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«Frankreich importiert in Amerika gezüchtete Rennpferde. Großbritannien allerdings auch.«

«Wozu dann die Kaninchen?«»Angenommen«, sagte ich,»man weiß in Frankreich eine Stelle, wo man die Zecken herkriegt, aber nicht in England?«

«Ja. Ja. «Obwohl er sich zurückhielt, war seine Erregung spürbar und wirkte ansteckend.»Sind Sie sich darüber im klaren, daß die Zecken, die Sie mir gebracht haben, keinen Namen haben? Bisher hat noch niemand den Vektor von E. risticii identifiziert. Wenn also… wenn diese Zecken der Vektor sind — Vektor gleich Überträger einer Krankheit —, sind Sie sich darüber im klaren, daß wir dann unmittelbar vor einem Durchbruch stehen, der es uns erlaubt, den Weg des Potomac-Pferdefiebers nachzuzeichnen?«Überwältigt hielt er inne.

«Mehr oder weniger«, sagte ich.»Könnten Sie mir ein paar Fragen beantworten?«

«Nur zu.«

«Also, was passiert denn, wenn ein Pferd am Potomac-Fieber erkrankt? Stirbt es?«

«Gewöhnlich nicht. Achtzig Prozent überleben. Aber wohlgemerkt, wenn es ein Rennpferd trifft, was Sie vermutlich am meisten interessiert, das wird wahrscheinlich nie wieder ein Rennen gewinnen. Meiner Erfahrung nach geht die Krankheit arg an die Substanz.«

«Und wieso?«

«Sie ist enterisch, eine Darmentzündung. Abgesehen von der Appetitlosigkeit und so weiter ist sie meist mit heftigem Durchfall und Koliken verbunden. Das Pferd wird durch das Fieber sehr geschwächt.«

«Wie lange dauert das Fieber?«

«Vier bis fünf Tage.«

«Länger nicht?«

«Das Pferd entwickelt Antikörper, so daß die Ehrlichiae ihm nichts mehr anhaben können. Wenn der Vektor eine Zecke ist — die bleibt am Leben. Über Zecken an sich weiß man, wenn ich so sagen darf, viel zu wenig. Zum Beispiel sind nur die ausgewachsenen braun. Ihre Seife war übersät mit Nymphchen, jungen Zecken, die beinahe durchsichtig sind. «Er hielt kurz inne.»Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich nach Pixhill käme, um mir mal anzuschauen, was Sie da haben? Könnte ich zum Beispiel Ihr Kaninchen sehen?«

«Das Kaninchen habe ich leider nur logisch abgeleitet.«

«Oh. «Er sah enttäuscht drein.

«Aber kommen Sie ruhig«, lud ich ihn ein.»Seien Sie mein Gast.«

«Bald? Ich meine, ich will Sie nicht beunruhigen, aber Sie sagten, Ihr Pferd sei alt, und gerade solche Veteranen auf der Weide sind es, die diese Krankheit bekommen, und je älter sie sind, desto wahrscheinlicher ist es, daß sie daran sterben. Tut mir leid, wirklich.«

«Kann es auch jüngere Pferde treffen?«

«Wenn Sie damit Rennpferde in einem Stall meinen, ja, durchaus, aber die werden doch geputzt, nicht wahr? Beim Putzen wird die Zecke vielleicht beseitigt. Ja, das wäre denkbar. In Amerika werden vorwiegend die Veteranen auf der Weide krank.«

«Hm«, sagte ich,»und gibt es auch ein Heilmittel?«

«Tetracyclin«, sagte er prompt.»Ich bringe für Ihren alten Knaben welches mit. Vielleicht ist es noch früh genug. Kommt drauf an.«

«Und, ehm. «, sagte ich,»können Menschen sich die Krankheit zuziehen?«

Er nickte.»Ja, schon. Sie wird meistens nicht richtig diagnostiziert, da die vielen Symptome so verwirrend sind.

Man verwechselt sie mit dem Rocky-MountainFleckfieber, aber sie ist anders. Seltener. Und Tetracyclin hilft bei beiden.«

«Wie läßt sie sich diagnostizieren?«

«Blutuntersuchung«, sagte er prompt.»Der Tropfen, den Sie mitgebracht haben, war eigentlich nicht genug.«

Kapitel 12

Ich flog mit der letzten Maschine des Tages zurück von Edinburgh nach Heathrow, wieder umringt von Trägern rotweißer Schals, die jetzt noch zotigere Lieder von sich gaben. Baß- und Baritonstimmen, melodisch, widerhallend. Die Rotweißen hatten offensichtlich das Länderspiel in Murrayfield gewonnen. Bier floß mit joggerartiger Geschwindigkeit. Eine offene Flamme hätte die Alkoholdünste in der Kabine entzündet. Die Flugbegleiterinnen wurden in den Po gekniffen. Die Hochstimmung steigerte sich womöglich noch während der Stunde in der Luft.

