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»Hast du in der Highschool Football gespielt? Ich wette, du hast.«

»Ich war nicht mal der Wasserträger.«

»Woher weißt du dann so gut übers Leben Bescheid, ha?«

»Ich denke daran, mich umzubringen.«

»Du hast ja nicht mal … was hast du gesagt?«

»Ich spiele mit dem Gedanken, mich umzubringen.« Er sagte es ganz ruhig. Er dachte nicht mehr daran, daß dies ein Ferngespräch war und daß es Leute gab, die das Gespräch aus Spaß, oder Gott weiß warum, abhören konnten - die Telefongesellschaft, das Weiße Haus, die CIA oder das FBI. »Ich hab’ es immer wieder versucht, aber mir ist nichts geglückt. Ich glaube, ich bin schon zu alt, um die Dinge wieder in Ordnung zu bringen. Vor ein paar Jahren ist etwas in meinem Leben schiefgegangen, und ich wußte, daß es sehr schlimm war, aber ich wußte nicht, daß es für mich so schlimm werden würde. Ich dachte, daß es eben passiert sei und daß ich darüber hinwegkommen würde. Aber jetzt fällt ständig etwas in mir zusammen. Es macht mich ganz krank. Ich mache ständig Unsinn.«

»Hast du Krebs?« flüsterte sie.

»Ich glaube ja.«

»Dann geh ins Krankenhaus und laß …«

»Es handelt sich um Seelenkrebs.«

»Mann, du bist auf einem miesen Egotrip.«

»Kann schon sein«, sagte er. »Aber ist das so wichtig? Die Dinge sind so oder so schon entschieden und werden genauso laufen, wie sie wollen. Nur eins ärgert mich manchmal. Von Zeit zu Zeit habe ich das Gefühl, ich wäre die Hauptperson in einem Roman von einem schlechten Schriftsteller. Der hat schon längst beschlossen, wie mein Leben ausgehen wird und warum. Es ist einfacher, sich die Dinge so zu erklären, als Gott dafür die Schuld zu geben - wann hätte der auch je etwas für mich getan? Weder Gutes noch Schlechtes. Nein, nein, es ist dieser schlechte Schriftsteller, der hat an allem schuld. Er hat meinen Sohn getötet, indem er ihm einen Gehirntumor angedichtet hat. Das war das erste Kapitel.

Und kurz vor dem Epilog kommt das Kapiteclass="underline" Selbstmord oder kein Selbstmord. Es ist eine miese Geschichte.«

»Hör mal«, sagte sie unangenehm berührt, »wenn es in eurer Stadt eine Telefonseelsorge gibt, dann solltest du vielleicht mal dort anrufen …«

»Ich glaube kaum, daß die mir helfen können«, erwiderte er. »Aber das ist auch nicht so schlimm. Ich möchte dir helfen. Verdammt noch mal, sieh dich doch erst mal richtig um, bevor du dich unterkriegen läßt. Hör mit den Drogen auf, wie du es dir vorgenommen hattest. Wenn du dich das nächste Mal umsiehst, bist du vielleicht schon vierzig, und die meisten Chancen sind vertan.«

»Nein, ich halt’ es hier nicht aus. An einem anderen Ort …«

»Es wird an jedem Ort dasselbe sein, wenn du deine Einstellung nicht änderst. Es gibt keine magischen Orte, an denen du dir den Kopf zurechtsetzen lassen kannst. Wenn du dich beschissen fühlst, ist alles, was du siehst, ebenfalls Scheiße. Ich kenne das. Alles, was ich lese, die Schlagzeilen oder sogar nur ein Straßenschild, sagt mir: Du hast recht, George, zieh den Stecker raus. Das hier ist alles zuviel für dich.«

»Hör mal …«

»Nein, jetzt hörst du mir zu. Wisch dir die Ohren sauber.

Altwerden ist wie durch Schnee zu fahren, der immer tiefer und tiefer wird. Wenn er erst mal über die Radkappen reicht, drehen die Räder durch. Du kannst machen, was du willst, du kommst nicht von der Stelle. So ist das Leben. Es gibt keine Schneepflüge, die dich wieder ausgraben. Dein Schiff wird niemals in einen Hafen einlaufen, Mädchen. Es gibt keine Lotsen, für niemanden. Und es gibt auch keine Kamera, die deinen Kampf für die Nachwelt aufzeichnet. Das ist alles! Alles! Mehr gibt es nicht!«

»Du hast keine Ahnung, wie es hier aussieht!« Sie weinte.

