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Das weiß ich zu schätzen. Aber ich lebte in einer völlig abgeschlossenen Umgebung. Ich hörte auf zu denken. Ich glaubte zwar, daß ich nachdachte, aber das stimmte nicht. Und jetzt tut das Nachdenken weh. Es tut weh.« Sie sah ihn eine.Minute lang voller Ablehnung an, doch dann wurde ihr Gesicht weicher. »Ich bitte dich also, für mich mitzudenken, Bart. Was sollen wir jetzt tun?«

»Ich suche mir eine Arbeit«, log er.

»Eine Arbeit.«

»Und ich werde zu einem Psychiater gehen. Mary, es wird alles wieder gut, ehrlich. Ich war ein kleines bißchen aus der Bahn geworfen, aber jetzt ist es wieder gut. Ich werde …«

»Möchtest du, daß ich wieder zu dir nach Hause komme?«

»Klar, in ein paar Wochen. Ich muß mich nur noch ein bißchen fangen und dann …«

»Nach Hause? Wovon rede ich eigentlich? Sie reißen es ja bald ab. Was für ein Blödsinn - nach Hause!« Sie stöhnte auf.

»Oh, was für ein Durcheinander. Wie konntest du mich nur in so ein Durcheinander hineinziehen, Bart?«

Er konnte sie so nicht ertragen. Es war überhaupt nicht mehr die Mary, die er kannte. »Vielleicht reißen sie es ja gar nicht ab, Mary«, sagte er und langte über den Tisch, um ihre Hand zu nehmen. »Vielleicht ändern sie ihre Meinung doch noch, wenn ich zu ihnen gehe und die Sache noch mal durchspreche, wenn ich ihnen die Situation erkläre …«

Sie entriß ihm ihre Hand und starrte ihn entsetzt an.

»Bart«, flüsterte sie.

»Was ist?« fragte er unsicher. Was hatte er gesagt? Was konnte es, um Gottes willen, gewesen sein, daß sie auf einmal so furchtbar bleich aussah?

»Du weißt, daß sie das Haus abreißen werden. Du hast es schon sehr lange gewußt. Und jetzt sitzen wir hier und drehen uns immer wieder im Kreis, und …«

»Nein, das tun wir nicht«, widersprach er. »Ganz und gar nicht. Wir … wir …« Aber was taten sie dann? Ihm erschien plötzlich alles so unwirklich.

»Bart, ich glaube, ich gehe jetzt lieber.«

»Ich suche mir eine Arbeit …«

»Wir reden später miteinander.« Sie stand hastig auf und stieß mit der Hüfte gegen die Tischkante. Die Teller klirrten.

»Ich gehe zu einem Psychiater, Mary, ich verspreche dir …«

»Mama wollte, daß ich noch etwas für sie einkaufe …«

»Dann hau doch ab, du blöde Ziege!« brüllte er los. Mehrere Köpfe drehten sich nach ihnen um. »Sieh zu, daß du hier rauskommst, du Hexe! Du hast alles von mir gekriegt, und was bleibt nur jetzt? Ein Haus, das die Stadt bald abreißen wird. Verschwinde!«

Sie floh. Im Restaurant herrschte eine furchtbare Stille, die eine Ewigkeit zu dauern schien. Dann wurden die Gespräche vereinzelt wieder aufgenommen. Er blickte zitternd auf seinen halbverzehrten Andyburger hinab und fürchtete, daß er sich gleich übergeben würde. Als der Anfall vorbei war, bezahlte er und verließ das Lokal, ohne sich umzublicken.

12. Dezember 1973

Er hatte in der letzten Nacht (betrunken) eine Liste mit Weihnachtsgeschenken zusammengestellt, und jetzt war er mit einer rigide gekürzten Version in der Stadt, um seine Einkäufe zu erledigen. Die vollständige Liste war umwerfend gewesen - über einhundertundzwanzig Namen, wobei er an alle nahen und entfernten Verwandten von Mary und sich gedacht hatte, an alle gemeinsamen Freunde und Bekannten, und ganz unten hatte er noch - Gott erhalte den König - Steve Ordner mitsamt seiner Frau und seinem Dienstmädchen draufgesetzt.

