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Sie hatte die Haare gelöst und gekämmt und Lippenstift aufgelegt, so daß die Nina, mit der ich zu Abend aß, jünger aussah und wieder halb auf das Original hinauskam. Das Lokal war überfüllt, die kleinen Tische standen dicht beisammen. Wir orderten Steaks, Fritten und gebratene Zwiebeln, dazu eine Karaffe roten Hauswein und Cheddarkäse am Stück.»Gesunde Ernährung geht mir auf den Geist«, sagte Nina, die Sorgen um ihre schlanke Linie offenbar nicht kannte.»Haben Sie gehungert, als Sie Jockey waren?«

«Gegrillter Fisch und Salat«, sagte ich und nickte.

«Nehmen Sie etwas Butter. «Lächelnd reichte sie mir einen silbern verpackten kleinen Würfel.»Ich esse für mein Leben gern die falschen Sachen. Meine Tochter rümpft die Nase über mich.«

«Schwarzwälder Kirschtorte?«schlug ich vor und gab ihr die Speisekarte.

«So verrückt bin ich auch wieder nicht.«

Geruhsam tranken wir Kaffee, da wir es beide nicht besonders eilig hatten auseinanderzugehen.

Ich erzählte ihr, daß die Polizei glaubte, Jogger sei ermordet worden, und daß uns vielleicht jetzt nur noch Stunden blieben, um Lösungen zu finden, ehe man mit schweren Stiefeln über uns hinwegtrampelte.

«Sie sind ungerecht gegen die Polizei«, bemerkte sie.

«Das mag sein.«

«Aber zugegeben, die Lösung scheint so weit außer Sicht zu sein wie eh und je.«

«Laut Sandy Smith«, sagte ich,»kommt es darauf an, die richtigen Fragen zu stellen.«

«Nämlich?«

«Ja, eben — das ist der Punkt.«

«Überlegen Sie sich doch mal eine. «Lächelnd trank sie ihren Kaffee.

«Na schön«, sagte ich.»Was halten Sie von Aziz?«

«Bitte?«Sie war überrascht; fast, wie mir schien, aus der Fassung gebracht.

«Er ist merkwürdig«, stellte ich fest.»Ich weiß zwar nicht, wie er hinter meinen Schwierigkeiten stecken soll, aber er ist am Tag nach Joggers Tod auf dem Bauernhof erschienen, und ich habe ihm Bretts Stelle gegeben, weil er Französisch und Arabisch kann und in einer Mercedeswerkstatt gearbeitet hat. Meine Schwester findet aber, er ist viel zu clever für das, was er macht, und ich respektiere das Urteil meiner Schwester. Warum also arbeitet Aziz für mich?«

Sie fragte, woher meine Schwester Aziz kenne, und ich erzählte ihr von dem Tag des Transports der alten Pferde und daß er am Morgen darauf meine Schwester nach Heathrow gebracht hatte.

«Ich weiß nicht, ob Aziz bei meiner Wassertaufe in Southampton am Dienstag abend vielleicht mit von der Partie war.«

«Aber nein«, sagte sie entgeistert.»Bestimmt nicht.«

«Was macht Sie da so sicher?«»Es ist einfach… er ist so fröhlich.«

«Man kann lächeln und lächeln und doch ein Schurke sein.«

«Nicht Aziz«, sagte sie.

Instinktiv teilte ich Ninas Ansicht über Aziz: Er war vielleicht ein Schlitzohr, aber kein Schurke. Und doch hatte ich Schurken um mich herum, und die mußte ich dringend finden.

«Wer hat Jogger umgebracht?«fragte sie.

Ich sagte:»Auf wen würden Sie tippen?«

«Dave«, sagte sie ohne Zögern.»Er hat eine gewalttätige Ader, die er vor Ihnen verbirgt.«

«Davon habe ich gehört. Aber Dave war es nicht. Nein, den kenne ich zu lange. «Ich merkte, wie sich trotz meiner Überzeugung Zweifel in meine Stimme einschlichen.»Dave hat nichts von den Behältern unterm Aufbau gewußt.«

«Man kann grinsen wie ein kleiner Junge und doch ein Schurke sein.«

Ich mußte unwillkürlich lachen und fühlte mich gleich viel unbeschwerter.

«Die Polizei wird Joggers Mörder finden«, sagte Nina,»und Ihre Sorgen hören auf, ich gehe nach Hause, und damit hat es sich.«

«Ich möchte nicht, daß Sie nach Hause gehen.«

Ich sagte das ohne zu überlegen und überraschte mich damit ebensosehr wie sie. Sie schaute mich nachdenklich an und hörte unfehlbar das heraus, was ich nicht hatte sagen wollen.

«Da spricht die Einsamkeit«, sagte sie langsam.

