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»Das hat mit meinem Buch nichts zu tun«, erwiderte Harry und legte es wieder unter den Ladentisch.

»Oder denken Sie nur an den neuen Autobahnanschluß, den sie drüben im Westend bauen. Kommt so ein hochnäsiger Landvermesser daher und beschließt: ›Hier wird gebaut‹, und die Regierung schickt einem dann jede Menge Briefe, in denen steht: ›Tut uns leid, wir werden die 784-Autobahn genau hierhin bauen. Sie müssen sich eine neue Bleibe suchen‹«

»Ja, es ist eine gottverdammte Schande.«

»Genau das ist es. Was hat das Wort ›Staatsdomäne‹ schon für eine Bedeutung für jemanden, der über zwanzig Jahre in dem verdammten Haus gelebt hat? Der dort seine Frau geliebt, seine Kinder großgezogen hat und von jeder Reise dorthin zurückgekehrt ist? Das ist doch bloß ein Begriff aus dem Gesetzbuch, das sie nur erfunden haben, um einen besser reinlegen zu können.«

Aufpassen, aufpassen! Die Sicherung war ein bißchen zu niedrig eingestellt, und jetzt war einiges durchgesickert.

»Ist alles in Ordnung?« fragte Harry besorgt.

»Ja. Ich habe ein paar von diesen fürchterlichen italienischen Sandwiches zum Lunch gegessen; ich werd’ einfach nicht klüger. Davon bekomme ich immer Blähungen.«

»Versuchen Sie mal eine von diesen«, sagte Harry und zog ein Tablettenröhrchen aus seiner Brusttasche. Auf dem Aufkleber stand:

ROLAIDS

»Danke.« Er nahm eine Tablette und steckte sie in den Mund.

Sie schmeckte ein bißchen nach Pfefferminz. Seht her, ich bin in einem Werbespot. Ich konsumiere siebenundvierzigmal mein eigenes Gewicht an Tabletten gegen überhöhte Magensäure.

»Bei mir wirken sie immer«, erklärte Harry gutmütig.

»Zu den Patronen …«

»Ja, klar. Wird ‘ne Woche dauern, höchstens zwei. Ich bestelle Ihnen siebzig Stück.«

»Sagen Sie, könnten Sie die Waffen hier für mich aufbewahren? Kleben Sie ein Schild mit meinem Namen drauf oder so. Ich bin wohl etwas überängstlich, aber ich hätte sie nicht gern bei mir zu Hause. Reichlich dumm, nicht wahr?«

»Jeder nach seinem Geschmack«, erwiderte Harry gleichmütig.

»Gut. Ich schreibe Ihnen meine Büronummer auf. Wenn die Kugeln da sind …«

»Patronen«, berichtigte Harry. »Patronen, nicht Kugeln.«

»Also gut, Patronen«, wiederholte er lächelnd. »Rufen Sie mich an, wenn sie da sind. Dann hole ich die Sachen ab und bereite alles vor, um sie zu verschicken. Mit der Post - das wird doch gehen, oder?«

»Selbstverständlich. Ihr Cousin wir nur den Empfang be-stätigen müssen. Das ist alles.«

Er schrieb seinen Namen auf eine der Geschäftskarten, die folgendermaßen bedruckt war:

Harold Swinnerton

849 – 6330

HARVEYS WAFFENGESCHÄFT

Munition                 Antike Waffen

»Sagen Sie mal, wenn Sie Harold sind, wer ist dann Harvey?« fragte er.

»Harvey war mein Bruder. Er ist vor acht Jahren gestorben.«

»Oh, das tut mir leid.«

»Es hat uns allen sehr leid getan. Er kam eines Tages hierher, öffnete den Laden, schloß die Kasse auf und fiel tot um. Herzschlag. Er war der netteste Kerl, den man sich denken kann. Er erledigte einen Rehbock über zweihundert Meilen Entfernung.«

Er langte über den Ladentisch, und sie schüttelten sich die Hände.

»Ich werde anrufen«, versprach Hany.

»Passen Sie gut auf sich auf.«

Er ging wieder in den Schnee hinaus, vorbei an UNSICHERER WAFFENSTILLSTAND HÄLT AN. Es schneite jetzt stärker, und er hatte seine Handschuhe zu Hause gelassen.

Was hast du eigentlich da drinnen gemacht, George?

Päng, die Sicherung sprang raus.

Als er die Bushaltestelle erreicht hatte, war der Vorfall nur noch eine Erinnerung an etwas, das er irgendwo irgendwann einmal gelesen hatte. Weiter nichts.