Die meisten Namen hatte er wieder ausgestrichen und dabei irritiert über sich selbst gelacht. Jetzt schlenderte er langsam an den Schaufenstern voller Weihnachtsgeschenke vorbei, die alle im Namen eines vor langer Zeit verstorbenen deutschen Diebes verteilt werden sollten, der durch den Kamin in die Häuser geklettert war und den Leuten alles gestohlen hatte, was sie besaßen. Mit einer Hand streichelte er einen Packen von fünfhundert Dollar in Zehndollarscheinen in seiner Manteltasche.

Er lebte jetzt ganz von seinem Versicherungsgeld, und die ersten tausend Dollar waren mit erstaunlicher Geschwindigkeit ausgegeben. Er schätzte, daß das Geld, wenn er so weitermachte, höchstens bis Mitte März kommenden Jahres reichen würde, vermutlich nicht einmal so lange. Aber das bereitete ihm kein großes Kopfzerbrechen. Der Gedanke an den März und was er dann machen würde war ihm ebenso unverständlich wie Integralrechnungen.

Er betrat ein Juweliergeschäft und kaufte eine silberne An-stecknadel für Mary. Sie hatte die Form einer Eule, deren Augen aus kalt blinkenden Diamanten bestanden, und kostete ihn einhundertfünfzig Dollar plus Mehrwertsteuer. Die Verkäuferin gab sich überschwenglich. Sie sei sicher, daß seine Frau die Brosche lieben würde. Er lächelte ihr zu. Das waren mindestens drei Stunden bei Dr. Psycho, Freddy. Wie findest du das?

Freddy sprach wieder nicht mit ihm.

Er ging in ein großes Kaufhaus und fuhr mit dem Fahrstuhl zur Spielzeugabteüung hinauf, die von einer riesigen Anlage mit einer elektrischen Modelleisenbahn beherrscht wurde.

Grüne Plastikhügel, die von Tunneln durchzogen und mit Unter- und Überführungen, Plastikbahnhöfen, Signalen und Weichen gespickt waren, und durch das Ganze kämpfte sich eine kleine Lokomotive, die synthetische graue Rauchfäden aus dem Schornstein stieß und eine Unmenge von Güterwagen hinter sich herzog: B & O, SOO LINE, GREAT NORTHERN, GREAT WESTERN, WARNER BROTHERS (WARNER BROTHERS ??), DIAMOND INTERNATIONAL, SOUTHERN PACIFIC. Kleine Jungen standen mit ihren Vätern am Zaun, der die Anlage umgab, und er spürte plötzlich eine Welle von warmherziger Zuneigung für sie, die nicht von Neidgefühlen getrübt war. Er wäre am liebsten auf sie zugegangen, um seine Liebe und Dankbarkeit auszudrücken, die er sowohl für sie als auch für die schöne Vorweihnachtszeit empfand. Und er hätte sie gewarnt, daß sie bloß vorsichtig sein sollten.

Er schlenderte durch die Puppenabteilung und wählte jeweils eine Puppe für seine drei Nichten aus: Chatty Cathy für Tina, Maisie, die Akrobatin, für Cindy und eine Barbie-Puppe für Sylvia, die gerade elf geworden war. Danach kaufte er einen GI Joe für Bill und, nach einiger Überlegung, ein Schachspiel für Andy. Andy war jetzt zwölf und bereitete seinen Eltern in letzter Zeit ziemliche Sorgen. Die gute alte Bea aus Baltimore hatte Mary anvertraut, daß sie in letzter Zeit immer wieder nasse Flecken in Andys Bettwäsche entdeckte. War das möglich? So früh schon? Mary hatte ihr erklärt, daß die Kinder heutzutage immer frühreifer würden. Bea glaubte, daß es an der vielen Milch läge, die sie immer trinken würden, und natürlich an den Vitaminen, aber sie wünschte sich sehnlichst, daß Andy sich mehr für Sport interessieren würde oder fürs Sommerlager oder fürs Reiten oder was auch immer.

Mach dir nichts draus, Andy, dachte er und schob die Schachkassette unter seinen Arm. Ab jetzt übst du eben den Rösselsprung und Dame auf 6-A, und masturbierst dabei unterm Tisch, wenn du das Verlangen danach hast.

Vor der Spielzeugabteilung stand ein großer Thron für den Weihnachtsmann, aber er war leer. Auf dem leeren Sitz lag ein Schild: