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»Das ist aber ein verdammt großes Loch«, sagte der Mechaniker, als er mit zusammengekniffenen Augen das Spinnennetz betrachtete.

»Ein Kind mit einem Schneeball«, erklärte er. »Der Schneeball hatte einen Stein in der Mitte.«

»Ah, ja«, sagte der Mechaniker. »So, so.«

Als das neue Fenster eingesetzt war, fuhr er zum Waschsalon zurück, steckte seine Wäsche in den Trockner, den er auf mittlere Hitze einstellte, und warf dreißig Cents in den Schlitz. Dann setzte er sich hin und griff zu einer Zeitung, die gerade neben ihm lag. Außer ihm war nur noch eine müde ausgehende junge Frau mit einer Nickelbrille im Salon. Sie hatte hell gebleichte Strähnen in ihrem schönen rotbraunen Haar und eine kleine Tochter bei sich. Das Mädchen hatte offenbar einen Wutanfall. »Ich will meine Flasche.«

»Verdammt noch mal, Rachel …«

»FLASCHE!«

»Daddy wird dich verhauen, wenn wir nach Hause kommen«, versprach ihr die junge Mutter grimmig. »Und keine Geschichte vor dem Zubettgehen.«

»FLAAAAASCHE!«

Warum muß eine so hübsche Frau sich das Haar bleichen lassen, fragte er sich und schlug die Zeitung auf. Die Schlagzeile lautete:

KLEINER MENSCHENAUFLAUF IN BETHLEHEM

PILGER BEFÜRCHTEN HEILIGEN TERROR

Unten auf der Seite fiel ihm eine kleinere Schlagzeile ins Auge, und er las sie sorgfältig:

WINTERBURGER SAGT, VANDALISMUS WIRD IN ZUKUNFT NICHT MEHR TOLERIERT

(Eigener Bericht) Victor Winterburger, demokratischer Kandidat für die Nachfolge des kürzlich bei einem Autounfall ums Leben gekommene Donald P. Naish, erklärte gestern, daß solche Akte des Vandalismus, wie sich einer am frühen Mittwoch morgen an der 784-Baustelle im Westend zugetragen und einen Schaden von 100000 Dollar angerichtet hat, in Zukunft in einer zivilisierten amerikanischen Stadt« nicht mehr toleriert werden könnten. Winterburger hielt seine Rede bei einem Abendessen der American Legion und erhielt dafür eine stehende Ovation. 

»Wir haben ja gesehen, was in den anderen Städten passiert ist«, sagte Winterburger. »Die beschmierten Busse, U-Bahnwagen und Gebäude in New York. Eingeworfene Fensterscheiben und sinnlos zerstörte Schulen in Detroit und San Francisco. Die Zerstörung von öffentlichen Einrichtun-gen, Museen und Galerien. Wir dürfen nicht zulassen, daß das größte Land der Welt von Hunnen und Barbaren über-rannt wird.«

Die Polizei wurde in der Nacht zum Mittwoch zur Grand Street gerufen, als eine Serie von Explosionen …

(Fortsetzung Seite 5, Spalte 2)

Er faltete die Zeitung zusammen und legte sie auf einen Stapel von zerlesenen Zeitschriften. Die Waschmaschinen summten und summten, ein leises, einschläferndes Ge-räusch. Hunnen und Barbaren! Sie waren die Hunnen! Sie waren die Randalierer, die Zerstörer, die Verwüster, die die Leute aus ihren Häusern warfen und ihr Leben zerstörten, so wie ein kleiner Junge einen Ameisenhaufen achtlos mit den Füßen zertritt.

Die junge Frau zog ihre Tochter aus dem Waschsalon. Die Kleine brüllte immer noch nach ihrer Flasche. Er schloß die Augen und döste vor sich hin, während er seine Wäsche trocknete. Ein paar Minuten später fuhr er erschrocken hoch, weil er glaubte, eine Feuerglocke gehört zu haben. Aber es war nur ein Weihnachtsmann der Heilsarmee, der mit seiner Geldbüchse rasselte. Als er den Salon mit seinem vollen Wäschekorb verließ, warf er alles Kleingeld, das er in der Tasche finden konnte, in die Büchse.

»Gott segne Sie«, sagte der Weihnachtsmann.

25. Dezember 1973

Das Telefon weckte ihn am nächsten Morgen um zehn. Er fummelte nach dem Hörer auf dem Nachttisch und preßte ihn gegens Ohr. Die kristallklare Stimme der Telefonistin drang in seinen Schlaf ein: »Nehmen Sie ein R-Gespräch von Olivia Brenner an, Sir?«

Verwirrt stammelte er: »Wer? Was? Ich schlafe noch.«

Eine entfernte, leicht vertraute Stimme sagte: »Ach, verdammte Scheiße!« Und da fiel’s ihm wieder ein.

