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»Ja. Zwei Andyburger. Ein Glas Milch für die Dame und für mich noch einen Doppelten.« Er warf Mary einen kurzen Blick zu, aber ihr Gesicht blieb gleichgültig. Das war schlecht.

Hätte sie protestiert, dann hätte er den zweiten Doppelten wohl sein lassen. Er hoffte, daß er nicht aufs Klo mußte, denn er war nicht sicher, ob er noch ohne zu schwanken gehen konnte. Das wäre natürlich ein gefundenes Fressen für die Alten zu Hause gewesen. Oh, bring mich nach Hause ins alte Virginia, dachte er und hätte fast gekichert.

»Nun, du bist noch nicht betrunken, aber du bist auf dem besten Wege dahin«, bemerkte sie, während sie ihre Serviette auseinanderfaltete.

»Das ist ein ziemlich guter Satz«, spottete er. »Hast du ihn geprobt?«

»Bart, laß uns nicht streiten.«

»Ist schon gut«, sagte er beschwichtigend.

Sie spielte mit ihrem Wasserglas, er mit seinem Pappuntersatz.

»Nun?« fragte sie schließlich.

»Was nun?«

»Du wolltest mir doch etwas sagen, als du angerufen hast.

Also, da du dir ja genug Mut angetrunken hast, was ist es?«

»Deine Erkältung ist besser geworden«, sagte er dämlich und bohrte ein Loch in den Untersatz, ohne daß er das eigentlich wollte. Er konnte ihr das, was ihn gerade am meisten beschäftigte, nicht sagen: wie sehr sie sich verändert hatte, wie gepflegt und - gefährlich sie auf einmal auf ihn wirkte, wie eine Sekretärin auf Männersuche, die extra spät zum Lunch gekommen war und von keinem Mann einen Drink akzeptieren würde, der nicht mindestens einen Vierhundert-Dollar-Anzug trug, was sie sofort am Schnitt erkennen konnte.

»Was wirst du jetzt tun, Bart?«

»Ich werde zu einem Psychiater gehen, wenn du willst«, antwortete er leise.

»Wann?«

»Bald.«

»Du kannst dir noch heute nachmittag einen Termin geben lassen, wenn du willst.«

»Ich kenne keinen Seelenklemp-ich kenne keinen.«

»Schau auf den Gelben Seiten nach.«

»Das scheint mir eine reichlich blöde Art zu sein, sich einen Seelenklempner zu suchen.«

Sie sah ihn nur an und blickte dann peinlich berührt zur Seite.

»Du bist böse auf mich, nicht wahr?« fragte sie.

»Na ja, ich habe zur Zeit keine Arbeit. Fünfzig Dollar pro Stunde sind für einen arbeitslosen Angestellten viel Geld.«

»Was glaubst du eigentlich, wovon ich jetzt lebe?« fragte sie wütend. »Von der Wohltätigkeit meiner Eltern. Und die leben, wie du weißt, von ihrer Rente.«

»Soweit ich informiert bin, besitzt dein Vater genug Vermögen in Wertpapieren, um euch alle drei noch bis ins nächste Jahrhundert hinein gut zu versorgen.«

»Bart, das stimmt nicht.« Sie klang schockiert und beleidigt.

»Ach Quatsch, das stimmt nicht. Sie sind letztes Jahr im Winter nach Jamaika gefahren und im Jahr davor nach Miami ins Hotel Fountainbleau, darunter ging gar nichts, und davor waren sie in Honolulu. Das schafft keiner bloß vom Altersgeld eines Ingenieurs. Also hör auf mit dem Verarmungs-wahn, Mary …«

»Bart, sei still! Du bist schon ganz grün vor Neid.«

»Ganz zu schweigen von ihren Cadillac Gran De Ville und ihrem Bonneville-Kombiwagen. Nicht schlecht. Mit welchem holen sie sich eigentlich ihre Lebensmittelmarken ab?«

»Sei still!« zischte sie ihn an. Ihre Lippen waren leicht zu-rückgezogen und gaben ihre kleinen, weißen Zähne preis, mit den Händen umklammerte sie die Tischkante.

»’tschuldigung«, flüsterte er.

»Da kommt das Essen.«

Ihre aufgebrachten Gemüter beruhigten sich etwas, während der Kellner ihnen die beiden Andyburger vorsetzte und das Gemüse, bestehend aus kleinen Erbsen und Silberzwiebeln, auf den Tisch stellte. Dann zog er sich diskret zurück.

Sie aßen eine Weile schweigend und konzentrierten sich darauf, nichts von der Sauce auf ihr Kinn oder in den Schoß kieckern zu lassen. Ich frage mich, wie viele Ehen so ein Andyburger wohl schon gerettet hat, dachte er. Einfach durch die glückliche Fügung, daß man nicht weiterreden konnte, wenn man sich mit ihm beschäftigte.

