Der Nachspann gab bekannt, welche Firma die Reklame finanziert hatte. Ein glücklicher Tiger blinzelte über das Fir-menzeichen hinweg, auf dem EXXON stand. Eigentlich hätte jeder merken müssen, daß die mageren Zeiten anbrechen würden, als Esso seinen Namen in Exxon änderte, dachte er. Esso glitt einem leicht über die Lippen, ein Klang, der von einem in einer Hängematte ruhenden Mann stammen konnte. Exxon klang eher wie der Name eines Kriegsherren vom Planeten Yurir.
»Exxon fordert euch schwächliche Erdlinge auf, die Waffen fallen zu lassen«, sagte er. »Auf die Knie, ihr schwachen Erdlinge!« Er kicherte und mixte sich einen neuen Drink. Dazu brauchte er nicht aufzustehen; der Southern Comfort, die Limoflasche und ein Plastikschälchen mit Eiswürfeln standen auf einem Beistelltisch neben seinem Sessel.
Das Spiel ging weiter. Die Chargers schössen den Ball hoch. Hugh Fednach, der Fänger der Mustangs, erwischte ihn und rannte damit zum Außenrand des Spielfeldes. Hinter dem Rücken des stahläugigen Generals Hank Rucker, der die Heisman-Trophäe wohl bloß einmal in den Nachrichten gesehen hatte, gewannen die Mustangs sechs Meter. Gene Voreman schoß den Ball aus der Hand. Andy Crocker von den Chargers gab ihn an einen Spieler der Mustangs ab. Ja, so lief das, wie Kurt Vonnegut so raffiniert gesagt hatte. Er hatte alle Kurt-Vonnegut-Bücher gelesen. Sie gefielen ihm hauptsächlich, weil sie witzig waren. Letzte Woche hatte er einen Bericht in den Nachrichten gesehen: Die Schulbehörde einer Stadt in North Dakota, Drake hieß sie wohl, hatte mehrere Ausgaben von Vonneguts Slaughterhouse Five, dem Roman über die Bombardierung von Dresden, verbrennen lassen.
Wenn man darüber nachdachte, konnte man einen witzigen Zusammenhang sehen.
Fred, warum gehen diese Scheißkerle von der Straßenbaubehörde nicht nach Drake und bauen ihre blöde Autobahn da? Ich wette, das würde denen gefallen. Gute Idee, George, schreib doch mal einen Artikel darüber und schick ihn an den Blade! Ach laß mich in Ruhe, Fred!
Die Chargers punkteten und lagen jetzt mit 34 zu 4 vorn.
Einige Cheerleaders tänzelten am Spielfeldrand und wackelten mit ihren Hintern. Er fiel in einen Halbschlaf, und als Fred jetzt über ihn fiel, konnte er ihn nicht mehr abschütteln.
George, da du dir nicht mehr darüber im klaren zu sein scheinst, was du tust, werde ich es dir sagen. Laß mich ein paar Punkte klarstellen, alter Freund. (Hau ab, Fred!) Erstens, das Vorkaufsrecht für die Waterford-Fabrik läuft aus. Das wird Dienstag um Mitternacht der Fall sein. Am Mittwoch wird Thom McAn seinen Handel mit diesem schleimigen Miststück von einem Makler, Patrick J. Monohan, abschließen. Mittwoch nachmittag, spätestens Donnerstag vormittag wird ein großes Schild an der Fabrik auftauchen: VERKAUFT! Wenn das einer von der Blue-Ribbon-Wäscherei sieht, kannst du das Unvermeidliche noch ein wenig hinauszögern, indem du lächelnd sagst: Klar, verkauft an uns. Aber sobald Ordner das nachprüft, bist du geliefert. Vermutlich wird er das nicht tun. Aber (Freddy, laß mich in Ruhe!) am Freitag wird ein neues Schild an der Fabrik hängen:
WIR BAUEN UNSER NEUES WATERFORDWERK AUS
THOM MCAN SCHUHE
AUF GEHT’S, WIR SIND WIEDER DA!!!
Am Montag, am strahlenden, frühen Montagmorgen, wirst du deinen Job verlieren. Ja, so wie ich das sehe, wirst du noch vor deiner Zehn-Uhr-Kaffeepause arbeitslos sein. Dann fährst du nach Hause und erzählst es Mary. Ich weiß nicht genau, wann das sein wird. Die Busfahrt dauert nur eine Viertelstunde. Du könntest also voraussichtlich innerhalb von einer halben Stunde zwanzig Jahre Ehe und zwanzig Jahre erfolgreicher beruflicher Laufbahn beenden. Nachdem du es Mary gesagt hast, folgt die große Erklärungsszene. Du kannst sie noch etwas hinausschieben, indem du dich betrinkst, aber früher oder später …
Fred, ich warne dich!
