niemand kam.

Kapitel 2

Wie vorauszusehen, erwachte ich kalt und steif, sobald das natürliche Licht sich mit dem künstlichen vermengte, und gähnend wanderte ich zum Kaffeekochen in die warme Küche hinüber. Die Zeitungen und die Post kamen. Ich sah die Rechnungen durch, las die Schlagzeilen und blätterte zum Rennsportteil, aß Cornflakes und beantwortete den ersten Telefonanruf des neuen Tages.

Mein Arbeitsalltag begann um sieben oder sechs und endete normalerweise um Mitternacht, auch sonntags, aber es war ein Lebensstil, keine Plackerei. Trainer standen sogar noch früher auf, und da sie sich bei Tagesanbruch oder vorher schon um ihre Pferde kümmerten, fanden sie es nur recht und billig, daß jeder, der für sie arbeitete, ebenfalls dazu bereit war.

Pläne änderten sich oft über Nacht. Der erste Anruf an diesem Tag, einem Freitag, kam vom Trainer eines Pferdes, das sich im Stall festgelegen und bei seinen hektischen Versuchen, wieder aufzustehen, verletzt hatte.

«Das blöde Vieh hat sich das rechte Hinterbein verrenkt. Völlig lahm, als mein Futtermeister ihn gefunden hat. «Die laute, kräftige Stimme dröhnte mir ins Ohr.»Jetzt kann er in Southwell verdammt noch mal nicht starten. Streichen Sie ihn von Ihrer Liste, ja?«

Ich sagte, das würde ich tun.»Danke fürs Bescheidsagen.«

«Ich weiß doch, was Sie für ein volles Programm haben«, polterte er.»Die vier für Sandown gehen klar. Las-

sen Sie die aber nicht von Brett fahren, das ist ein Jamme-rer, der geht meinen Pflegern auf den Keks.«

Ich versicherte ihm, daß er nicht Brett bekommen würde.

«Alles klar, Freddie. Dann bis demnächst, beim Pferderennen.«

Ohne Zeit zu verlieren, rief ich meinen Fahrdienstleiter an und fragte ihn, ob die Transporter für Southwell schon unterwegs seien.