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Ein Phönixpferd hatte vorigen Sommer die gleichen Zecken, und es ist gestorben.

Wer war Phönix?

O Gott, dachte ich. Nicht Phönix und Adler. Nicht Phönix und Federn, oder Phönix und Sonne oder Phoenix, Arizona, oder Phönix und Ovid. Nein… Phönix und Asche.

Asche… Usher.

Ein Pferd von Benjy Usher hatte die gleichen Zecken…

Dots Stimme:»Diese alten Klepper. Sie sind eingegangen. Ich hasse das. Immer standen sie vor dem Wohnzimmerfenster.«

Eine vielgekniffene Flugbegleiterin fragte mich durch den fröhlichen Lärm ringsherum, ob sie mir etwas bringen dürfe.

«Einen dreifachen Scotch… nein, nur einen einfachen. Muß noch nach Hause fahren.«

Bilder zogen an meinem inneren Auge vorbei. Benjy Usher beim Training von seinem Fenster im ersten Stock aus. Benjy, der nie seine Pferde anfaßte. Benjy, wie er mich seine Starter in Sandown satteln ließ.

Benjy konnte doch wohl nicht gewußt haben, daß seine altersschwachen, sterbenden Pensionäre wahrscheinlich von Ehrlichiae befallen waren? Oder doch? Hatte Benjy Angst gehabt, die mikroskopisch kleinen Organismen würden auf ihn überspringen?

Wenn er das aber befürchtet hatte, wieso erbot er sich dann wieder, zwei alte Pferde aufzunehmen? Wußte er, daß auch sie möglicherweise Zecken hatten?

Lewis fuhr oft für ihn.

Die Flugbegleiterin brachte meinen Drink.

Benjy ließ seine Pferde in Rennen mit kleinem Feld starten und hatte öfter schon das unverschämte Glück gehabt, daß sein Pferd sich als einziges am Start befand.

Es mußte Zufall sein. Benjy war reich.

Und wenn er nun nach Siegen statt nach Geld hungerte? Die Stimme von Harve:»Mr. Usher ist ein miserabler Trainer.«

Es war Unsinn. Bestimmt war es Unsinn.

Von irgendwoher drang, vermischt mit den Rugbygesängen, ein Satz, den ich einmal gelesen hatte, an die Oberfläche meines Bewußtseins.»Es ist müßig, über die treibende Kraft in uns zu spekulieren; sie bricht von selbst hervor und zeigt sich. Unter Druck läßt sie sich nicht verbergen.«

Was, wenn Benjy Usher von Siegesdurst getrieben wurde, einem Verlangen, das sein Können allein nicht zu stillen vermochte.?

Nein. Ausgeschlossen. Und doch bereiteten Siege ihm orgastisches Vergnügen.

Lewis fuhr oft für Benjy.

Lewis hatte sich vorigen Sommer die Locken abgeschnitten.

Hatte Lewis befürchtet, Zecken in die langen Haare zu bekommen?

Er hatte den zeckenbefallenen Cousin aus Joggers Grube transportiert.

Jogger.

Benjy hatte Jogger nicht umgebracht. Benjy hatte bei den Watermeads Tennis gespielt um die Zeit, als Jogger gestorben war.

Lewis hatte Jogger nicht umgebracht. Er war in Frankreich gewesen.

Lewis war später als geplant vom Bauernhof zurückgekommen, früh um zwei in der Nacht von Montag auf Dienstag. Er hatte Michaels Zweijährige auf dem Hof untergestellt und mir die Nachricht hinterlassen, er habe Grippe. Ich hatte die beiden Zweijährigen am Dienstag morgen mit seinem Super-Sechser zu Michael gebracht, hatte dort gefrühstückt und Irkab Alhawa beim Galopp zugesehen. Danach war der Sechser mit einem anderen Fahrer wieder zum Pferderennen gerollt.

Und wenn Lewis nun tatsächlich das fehlende Kaninchen mit nach Frankreich genommen hatte, damit es seine krankmachende Fracht aufnahm? Wenn es noch in dem versteckten Behälter gewesen war, als ich den Sechser zu Michael gefahren hatte? Wenn es noch dagewesen war, als der Transporter am Abend vom Rennplatz zurückkam? Wenn Lewis, der doch nur einen Schnupfen hatte, später noch einmal zum Bauernhof gekommen war, um das Kaninchen zu holen… und ich war mitten in den Abholvor-gang hineingeplatzt?

Gab das einen Sinn?

So viel Sinn wie alles andere.

Wo war aber Jogger hineingeplatzt?

Was hatte Jogger am Sonntag morgen auf dem Bauernhof gesehen, das er nicht sehen sollte — und mir erzählen wollen?

