«Ich habe überlegt und überlegt…«Sie hielt inne.»Wieso am Freitag?«
«Oder Samstag«, sagte ich.»Unser Computerfachmann glaubt, daß wir uns da erst infiziert haben.«
«Ach du Schreck.«
«Fällt Ihnen nichts ein?«
«Nein. «Es war ein kummervolles Seufzen.»Ich wünschte, ich wüßte es.«
«Haben Sie irgendeinen von den Leuten auf der Besucherliste in Ihrem Büro alleingelassen?«
«Aber… aber… ach je. Ich weiß nicht mehr. Es kann schon sein. Ich hätte mir nichts dabei gedacht. Ich meine, es waren ja keine Fremden da, nicht bei mir im Büro, und ich kann nicht glauben…«
«Schon gut«, sagte ich.»Machen Sie sich keine Gedanken darüber.«
«Tu ich aber.«
Ich legte auf, als Sandy Smith gerade auf meinen Parkplatz rollte. Er nahm die Schirmmütze ab, als er auf die Hintertür zukam, und strich sich mit den Fingern durch das flachgedrückte Haar.
«Kommen Sie rein«, begrüßte ich ihn an der Tür.»Whisky?«
«Ich bin im Dienst«, meinte er zweifelnd.
«Wen schert’s?«
Er beruhigte sein Gewissen und nahm den Scotch mit Wasser. Wir setzten uns in die Küche, einer links, einer rechts vom Tisch, und er entspannte sich soweit, daß er seine Uniformjacke aufknöpfte.
«Es ist wegen Jogger«, sagte er. Finsterer Blick ins Glas, das rundliche Gesicht bekümmert.»Wegen Rost.«
Seine düstere Stimmung griff rasch auf mich über.»Was haben sie gefunden?«fragte ich.
«Ich habe gehört«, begann er, und ich dachte bei mir, daß keiner sich so gut auf Winkzeichen verstand wie Sandy.»Ich habe, äh… inoffiziell gehört, daß man rings um die Grube und an den Rändern Rost gefunden hat. Aber der Rost war überall mit Öl und Fett vermischt. Und in der Wunde an Joggers Kopf war weder Öl noch Fett.«
«Verdammt«, sagte ich.
«Es wird jetzt als Mord behandelt. Sagen Sie nicht, daß ich Ihnen das erzählt habe.«
«Nein. Danke, Sandy.«
«Man wird Ihnen Fragen stellen.«
«Die hat man doch schon gestellt«, sagte ich.
«Man wird jetzt wissen wollen, wer es auf Jogger abgesehen hatte.«
«Das wüßte ich auch gern.«
«Ich kannte den alten Jog seit Jahren«, sagte Sandy.»Der hatte doch keine Feinde.«
«Ich könnte mir denken«, sagte ich neutral,»daß er vielleicht dasselbe getan hat wie ich am Dienstag abend, nämlich daß er unverhofft auf dem Bauernhof aufgekreuzt ist. Vielleicht haben wir beide eins über den Schädel gekriegt, damit wir etwas Bestimmtes nicht sehen… aber Jogger ist daran gestorben und in die Grube gelegt worden, damit es wie ein Unfall aussieht.«
Sandy schaute mich nachdenklich an.
«Was geht da vor, auf dem Bauernhof?«fragte er.
«Ich weiß es nicht. Ich habe verdammt keine Ahnung, und es macht mich verrückt.«
«Wußte Jogger etwas?«
«Möglicherweise hat er was rausgefunden. Das ist vielleicht der Grund, weshalb er sterben mußte, und dagegen habe ich mich gesperrt. Ich habe sozusagen gebetet, daß es sich als Unfall herausstellt.«
«Aber gedacht haben Sie die ganze Zeit schon, daß es Mord war. «Er kratzte sich nachdenklich im Genick.»Was hat Jogger mit den Kuckuckseiern unter Ihren Lastwagen gemeint? Das wird meine Kollegen interessieren.«
«Ich zeige es Ihnen«, sagte ich.»Kommen Sie mit ins Wohnzimmer.«
Wir gingen in das chaotische Trümmerfeld nebenan, wo noch die Kassette stehen mußte, die Jogger vor einer Woche unter dem Neun-Pferde-Transporter hervorgeholt hatte.
Ich führte Sandy zu der Stelle, doch die Kassette war nicht da.
«Das ist ja seltsam«, sagte ich.»Sie stand genau hier auf der Zeitung.«
«Was denn?«
Ich beschrieb die Kassette: graues Metall, null-achtfünfzehn, innen frisch duftend, leer, aufgebrochen von Jogger; außen schmutzverkrustet bis auf eine einzige, kreisrunde blanke Stelle dort, wo sie an einem Magneten gehaftet hatte.
