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»Sie sind entweder verrückt oder eine wirklich bemerkenswerte Persönlichkeit«, sagte sie.

»Nur die Personen in Büchern sind bemerkenswert«, erwiderte er. »Machen Sie jetzt den Fernseher wieder an.«

Sie gehorchte. Er ließ sie das Programm wählen.

»Was trinken Sie da eigentlich?«

Es war Viertel vor neun. Er war ein bißchen beschwipst, aber lange nicht so betrunken, als wenn er jetzt allein gewesen wäre. Er stand in der Küche und machte Popcorn. Es gefiel ihm zuzusehen, wenn die Körner in der Glasschüssel aufgingen. Sie schoben sich mit einer Gewalt nach oben wie ein Schneesturm, der allerdings nicht von oben fiel sondern von unten hochstieg.

»Southern Comfort mit Seven-up«, antwortete er.

»Was?«

Er lachte verlegen.

»Darf ich das mal probieren?« Sie hielt ihm ihr leeres Glas hin und lächelte. Es war das erste völlig ungezwungene Lächeln, seit sie in sein Auto gestiegen war. »Sie mixen einen lausigen Screwdriver.«

»Ich weiß«, sagte er. »Southern Comfort und Seven-up ist mein Privatdrink. In der Öffentlichkeit trinke ich Scotch. Aber ich hasse Scotch.«

Das Popcorn war fertig, und er schüttete es in eine große Plastikschüssel.

»Kann ich einen haben?«

»Natürlich.«

Er mixte ihr einen Southern Comfort mit Seven-up und ließ dann ein großes Stück Butter über dem Popcorn schmelzen.

»Das wird Ihnen eine Menge Cholesterin in den Blutkreislauf jagen«, bemerkte sie. Sie lehnte sich an den Türrahmen zwischen Eßzimmer und Küche und nippte vorsichtig an ihrem Drink. »He, das schmeckt mir.«

»Selbstverständlich. Bewahren Sie es als Geheimnis, und Sie sind den anderen immer eine Nasenlänge voraus.«

Er salzte das Popcorn.

»Das Cholesterin blockiert Ihr Herz«, dozierte sie weiter.

»Die Blutgefäße werden enger und enger und dann, eines Tages … aaaarrrggghhh!« Sie faßte sich dramatisch an die Brust und verschüttete dabei etwas von ihrem Drink.

»Mein Stoffwechsel arbeitet das alles auf«, beruhigte er sie und ging durch die Tür. Mit einem Arm streifte er ihren Busen (züchtig von einem BH verhüllt, wie er feststellte), als er an ihr vorbeikam. Er hatte eine Empfindung, die Marys Busen ihm schon seit Jahren nicht mehr gegeben hatte. Aber es war vielleicht nicht so gut, in diese Richtung weiterzudenken.

Sie aß das meiste von dem Popcorn.

Während der Elf-Uhr-Nachrichten, die sich hauptsächlich mit der Energiekrise und den Nixon-Tonbändern befaßten, fing sie an zu gähnen.

»Gehen Sie nach oben«, sagte er zu ihr. »Gehen Sie ins Bett.«

Sie warf ihm einen komischen Blick zu.

Aufgebracht sagte er: »Wir werden uns niemals richtig vertragen, wenn Sie nicht endlich aufhören, jedesmal wie ein gehetztes Reh zu gucken, wenn ich das Wort ›Bett‹ auch nur erwähne. Der wesentliche Zweck des Großen Amerikanischen Bettes ist der Schlaf, nicht der Geschlechtsverkehr.«

Darüber mußte sie lächeln.

»Wollen Sie nicht mal die Bettdecke aufschlagen?«

»Sie sind doch ein großes Mädchen.«

Sie sah ihn ruhig an. »Sie können mit mir raufkommen, wenn Sie möchten. Ich hab’ das vor einer Stunde beschlossen.«

»Nein … aber Sie haben keine Ahnung, wie attraktiv diese Einladung für mich ist. Ich hab’ in meinem ganzen Leben nur mit drei Mädchen geschlafen, und bei zweien ist es so lange her, daß ich mich kaum noch daran erinnern kann. Das war noch vor meiner Ehe.«

»Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?«

»Ganz und gar nicht.«

»Hören Sie, es ist nicht, weil Sie mich mitgenommen haben oder mich hier übernachten lassen. Es ist auch nicht wegen des Geldes, das Sie mir angeboten haben.«

»Es ist nett von Ihnen, das zu sagen«, sagte er und stand auf. »Aber gehen Sie jetzt lieber nach oben.«