Oder du sagst ihr, was niemand besser weiß als du, George. Du sagst ihr, daß der Profitspielraum der Blue-Ribbon-Wäscherei in letzter Zeit so eng geworden ist, daß die Buchhaltung einfach nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und sagen werden: Lassen wir das Ganze lieber, Jungs. Nehmen wir einfach das Geld von der Stadt und bauen wir einen neuen Supermarkt in Norton oder einen netten neuen Golfplatz draußen in Rüssel oder Crescent. Wir müssen sonst womöglich zuviel rote Tinte verbrauchen, nachdem dieser Hurensohn Dawes uns die Suppe nun mal so versalzen hat. Ja, das könntest du ihr erzählen.
Ach, fahr zu Hölle!
Aber das ist ja erst der erste Film, und leider sitzen wir in einer Doppelvorführung, nicht wahr? Teil zwei geht über die Leinwand, wenn du Mary erzählst, daß ihr kein Haus habt, in das ihr einziehen könnt, und daß es auch nie eins geben wird. Wie willst du ihr das eigentlich erklären?
Ich tu’ doch gar nichts!
Das stimmt, George, du bist einfach irgend so ein Kerl, der in seinem Ruderboot eingeschlafen ist. Um Gottes willen, George, geh am Montag zu Monohan und mach ihn zu einem unglücklichen Mann. Setz deine Unterschrift auf die gestri-chelte Linie. Du steckst sowieso schon in Schwierigkeiten, nachdem du Ordner am Freitag all diese Lügen aufgetischt hast. Aber du kannst noch mal davonkommen. Du hast dich, weiß Gott, doch auch früher schon oft genug aus der Scheiße gezogen.
Laß mich endlich in Ruhe, ich will schlafen!
Es ist Charlie, nicht wahr? Dies ist eine Art, Selbstmord zu begehen. Aber das ist nicht fair Mary gegenüber, George. Es ist niemandem gegenüber fair. Du bist …
Er fuhr senkrecht im Stuhl hoch und verschüttete seinen Drink. »Niemandem außer vielleicht mir selbst gegenüber.«
Und was ist mit den Gewehren, George? Was soll das?
Zitternd hob er das Glas auf und schenkte sich einen neuen Drink ein.
26. November 1973
Er war zum Mittagessen mit Tom Granger zu Nicky’s gegangen, einem kleinen. Restaurant, das drei Häuserblocks von der Wäscherei entfernt lag. Sie saßen in einer Nische, tranken Bier und warteten auf ihr Essen. Eine Jukebox spielte Good-bye Yellow Brick Road von Elton John.
Tom redete über das Mustang-Charger-Spiel, das die Chargers mit 37 zu 6 gewonnen hatten. Tom war in alle Sportteams der Stadt verliebt, und wenn eins verlor, konnte er sich furchtbar darüber aufregen. Eines Tages, dachte er, während er zuhörte, wie Tom das gesamte Mustang-Team Mann für Mann geißelte, eines Tages wird Tom Granger sich mit einer Rasierklinge ein Ohr abschneiden und es an den Generalmanager der Mannschaft schicken. Ein Verrückter würde sein Ohr wohl an den Trainer schicken, der sich dar-
über kaputtlachen und es am Kleiderspind oder am schwarzen Brett aufhängen würde. Aber nicht Tom, der würde es direkt an den Manager schicken, und der würde lange dar-
über nachgrübeln.
Eine Kellnerin in einem weißen Nylon-Hosenanzug brachte ihnen das Essen. Er schätzte ihr Alter auf dreihundert Jahre, eher noch dreihundertvier. Das gleiche galt für ihr Gewicht. Sie hatte ein kleines Schild über der linken Brusttasche:
GAYLE
Danke für Ihren Besuch
Nicky’s Restaurant
Tom hatte Roastbeef bestellt, das in einer braunen Sauce auf dem Teller schwamm. Er zwei Cheeseburger, die nicht durchgebraten sein sollten; aber er wußte, daß sie es doch sein würden. Er hatte schon öfter bei Nicky’s gegessen. Die 784-Autobahn verfehlte Nicky’s Restaurant um einen halben Häuserblock.