Ich begann sie zu suchen, und auch Sandy stöberte in dem allgemeinen Durcheinander herum.
Keine Kassette.
«Wann haben Sie sie zuletzt gesehen?«fragte Sandy.
«Am Dienstag wohl. Da habe ich sie meiner Schwester gezeigt. «Ich runzelte die Stirn.»Als das Zimmer dann so verwüstet war, habe ich an die Kassette nicht mehr gedacht.«
Das könne er schon verstehen, meinte er und wollte wissen, ob sonst noch etwas fehlte.
«Ich glaube nicht.«
«Jogger hat von Kuckuckseiern gesprochen. Mehrzahl. Es muß mehr als eins gewesen sein.«
«Noch zwei andere Transporter sind mit Behältern unterm Fahrgestell herumgekurvt — aber die Behälter sind leer, genau wie die Kassette leer war.«
Sandy sagte zweifelnd:»Am Samstag in der Kneipe hat ihn jeder davon reden hören. Ich meine, er kann nicht umgebracht worden sein, damit er es nicht ausplaudert, denn das hatte er ja schon.«
«Außerdem«, sagte ich,»hatten Dave, Harve und Brett neben Jogger die Kassette hier im Zimmer gesehen, kurz nachdem er sie von dem Neuner losgestemmt hatte. Da stand sie gut sichtbar auf meinem Schreibtisch. Erst später hab ich sie auf den Boden gestellt.«
«Sie müssen doch eine Vorstellung haben, wozu sie verwendet wurde«, sagte Sandy, und ein polizistenhafter Argwohn schlich sich in seine Stimme, obwohl wir uns nicht als Gegenspieler betrachteten.
«Wir dachten an Rauschgift, wenn Sie das meinen. Harve, Jogger und ich haben darüber gesprochen. Aber Drogen fallen nicht vom Himmel. Die muß jemand beschaffen. Harve und ich glauben nicht, daß irgendein Fahrer von uns mit Drogen handelt. Ich meine, dafür gäbe es doch Anzeichen, oder? Und Geld wäre im Umlauf. Es würde uns auffallen.«»Wieso haben Sie mir das nicht schon vorigen Dienstag erzählt?«Immer noch der mißtrauische Ton.»Ich finde, das hätten Sie mir sagen müssen.«
«Ich wollte selbst herausfinden, was los ist. Das will ich immer noch, aber wenn jetzt wegen Mord ermittelt wird, stehen meine Chancen schlecht. Schauen Ihre Kollegen sich erst mal die Behälter unter den Transportern an, benutzt die doch im Leben keiner mehr, das müssen Sie zugeben. Ich wollte sie lassen, wo sie sind, den Mund halten und abwarten. Ich hatte Jogger beschworen, in der Kneipe nicht darüber zu reden, aber das Bier war stärker. Ich fürchte, er hat zuviel gesagt. Ich fürchte, er hat die ganze Jagd vermasselt und das Wild verscheucht. Bis jetzt konnte ich allerdings noch hoffen. Aber Ihre Kollegen vertreiben das Wild bestimmt endgültig, und ich komme ihm nicht mehr auf die Spur… und deshalb habe ich Ihnen nichts gesagt. Weil Sie vor allem Polizist sind und erst in zweiter Linie ein Freund, und Ihr Gewissen hätte Ihnen nicht erlaubt zu schweigen.«
Er sagte langsam:»Da haben Sie recht.«
«Es ist Freitag abend«, sagte ich.»Wie lange können Sie zurückhalten, was ich Ihnen gesagt habe?«
«Freddie. «Er war unglücklich.
«Bis Montag?«
«Ach du Scheiße. Was wollen Sie bis dahin machen?«
«Ein paar Antworten finden.«
«Dann müssen Sie die richtigen Fragen stellen«, sagte er.
Er versprach nicht einmal vorläufiges Stillschweigen, und ich drängte ihn zu keiner Entscheidung. Er würde das tun, womit er am ruhigsten schlafen konnte.
Er knöpfte die Uniformjacke über seiner breiten Mitte zu. Zeit zu gehen, meinte er. Auf dem Weg nach draußen ergriff er seine Schirmmütze, setzte sie auf und erreichte seinen Streifenwagen als voll uniformierter Polizist, dem man ansah, daß er seinen Beruf gebührend ernst nahm.
Ich schüttete den Rest seines Whiskys in den Ausguß und hoffte, daß nicht auch unsere Freundschaft den Bach runterging.
Kapitel 11
Ich fuhr zum Bauernhof, als Nina anrief, daß sie zurück sei, und ich fand sie wieder einmal gähnend beim Auftanken.