Sie blieb sitzen. »Sie sollten wissen, warum Sie es nicht tun.«

»Sollte ich das?«

»Ja. Wenn Sie etwas tun, was Sie sich nicht erklären können - so, wie Sie es vorhin geschildert haben -, mag das ganz in Ordnung sein, weil es sowieso geschehen würde. Aber bevor Sie sich entschließen, etwas nicht zu tun, sollten Sie wissen, warum.«

»Also gut«, willigte er ein und nickte zum Eßzimmer hinüber, wo das Geld immer noch auf der Kommode lag. »Es ist wegen des Geldes. Sie sind noch zu jung, um sich als Hure durchzuschlagen.«

»Ich werde es nicht nehmen«, antwortete sie prompt.

»Das weiß ich. Deshalb werde ich es auch nicht tun. Ich möchte, daß Sie das Geld nehmen.«

»Weil Sie dann netter sind als all die anderen Kerle?«

»Genau.« Er sah sie herausfordernd an.

Sie schüttelte ärgerlich den Kopf und stand auf. »Na gut.

Aber Sie sind ein Burgeois, ist Ihnen das klar?«

»Ja.«

Sie kam auf ihn zu und küßte ihn auf den Mund. Er roch ihren Duft, und der war sehr angenehm. Er hatte sofort eine Erektion.

»Gehen Sie,«

»Wenn Sie es sich heute nacht noch anders überlegen sollten …«

»Das werde ich nicht.« Er sah ihr nach, wie sie barfüßig die Treppe hinaufstieg. »He?«

Sie drehte sich noch mal um und zog die Augenbrauen in die Höhe.

»Wie heißen Sie?«

»Olivia, wenn’s gefällig ist. Ein dämlicher Name, nicht wahr? Wie Olivia de Havilland.«

»Nein, gar nicht. Ich finde ihn schön. Gute Nacht, Olivia.«

»Gute Nacht.«

Sie ging hinauf. Er hörte, wie sie das Licht einschaltete, genauso wie er es immer gehört hatte, wenn Mary vor ihm zu Bett gegangen war. Wenn er genau hinhörte, könnte er vielleicht sogar das erregende Knistern ihres Pullovers wahrnehmen, wenn sie ihn über den Kopf zog. Oder das Klicken ihrer Gürtelschnalle, die die Jeans über ihrer Hüfte zusammen-hielt …

Sein Penis richtete sich vollends auf, und das war unangenehm. Er wölbte sich gegen den Schritt seiner Hose. Mary hatte das manchmal den Stein vieler Zeitalter genannt. Oder die Schlange, die plötzlich zu Stein wird. Das war, als sie noch jung waren und das Bett für sie nichts als eine Spielwiese bedeutet hatte. Er fummelte an seiner Unterhose herum, aber als es dadurch nicht besser wurde, stand er auf.

Nach einer Weile ging die Erektion zurück, und er setzte sich wieder hin.

Als die Nachrichten vorbei waren, kam ein Spielfilm - John Agar in Brain from Planet Arous. Er schlief vor dem Fernseher ein, den Telecommander lose in einer Hand haltend. Kurze Zeit später rührte sich etwas hinter seiner Hosenklappe, und die Erektion kehrte zurück, heimlich, wie ein Mörder, der den Ort eines früheren Verbrechens wieder aufsucht.

7. Dezember 1973

Er ging in dieser Nacht doch zu ihr.

Er hatte wieder von Mr. Piazzis Hund geträumt und war diesmal sicher gewesen, daß der zutrauliche Junge, der den Hund streicheln wollte, Charlie war. Er wußte es noch bevor der Hund aufsprang, und das machte es noch schlimmer. Als die Bestie an Charlies Kehle hing, rappelte er sich aus dem Schlaf hoch wie ein Mann, der sich aus einer flachen, sandi-gen Grube freizuschaufeln versucht.

Halb schlafend, halb wach griff er mit den Händen ins Leere und verlor schließlich das Gleichgewicht auf der Couch, auf der er sich letztendlich doch zusammengerollt hatte. Einen Augenblick hing er hin- und herschwankend über der Kante, desorientiert und entsetzt über den Tod seines Sohnes, der in seinen Träumen immer wieder sterben mußte.

Dann fiel er, schlug mit dem Kopf auf und verletzte sich an der Schulter. Doch nun war er wach genug, um festzustellen, daß er sich in seinem Wohnzimmer befand und daß der Traum vorbei war. Die Realität war elendig, aber nicht so beängstigend.