Was war an diesem Sonntag morgen auf dem Bauernhof passiert?

«Stellen Sie die richtigen Fragen«, hatte Sandy gesagt.

Dieser Sonntagmorgen war der 6. März gewesen, der Tag, an dem der Bürocomputer eingeschaltet worden war, um den Virus Michelangelo zu aktivieren. Jogger verstand nichts von Computern. Es ging nicht darum, was er auf dem Bauernhof gesehen hatte, sondern wen.

Die Rugbygesänge um mich herum schwollen an.

Ich hatte das Gefühl, in großer Gefahr zu sein.

Auf dem Heimweg von Heathrow rief ich Isobel an und entschuldigte mich dafür, daß es so spät geworden war.

Macht überhaupt nichts, sagte sie. Der Tag war gut gelaufen. Harve hatte zwei Sieger nach Chepstow gebracht. Aziz und Dave waren aus Irland zurück, aber Aziz hatte gesagt, Dave ginge es nicht besonders. Dave, meinte Isobel, habe sich vielleicht die Grippe geholt.

«Mist«, sagte ich.

Nina hatte einen Sieger nach Lingfeld geschafft und Nigel ebenfalls. Lewis hatte drei Springer von Benjy Usher nach Chepstow gefahren und war daran erinnert worden, daß er am Montag leichtes Gepäck für die Italientour mitbringen sollte. Phil war gemächlich nach Uttoxeter kutschiert. Michael Watermead und Marigold English hatten für Dienstag je zwei Wagen bestellt, um Pferde zum Verkauf nach Doncaster zu schaffen.

«Prima«, sagte ich erleichtert. Marigold hatte den Fall Peterman auf sich beruhen lassen; jedenfalls bis jetzt.

Jericho hatte sich mit seinem neuen Trainer angeblich bereits überwerfen, sagte Isobel. Sie hielt es für denkbar, daß wir sein ganzes Lot bald schon wieder heim nach Pixhill holen konnten.

«Der Mann ist verrückt«, bemerkte ich.

«Wie ich höre, gehen Sie morgen mittag wieder zu den Watermeads essen«, sagte Isobel.»Dann nehme ich mal weiter die Bestellungen an, ja?«

«Ja, bitte«, sagte ich dankbar.»Und von wem haben Sie das?«

«Tessa Watermead war im Büro. Ich hab ihr einiges beigebracht. Geht doch in Ordnung, ja?«

«Na klar.«

«Gute Nacht also.«

«Gute Nacht.«

Guggenheim, der neben mir in dem Fourtrak saß, wies meinen Vorschlag, wir sollten schnell irgendwo einen Happen essen, zurück. Ich hatte nicht zu Mittag gegessen und war hungrig. Guggenheims Hunger nach Erkenntnis trug den Sieg davon. Außerdem, so sagte er zu seiner Rechtfertigung und um mich zum Schweigen zu bringen, brauche Peterman das Tetracyclin so schnell wie möglich.

Für den armen alten Peterman war es jedoch schon zu spät. Als Guggenheim und ich in den dunklen Garten hinausgingen, lag mein mutiger alter Partner dort auf dem Rasen, kaum einen Meter von der Stelle, wo ich ihn zurückgelassen hatte, sein sichtbares Auge bereits stumpf, die Stille des Todes unverkennbar.

Guggenheims Kummer galt seiner Laufbahn; der meine den unvergessenen Rennen und der Geschwindigkeit eines großartigen Pferdes.

Guggenheim hatte keine Seife für die Zeckensuche mitgebracht, sondern einen batteriebetriebenen MiniaturHandstaubsauger. Er gab sich damit alle Mühe bei Peterman, doch die Untersuchung der vom Fell des Pferdes gepflückten Schmutzteilchen enttäuschte ihn maßlos.

In meiner Küche über sein Mikroskop gebeugt, gab er leise Laute der Verzweiflung von sich.

«Nichts. Gar nichts. Bestimmt hatten Sie sie schon alle auf der Seife. «Es klang beinah vorwurfsvoll, als hätte ich die Sache absichtlich vermasselt.»Aber das ist typisch. Der Überträger von E. risticii ist entsetzlich schwer zu fassen. Zecken ernähren sich von Blut. Sie bohren sich mit dem Kopf in die Haut ihres Wirtes. Die Ehrlichiae, die in der Zecke leben, gelangen dabei in die Blutbahn des Wirtes und verbinden sich mit bestimmten Blutzellen. Ich will Sie damit nicht langweilen, es ist unglaublich kompliziert… aber sie können nur in lebenden Zellen bestehen, und das Pferd hier ist schon Stunden tot.«