Mir schwirrte der Kopf von anderen Dingen, dem Nachhall der Fakten, mit denen Guggenheim mich überschüttet hatte.

Der Mann selbst saß irgendwo zwischen den Schals, von mir getrennt, weil zwei Sitze nebeneinander nicht zu bekommen gewesen waren. Er hatte nur das nötigste Handgepäck dabei, aber um so mehr Hoffnung und eine große Tasche mit wissenschaftlichen Feldinstrumenten. Nichts hätte ihn von seiner Suche nach dem unbenannten Vektor von E. risticii abhalten können. Er zitterte vor Hunger. Mit sensiblen Fingerspitzen griff er nach den Sternen, wie Händel nach dem Halleluja, wie Newton nach dem Infinitesimalkalkül, wie Ehrlich zweifellos nach dem Arsen zur Syphilisbehandlung. Sein Genie verlangte nach Anerkennung.

«Es ist früh im Jahr für das Potomac-Fieber«, hatte er gesagt.

«Eigentlich ist das eine Warmwettergeschichte…«

«Die Zecken kamen aus dem Süden Frankreichs«, erklärte ich ihm.»Aus dem Rhönetal.«

«Ein Fluß. Aber normalerweise ist die Zeit von Mai bis Oktober.«

«Voriges Jahr im August hatten wir ein von Zecken wimmelndes totes Kaninchen.«

«Ja. Ja. August.«

«Bei uns in Pixhill ging im letzten Sommer ein Bazillus um, der eine kleine Anzahl Pferde für die Saison außer Gefecht gesetzt hat.«

Er stöhnte. Vor Freude, soweit ich es beurteilen konnte.

«Eine ähnliche, nicht spezifizierte Fieberkrankheit trat auch in Frankreich auf«, sagte ich.»Das habe ich diese Woche erst wieder in der Zeitung gelesen.«

«Suchen Sie mir die Zeitung raus.«

«Ja, okay.«

«Auf Pferde-Ehrlichiose hat man natürlich nicht untersucht… die Infektion ist noch fast unbekannt. Selten. Sie tritt vereinzelt auf, nicht als Epidemie. Da muß man lange suchen. Das ist wunderbar.«

«Nicht für die Pferdebesitzer.«

«Aber wir haben hier einen historischen Moment…«

Wir hatten ein hoffnungsloses Debakel, dachte ich, wenn ich das alles nicht schnell bereinigen konnte.»Freddie Crofts Spedition brachte Potomac-Pferdefieber nach England. «Ich sah die Schlagzeilen schon vor mir.»Freddie Crofts Fahrer brachten Fieber nach England. «Vielleicht sollte man Freddie Crofts Spedition lieber nicht in Anspruch nehmen? So leid es mir tut, Freddie, aber da darf ich kein Risiko eingehen.

Vertrauen war zerbrechlich, Treue wandelbar. Kaninchen, die Zecken einschleppen? Nein, herzlichen Dank.

Freddie Crofts Raceways aus dem Geschäft.

Mir lief der Schweiß.

Eins von den Watermead-Kaninchen hatte am vorigen Sonntag gefehlt. Es waren nur vierzehn, nicht fünfzehn da, hatten die Kinder gesagt. Vielleicht hatte Lewis, der bewährte Kaninchenbändiger, dieses eine Kaninchen mit nach Frankreich genommen. Heimlich, in einem versteckten Behältnis über den Dieseltanks. Im vorigen August war es auch Lewis, der das tote, von Zecken übersäte Kaninchen aus Frankreich mitgebracht hatte. Joggers toten Cousin.

Zecken. Joggers Stimme drang deutlich durch die gegrölten Rugbylieder.»Ein Phönixpferd hatte den gleichen Hut auf«, hörte ich ihn sagen, als die Rotweißen ihr» Liegt der Feind in Schutt und Asche «anstimmten, ein Text, der mir neu war, aber leicht ins Ohr ging, denn sie sangen ihn zur Melodie von» Mein Hut, der hat drei Ecken«. Ein Phönixpferd, dachte ich halb beduselt, hatte den gleichen Hut auf. Mit wieviel Federn? Nicht mit Federn, mit drei Ecken… Ecken, Wecken, Decken, Strecken: Ein Phönixpferd hatte die gleichen Zecken!