»Nein, aber ich weiß, wie es hier aussieht.«

»Du bist nicht für mein Leben verantwortlich.«

»Ich werde dir fünfhundert Dollar schicken - Olivia Brenner, postlagernd, Las Vegas.«

»Ich werde nicht mehr dasein. Sie werden sie zurückschicken.«

»Das können sie nicht. Ich werde keinen Absender angeben.«

»Dann wirf es lieber gleich weg.«

»Nimm’s und such dir damit eine bessere Arbeit.«

»Nein.«

»Dann benutz es als Toilettenpapier«, sagte er kurz angebunden und legte auf. Seine Hände zitterten.

Fünf Minuten später klingelte das Telefon wieder. Die Telefonistin fragte: »Nehmen Sie ein R-Gespräch …«

Er sagte: »Nein«, und legte wieder auf.

Das Telefon klingelte an dem Tag noch zweimal, aber es war beide Male nicht Olivia.

Gegen zwei Uhr rief Mary ihn aus Bobby und Janet Prestons Wohnung an. Bob und Janet erinnerten ihn immer an Fred und Wilma Feuerstein. Wie es ihm ginge. Gut. Eine Lüge.

Was er zum Abendessen vorhabe. Er würde ins Alte Zollhaus gehen und dort einen Truthahn mit allen Zutaten verspeisen.

Eine Lüge. Ob er nicht statt dessen rüberkommen und mit ihnen essen wolle? Janet hätte eine Menge Reste, die sie gerne loswerden wolle. Nein, im Augenblick sei er wirklich nicht hungrig. Die Wahrheit. Er hatte schon ziemlich geladen und sagte ihr aus einer spontanen Laune heraus, daß er zu Wally Hamners Party kommen wolle. Sie klang sehr erfreut. Ob er wüßte, daß sie die Getränke selbst mitbringen sollten? Wann hätte Hamner je eine Party geschmissen, bei der es nicht so wäre? war seine Antwort, und sie lachten beide darüber.

Dann legten sie auf, und er setzte sich mit einem Drink vor den Fernseher.

Um halb sieben klingelte das Telefon nochmals, und jetzt war er stinkbesoffen.

»-lo?«

»Dawes?«

»Hiersdawes, wersda?«

»Magliore, Dawes. Sal Magliore.«

Er blinzelte und spähte in sein Glas. Dann guckte er auf den Farbfernseher, der gerade einen Film mit dem Titel Home for the Holidays brachte. Es ging um eine Familie, die sich am Heiligen Abend im Haus ihres sterbenden Patriarchen versammelt hatte und nach und nach von einem Mörder umgebracht wurde. Sehr weihnachtlich.

»Mr. Magliore«, artikulierte er sorgfältig. »Frohe Weihnachten, Sir! Und ein besonders gutes neues Jahr!«

»Wenn Sie wüßten, wie sehr mir 1974 schon jetzt zum Hals raushängt«, jammerte Magliore. »Das wird das Jahr, in dem die Ölbarone die Macht ergreifen werden, Dawes. Sie werden es sehen. Wenn Sie mir nicht glauben, sollten Sie sich mal meine Einnahmen vom Dezember ansehen. Ich hab’ neulich einen Chevy Impala verkauft. Der Wagen war blitz-sauber. Und wissen Sie, was ich dafür gekriegt habe? Tausend Dollarf Können Sie sich das vorstellen? Das sind fünfundvierzig Prozent Verlust in nur einem Jahr! Aber ich kann alle ‘71-Vegas, die ich in die Hände kriege, für fünfzehn, sechzehnhundert Dollar loswerden. Nun frage ich Sie, was sind das für Autos?«

»Sie sind sehr klein?« fragte er vorsichtig.

»Das sind verdammte Maxwell-House-Kaffeekannen!« rief Magliore aufgeregt. »Keksschachteln auf Rädern! Man braucht sie bloß mit schiefen Augen anzusehen und kurz zu husten, schon fällt der Motor raus oder der Auspuff runter oder das Lenkrad bricht ab. Pintos, Vegas, Gremlins, es ist alles dasselbe. Kleine Selbstmordkisten. Die kann ich so schnell verkaufen, wie ich sie reinkriege, aber so ein gutes, sauberes Auto wie einen Chevy Impala, den muß ich verschenken, um nicht darauf sitzenzubleiben. Und Sie wünschen mir ein gutes, neues Jahr! Jesus, Maria und Joseph, der Zimmermann!«

»Das paßt gut zur Jahreszeit«, kicherte er.

»Es ist sowieso nicht der Grund, warum ich angerufen habe«, fuhr Magliore fort. »Ich wollte ihnen gratulieren.«

»Gratuwas?« Er war ehrlich verdutzt.

»Sie wissen schon. Krach-Krach-Bumm-Bumm.«

»Oh, Sie meinen …«