«Ich bin ganz zufrieden allein.«»Ja. Ich auch.«

Sie trank ihren Kaffee aus und tupfte sich den Mund in einer abschließenden Geste mit der Serviette ab.

«Zeit zu gehen«, sagte sie.»Danke für die Einladung.«

Ich zahlte, und wir gingen hinaus zu den Wagen, ihrem und meinem, unseren Arbeitspferden.

«Gute Nacht«, sagte sie nüchtern.»Bis morgen. «Sie setzte sich ohne Eile, ohne verlegenes Zögern hinter das Steuer, geübt im zwanglosen Abschiednehmen.»Gute Nacht, Freddie.«

«Gute Nacht«, sagte ich.

Sie fuhr mit einem Lächeln davon, freundlich, weiter nichts. Ich wußte nicht genau, ob ich deshalb erleichtert sein sollte.

Irgendwann in der Nacht wurde ich plötzlich wach und hörte wieder Sandys beharrliche Stimme im Kopf:»Sie müssen die richtigen Fragen stellen.«

Mir war eine Frage eingefallen, die ich hätte stellen sollen und nicht gestellt hatte. Ich war zu langsam, zu schwer von Begriff gewesen. Morgen in aller Frühe würde ich die Frage nachholen.

Am Morgen in aller Frühe weckte das Klingeln des Telefons mich aus dem zweiten tiefen Schlaf, und Marigolds laute Stimme drang an mein wehrloses Ohr.

«Ich bin nicht allzu glücklich mit Ihrem Freund Peterman«, kam sie gleich zur Sache.»Ich hätte gern Ihren Rat. Können Sie hier mal vorbeischauen? So gegen neun?«

«M-hm«, sagte ich und kämpfte mich so mühsam an die Oberfläche wie ein halb ertrunkener Schwimmer.»Ja, Marigold. Um neun. Alles klar.«

«Sind Sie betrunken?«wollte sie wissen.

«Nein, nur schlaftrunken. «Im Bett, die Augen geschlossen.

«Aber es ist doch schon sieben«, wies sie mich zurecht.»Der Tag ist halb vorbei.«

«Bis nachher. «Ich schwenkte den Hörer in Richtung Gabel.

«Gut«, sagte ihre Stimme aus der Ferne.»Wunderbar.«

Der Schlaf war verlockend, betörend, verführerisch wie eine Droge. Nur die Erinnerung an die entscheidende Frage, die ich nicht gestellt hatte, trieb mich aus dem Bett und ins Bad.

Samstag morgen. Kaffee. Cornflakes.

Immer noch verschlafen tappte ich von der Küche in das demolierte Wohnzimmer und schaltete den Computer an. Das Programm stürzte nicht ab. Ich rief Isobels neue Personaleinträge über die Fahrer auf; sie waren nach wie vor auf das Wesentliche beschränkt: Namen, Adresse, Geburtsdatum, nächste Verwandte, Führerscheinnummer, die Fahrten der Woche, die Stunden am Steuer.

Unter Mißachtung ihrer Privatsphäre gab ich Ninas Namen ein und las ihre Adresse, Abtei Lauderhill, Stow-on-the-Wold, und ihr Alter, vierundvierzig.

Neun Jahre älter als ich. Achteinhalb, um genau zu sein. Ich trank meine zweite Tasse Kaffee brühheiß und fragte mich, wieviel so ein Altersunterschied wohl ausmachte.

Ich nahm kurz hintereinander vier Anrufe mit Fahrtwünschen und Terminänderungen für den Tag entgegen, bestätigte sie und gab sie für Isobel ins Programm ein, die samstags meistens von acht bis Mittag im Büro arbeitete. Um zehn vor acht rief sie mich dann auch an, um ihre Ankunft zu melden, und ich war froh, die Firmengespräche jetzt rüber auf den Bauernhof legen zu können.

Ich fuhr bei ihr vorbei, um zu sehen, wie die Fahrten anliefen, und eventuelle Schwierigkeiten auszuräumen, aber wieder hatten Isobel und Harve anscheinend alles gut im Griff.

Nina (vierundvierzig) lächelte mich kurz an, als sie erschien, um nach Lingfield zu fahren, ihr Äußeres so bewußt unattraktiv wie zuvor. Harve, Phil und die Meute waren abwechselnd in der Kantine, vertraten sich die Beine, holten ihre Arbeitsbögen, flirteten ein wenig mit Iso-bel. Wieder ein Samstagmorgen. Wieder ein Renntag. Vierundzwanzig Stunden in einem Leben.

Die meisten Wagen waren um halb neun schon weg. Als ich in Isobels Büro kam, gab sie gerade das abgewandelte Tagesprogramm in den Computer ein, weitgehend auf der Grundlage der zu Hause von mir eingetippten Daten.

«Wie läuft’s?«fragte ich zerstreut.

«Wie wild!«Sie lächelte zufrieden.