«Nein«, stimmte ich zu.
«Sie sind gar nicht so verkehrt«, meinte er zögernd.
Ich saß beim Essen neben Maudie, doch es war wenig geblieben von dem Vergnügen, das ich vor einer Woche an dieser Tafel empfunden hatte. Maudie spürte es und versuchte meine Tristesse zu vertreiben, aber ich verschwand ohne großes Bedauern nach dem Kaffee.
Es gab keine fieberkranken Pferde in Pixhill, berichtete ich Guggenheim und fuhr ihn mit seiner Depression wieder zum Flughafen. Auf dem Heimweg tankte ich und rief nach einiger Überlegung Nina unter ihrer Nummer in Stow-on-the-Wold an.
«Hm«, sagte ich,»bringen Sie morgen, wenn Sie zur Arbeit kommen, einen Fallschirm mit.«
«Bitte?«
«Für die Landung hinter den feindlichen Linien im besetzten Frankreich.«
«Ist das die Gehirnerschütterung?«
«Nein. Sie müssen aber nicht, wenn Sie nicht wollen.«
«Ich wünschte, Sie würden erklären.«
«Können wir uns irgendwo treffen? Haben Sie was vor?«
«Ich bin allein… und langweile mich.«
«Gut. Also, was halten Sie vom Cotswold Gateway? Ich könnte kurz vor sechs da sein.«
«In Ordnung.«
Also ging ich auf Kurs Nordost und kam anderthalb Stunden später zu einem großen, unpersönlichen Hotel an der A 40, oberhalb der Kleinstadt Burford in den Cots-wolds. Ich parkte vor dem mittelprächtigen alten Klotz, einem Wahrzeichen, das ich auf der Fahrt zum Pferderennen in Cheltenham ungezählte Male passiert hatte.
Sie war bereits dort, als ich eintraf, denn sie hatte den wesentlich kürzeren Weg, und sie war die unwiderstehliche Nina vom ersten Tag, nicht die zurechtgestutzte Werktagsversion.
Sie saß in einem chintzbezogenen Sessel an einem warmen Kaminfeuer in der Eingangshalle, ein Teetablett säuberlich ausgerichtet vor sich auf dem niedrigen Tisch.
Nach Cheltenham, aber vor der Sommerferiensaison, war der Ort fast verlassen. Sie stand auf, als ich hereinkam, und genoß es, wie ich ihr Aussehen bewunderte. Keine Jeans diesmaclass="underline" die langen, schlanken Beine steckten in schwarzen Strumpfhosen. Kein alter Schlabberpullover, sondern ein schwarzer Rock, schwarze Weste, weißes Seidenhemd mit weiten Ärmeln, große goldene Manschettenknöpfe und eine lange Halskette mit genügend Goldmünzen, um eine mittlere Lösegeldforderung zu begleichen. Sie roch nicht nach Pferden, sondern zart nach Gardenien. Ihre feingeschnittenen Züge waren betont und mit ein wenig Puder abgestimmt. Die Lippen zartrot.
«Ich traue mich kaum zu fragen«, sagte ich und küßte sie auf die Wange wie aus lieber alter Gewohnheit,»so wie Sie aussehen.«
«Es hörte sich aber ernst an.«
«M-hm.«
Wir rückten zum Reden dicht zusammen, obwohl uns niemand hören konnte.