Sie legte ihren halb verzehrten Andyburger auf den Teller zurück, wischte sich den Mund mit der Serviette ab und sagte: »Schmeckt immer noch so gut, wie ich es in Erinnerung habe. Bart, hast du überhaupt einen vernünftigen Vorschlag zu machen, was wir jetzt tun können?«

»Natürlich habe ich das«, antwortete er verletzt. Aber er hatte keine Ahnung, wie dieser Vorschlag aussehen sollte.

Wenn er sich noch einen Doppelten hätte bestellen können, wäre ihm vielleicht etwas eingefallen.

»Willst du die Scheidung?«

»Nein.« Es schien einfach notwendig, etwas Positives zu sagen.

»Willst du, daß ich zu dir zurückkomme?«

»Willst du das denn?«

»Ich weiß es nicht«, antwortete sie. »Soll ich dir mal was sagen, Bart? Ich mache mir Sorgen um mich. Zum ersten Mal seit zwanzig Jahren habe ich Angst um mich selbst. Ich muß mich allein durchbringen.« Sie nahm den Andyburger in die Hand, um noch einen Bissen zu nehmen, legte ihn dann aber zurück. »Weißt du eigentlich, daß ich dich fast nicht geheiratet hätte? Ist dir dieser Gedanke eigentlich schon mal gekommen?«

Sein überraschtes Gesicht schien sie zu befriedigen.

»Das dachte ich mir doch. Ich war schwanger, also wollte ich dich natürlich heiraten. Aber irgend etwas in mir wollte es nicht. Es flüsterte mir immer wieder zu, daß das der größte Fehler in meinem Leben sein könnte. Ich habe drei Tage lang darüber nachgebrütet und mich jeden Morgen beim Aufwachen übergeben, und dafür habe ich dich gehaßt. Ich hab’ mir alle Möglichkeiten überlegt: abhauen, eine Abtreibung, das Baby bekommen und zur Adoption freigeben, das Baby bekommen und es allein großziehen. Aber schließlich habe ich mich entschieden, das einzig Vernünftige zu tun. Das Vernünftige!« Sie lachte traurig. »Und dann habe ich es verloren.«

»Ja, das hast du«, murmelte er und wünschte insgeheim, daß sie sich über andere Dinge unterhalten könnten. Es war so, als öffnete man einen lange verschlossenen Schrank und müßte sich durch all den darin verborgenen Unrat wühlen.

»Aber ich bin glücklich mit dir gewesen, Bart.«

»Warst du das?« fragte er automatisch. Am liebsten wäre er davongelaufen. Die Sache mußte schiefgehen. Für ihn allemal.

»Ja. In einer Ehe geschieht etwas mit einer Frau, was einem Mann nie passiert. Kannst du dich noch daran erinnern, wie es war, als du ein Kind warst und dir nie über deine Eltern Gedanken gemacht hast. Du hast einfach erwartet, daß sie für dich da sind, und sie waren immer da, genauso wie das Essen und die Kleidung.«

»Ich glaube schon. Klar.«

»Und ich dumme Kuh hab’ mich schwängern lassen. Und für drei Tage hat sich mir eine völlig neue Welt eröffnet.« Sie beugte sich mit glänzenden Augen vor, und er stellte erschrocken fest, daß diese Erinnerungen wichtig für sie waren.

Das hatte für sie mehr Bedeutung gehabt als die Zusammenkünfte mit ihren kinderlosen Freundinnen oder die Entscheidung, welche Hose sie sich bei Banberry’s kaufen sollte, oder die Frage, welche Gäste Merv Griffin wohl heute abend in seiner Sendung vorführen würde. Hatte sie wirklich zwanzig Jahre ihrer Ehe mit diesem einen, wichtigen Gedanken verbracht? Hatte sie das? Sie hatte ja fast so etwas gesagt. Oh, mein Gott. Ihm wurde auf einmal übel. In seiner Erinnerung gefiel ihm das Bild von dem fröhlichen Mädchen, das triumphierend auf der anderen Straßenseite mit der gefundenen Pfandflasche winkt, viel besser.

»Ich habe mich plötzlich als unabhängigen Menschen gesehen«, fuhr sie fort. »Ich brauchte niemandem mehr etwas zu erklären, mich niemandem mehr unterzuordnen. Niemand war mehr da, der versuchen würde, mich zu ändern, denn ich glaube, ich war sehr leicht zu beeinflussen. In der Hinsicht war ich schon immer schwach. Aber andererseits wäre dann auch niemand mehr dagewesen, auf den ich mich hätte verlassen können, wenn ich mal krank wäre oder Angst hätte oder wenn’s mir schlecht ginge. Also habe ich mich für das Vernünftige entschieden. Wie meine Mutter und ihre Mutter und alle meine Freundinnen. Ich hatte es langsam satt, Brautjungfer zu spielen und immer wieder zu versuchen, den Brautstrauß einzufangen. Also sagte ich ja, wie du es erwartet hast, und alles war in Ordnung. Ich hatte keine Sorgen mehr, und als das Baby dann starb und danach Charlie, warst du immer für mich da. Und du warst gut zu mir.