»Ja«, sagte er. »Ich nehme das Gespräch an.« Oder hatte sie schon aufgelegt? Er stützte sich auf den Ellenbogen, um es herauszufinden. »Olivia? Bist du noch da?«

»Gut, dann sprechen Sie«, sagte die Telefonistin, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen.

»Olivia? Bist du da?«

»Ja, ich bin hier.« Die Stimme klang brüchig und weit entfernt.

»Ich bin froh, daß du anrufst.«

»Ich dachte schon, du würdest den Anruf nicht annehmen.«

»Ich hab’ noch geschlafen. Bist du angekommen? In Las Vegas?«

»Ja«, antwortete sie tonlos. Das Wort hatte einen seltsamen unterdrückten Beiklang wie ein Brett, das auf einen Holzboden fiel.

»Und? Wie ist es? Wie geht es dir?«

Ihr Seufzer war so bitter, daß er fast wie ein trockenes Schluchzen klang. »Nicht so gut.«

»Nein?«

»Ich hab’ hier in der zweiten … nein, in der dritten Nacht, nachdem ich angekommen war, einen Kerl getroffen. Wir sind zusammen auf ‘ne Party gegangen, und … oooooh, das war sooo beschissen …«

»Drogen?« fragte er vorsichtig. Ihm war sehr bewußt, daß das hier ein Ferngespräch war und daß die Regierung ihre Ohren überall hatte.

»Drogen?« fragte sie ärgerlich zurück. »Natürlich waren es Drogen. Scheiße, ich war voll von dem Zeug und bin … ich glaube, ich bin vergewaltigt worden.«

Das klang so dramatisch, daß er verblüfft nachfragte:

»Was?«

»VERGEWALTIGT!« schrie sie so laut, daß der Hörer zitterte. »Das ist, wenn so ein dämlicher Kerl sich großtut und den Feierabendhippie spielt, der mal kurz seine Salami verstecken will, während du völlig aus dem Häuschen bist und dein Gehirn hinter dir die Wand runterrennt! Vergewaltigung, hast du überhaupt eine Ahnung, was das ist?«

»Ja, das weiß ich.«

»Einen Dreck weißt du.«

»Brauchst du Geld?«

»Warum fragst du mich ausgerechnet das? Ich kann dich nicht übers Telefon ficken. Ich kann dich nicht mal fernbedienen.«

»Ich hab’ etwas Geld übrig«, erklärte er. »Ich könnte es dir schicken, das ist alles. Das ist der einzige Grund.« Instinktiv sprach er ganz leise, nicht beruhigend, aber leise, damit sie sich konzentrieren und zuhören mußte.

»Ja, ja.«

»Hast du eine Adresse?«

»Postlagernd, das ist meine Adresse.«

»Hast du denn keine Wohnung?«

»Doch, doch. Ich hab’ zusammen mit einer anderen traurigen Schachtel ein Zimmer gefunden. Die Briefkästen sind alle kaputt. Vergiß es und behalt dein Geld. Ich hab’ hier einen Job. Scheiße, ich glaub’, ich werd’ ihn kündigen und zu-rückkommen. Fröhliche Weihnachten für mich.«

»Was ist das für ein Job?«

»Ich verkaufe Hamburger in einem Schnellimbiß. Die haben da ein paar Spielautomaten in der Halle stehen, und die Leute spielen die ganze Nacht daran und fressen ihre Hamburger. Kannst du dir das vorstellen? Das letzte, was wir tun müssen, bevor der Laden schließt, ist, sämtliche Automaten abzuwischen. Sie sind voller Senf und Mayonnaise und Ketchup. Du solltest die Leute hier unten mal sehen! Sie sind alle fett und haben einen Sonnenbrand. Und wenn sie dich nicht gerade ficken wollen, betrachten sie dich als ein Möbelstück. Ich hab’ schon von beiden Geschlechtern Angebote bekommen. Gott sei Dank, ist meine Zimmergenossin so sexy wie ein Wacholderstrauch. Ich … ach Scheiße, warum erzähl’ ich dir das alles? Ich weiß nicht mal, warum ich dich eigentlich angerufen habe. Am Wochenende mach’ ich hier die Fliege, wenn sie mich ausbezahlt haben.«

Er hörte sich selbst sagen: »Laß dir noch einen Monat Zeit.«

»Was?«

»Laß dich nicht ins Bockshorn jagen. Wenn du so schnell aufgibst, wirst du nie wissen, warum du dorthin gegangen bist.«