Die Crestallen Street war eine lange, kurvige Straße, die einen Hügel hinab führte. Früher hatte man von dort eine schöne Aussicht auf den Park und einen herrlichen Blick auf den Fluß gehabt, bis der Fortschritt in Form von Hochhäusern alles kaputtgemacht hatte. Vor zwei Jahren hatte man die Westfield Avenue regelrecht damit zugekleistert.

Nummer 1241 war ein kleines Farmhaus mit einem Zwischenstock und einer Garage für einen Wagen. Der große Vorgarten war jetzt kahl und wartete auf den Schnee - richtigen Schnee -, der ihn bald bedecken sollte. Die Auffahrt war im letzten Frühjahr frisch asphaltiert worden.

Er ging hinein und hörte schon an der Tür den Fernseher, ein neues Modell, das sie sich im letzten Sommer angeschafft hatten. Auf dem Dach befand sich eine automatische Antenne, die er selbst dort oben installiert hatte. Sie war auf Grund dessen, was nun bald passieren würde, dagegen gewesen, aber er hatte darauf bestanden. Wenn sie dort oben angebracht werden konnte, so hatte er argumentiert, konnte man sie ebensogut wieder abbauen, wenn sie dann umzögen. Bart, sei nicht dämlich. Das sind doch bloß Sonderausgaben … und für dich ist es eine überflüssige Arbeit. Aber er war stur geblieben, und schließlich hatte sie nachgegeben.

›Um ihn bei Laune zu halten.‹ Das sagte sie immer bei den seltenen Gelegenheiten, bei denen ihm eine Sache wichtig genug war, daß er ihr Lamento über sich ergehen ließ. »Diesmal gebe ich nach, Bart, um dich bei Laune zu halten.«

Im Augenblick lauschte sie Merv Griffin, der sich mit irgendeiner Berühmtheit unterhielt. Es war Lome Green, der sich über seine neue Polizeiserie Griff ausließ. Lome versicherte Merv, wieviel Spaß ihm diese neue Arbeit machte.

Bald würde eine schwarze Sängerin (nerviger Negersingsang, dachte er), von der noch nie jemand gehört hatte, auftreten und vermutlich »I left My Heart in San Francisco« singen.

»Hallo, Mary«, rief er.

»Hallo, Bart.«

Auf dem Tisch lag Post. Er blätterte sie durch. Ein Brief an Mary von ihrer leicht verrückten Schwester in Baltimore.

Eine Benzinrechnung - dreiundachtzig Dollar. Ein Kontoauszug: 49 Abhebungen, 9 Eingänge, Kontostand 954 Dollar und 47 Cents. Wie gut, daß er im Waffengeschäft mit seiner American-Express-Karte bezahlt hatte.

»Der Kaffee ist noch heiß«, rief Mary. »Oder möchtest du lieber einen Drink?«

»Einen Drink«, antwortete er. »Ich mach’ ihn mir selber.«

Drei weitere Postsachen: eine Mahnung von der Stadtbibliothek, Facing the Lions von Tom Wicker. Wicker hatte vor einem Monat bei einem Mittagessen im Rotary Club einen Vortrag gehalten. Es war die beste Rede gewesen, die sie seit Jahren gehört hatten.

Eine persönliche Notiz von Stephan Ordner. Ordner war einer der hohen Tiere im Management von Amroco, der Gesellschaft, der das Blue Ribbon jetzt so gut wie ganz gehörte.

Er lud ihn für Freitag abend ein, um das Waterford-Geschäft mit ihm zu besprechen - falls er nicht vorhabe, über Thanksgiving zu verreisen. Wenn dies der Fall sei, möge er bitte anrufen. Wenn er kommen könne, sollte er Mary mitbringen.

Carla freue sich immer, Mary zu sehen und mit ihr ein wenig zu plaudern und blah-blah, etc., etc.

Und wieder ein Brief von der Straßenbaubehörde.

Er stand lange da und betrachtete ihn im fahlen Abendlicht, das durch die Fenster fiel. Dann legte er die gesamte Post auf die Kommode. Er machte sich einen Scotch on the Rocks und ging damit ins Wohnzimmer.

Merv plauderte immer noch mit Lome. Die Farben auf ihrem neuen Zenith-Fernseher waren besser als gut; sie waren phantastisch. Wenn unsere Interkontinentalraketen so gut sind wie die Farben auf unserem Fernseher, wird es eines Tages einen riesigen Knall geben, dachte er. Lomes Haar schimmerte silbern, der unwahrscheinlichste Silberton, den man sich vorstellen konnte. Junge, eines Tages erwische ich dich mit einer Glatze, dachte er und schmunzelte. Das war ein Lieblingsspruch seiner Mutter gewesen. Er konnte selbst nicht sagen, warum ihm die Vorstellung eines glatzköpfigen Lome Greene so komisch vorkam. Vielleicht eine verspätete hysterische Reaktion auf die Episode im Waffengeschäft.