«Punkt eins«, sagte ich,»ich habe herausgefunden, was unter meinen Lkws befördert worden ist, und es ist nichts so Einfaches wie Rauschgift. «Sie wartete, daß ich weitersprach, und ihr Interesse stieg jäh an.»Ich habe mit einem hohen Zollbeamten in Portsmouth gesprochen«, sagte ich,»um zu erfahren, was nach den EG-Vorschriften in England nicht ohne weiteres ein- und ausgeführt werden darf. Wahrscheinlich wissen Sie, daß der Zoll den Verkehr neuerdings nur noch kontrolliert, wenn konkrete Hinweise vorliegen, daß ein bestimmtes Fahrzeug Drogen geladen hat. Das bedeutet in der Praxis, daß alles — Waffen, Kokain oder was sonst vom Festland kommt — hier ungehindert Eingang hat. Aber bei Katzen und Hunden und Tollwut hörte der Spaß für ihn auf… die Quarantänebestimmungen gelten offenbar noch, und außerdem braucht man für Sachen wie Tierheilmittel eine Genehmigung. Jedenfalls haben meine Transporter lebendes Vieh nebenbei befördert, wenn auch keine Katzen und Hunde, denn die hätten Krach gemacht.«
«Krach gemacht?«
«Klar. Wenn man eine Katze in so einem Behälter transportierte, würde sie jemand schreien hören.«
«Aber wieso? Da komme ich nicht mit. Warum sollte einer Tiere in den Behältern mitnehmen?«
«Damit die Begleiter der Pferde es nicht merken. Wenn ein Pferdetransporter offen etwas Ungewöhnliches befördert, hört die halbe Ortschaft in der Kneipe davon.«
«Und wer hat heimlich Tiere befördert?«
«Einer meiner Fahrer.«
«Welcher?«
«Lewis.«
«Ach was, Freddie. Er hat’s doch so mit seinem Baby.«»Man kann seine Kinder lieben und trotzdem ein Schurke sein.«
«Das meinen Sie nicht ernst…«
«Doch. So wenig es mir gefällt.«
«Soll das heißen… nein, Sie meinen doch wohl nicht, daß Lewis vorsätzlich versucht hat, die Tollwut nach England zu bringen?«
«Nein, die Tollwut zum Glück nicht. Nur ein Fieber, das Pferde vorübergehend krank macht, aber so drastisch an ihrem Speed zehrt, daß sie nie wieder gewinnen.«
Ich sagte ihr, daß Joggers toter Cousin ein Kaninchen gewesen war.
«Cousin — Kaninchen — Kusinchen.« Sie seufzte.»Wie sind Sie dahintergekommen?«
«Ich habe Isobel gefragt, was Jogger tot in der Grube gefunden hatte, und sie sagte es mir.«
«So einfach!«
«Dann habe ich mir die Computerdateien vom letzten August angesehen, für den Zeitraum, wo ich nicht da war, und da stand es. 10. August. Aus einem von ihm gewarteten Transporter, meldete Jogger, war ein totes Kaninchen in die Grube gefallen, und zwar einen Tag nachdem Lewis mit diesem Lkw aus Frankreich zurückgekommen war.«
Sie runzelte die Stirn.»Die Daten wurden doch gelöscht.«
Ich erzählte ihr von den Sicherungskopien in meinem Safe.
«Das haben Sie keinem gesagt! Noch nicht mal mir. Trauen Sie mir nicht?«
«Weitgehend schon«, sagte ich.
Sie sah mir nicht in die Augen. Ich sagte:»Jogger hat Isobel erzählt, daß das Kaninchen Zecken hatte, und das
hat sie in den Daten vermerkt. Der Computer listet auch die Fahrten eines jeden Transporters einzeln auf, und zwei der Wagen mit den versteckten Behältern — nämlich Pats Vierer, den Sie gefahren haben, und Phils Sechser — wurden letztes Jahr von Lewis nach Frankreich gefahren. Dieses Jahr fährt er meinen neuesten Super-Sechser, und wie Sie festgestellt haben, ist da ja auch ein Behälter drunter. Letztes Wochenende haben die Watermead-Kinder eins von ihren zahmen Kaninchen vermißt, um die Lewis sich kümmert — er macht ihr Gehege sauber und so weiter —, und letztes Wochenende war Lewis mit dem Super-Sechser in Frankreich, und dieses Wochenende ist in Pixhill ein Pferd an einem von Zecken übertragenen Fieber gestorben.«
Sie hörte mit großen Augen zu, staunte mit offenem Mund. Ich ging alles noch einmal langsam durch, erzählte ihr von Benjys Trainingsgewohnheiten, von Lewis’ geschorenen Locken, von Peterman und schließlich von Guggenheim.
Hatte ein altes Pferd das Fieberstadium erst einmal überwunden, konnte es den ganzen Sommer hindurch mit Zecken im Fell leben. Ein dauernder Ansteckungsherd für andere ausgewählte Empfänger. Eine regelrechte Ehrlichi-ae-Zuchtfarm. Man wische mit einem nassen Stück Seife kurz über den Träger und innerhalb einer Stunde mit derselben Seife über ein neues Wirtstier. Übertragung beendet. So blieben genügend Zecken am Leben. Lewis, sagte ich düster, hätte die Übertragung sogar vornehmen können, während er die unglücklichen Opfer in meinen Lkws zu den Rennen fuhr.
Wenn das Wetter abkühlte, starben die Zecken. Für das neue Jahr mußte über einen Zwischenträger Nachschub eingeführt und möglichst bald auf das natürliche Wirtstier, ein Pferd, übertragen werden. Peterman hatte das nicht überlebt.