»Mr. Dawes, auf dieser Basis können wir keine Geschäfte machen …«
»Vielleicht dürfen Sie das nicht, aber Sie können es. Sie dürfen ja schließlich auch keine Wanzen in mein Telefon einbauen, und Gott weiß was noch alles. Kein Scheck, kein Formular. Dann gehe ich statt dessen zu meinem Rechtsanwalt.«
Fenner schwieg. Er konnte ihn beinahe denken hören.
»Also gut. Was noch?«
»Nach Mittwoch möchte ich von Ihnen nicht mehr belästigt werden. Ab dem zwanzigsten gehört das Haus Ihnen. Bis dahin bleibt es meins.«
»Gut«, sagte Fenner sofort, denn das war natürlich überhaupt keine Bedingung. Nach dem Gesetz blieb das Haus bis Mitternacht des neunzehnten in seinem Besitz, eine Minute später ging es unweigerlich in die Hände der Stadt über.
Wenn er das Formular unterzeichnet und die Entschädigung der Stadt einkassiert hatte, konnte er sich die Lunge rausbrüllen, keine Zeitung und kein Nachrichtensender würde auch nur einen Funken von Mitleid für ihn aufbringen.
»Das ist alles.«
»Sehr schön«, sagte Fenner, der jetzt ausgesprochen fröhlich klang. »Ich bin froh, daß wir die Angelegenheit endlich auf eine vernünftige Weise regeln konnten, Mr. …«
»Leck mich«, sagte er und legte auf.
8. Januar 1974
ET war nicht zu Hause, als der Kurier den dicken braunen Umschlag mit dem 6983-73-74-Formular (blauer Aktenordner) durch seinen Brief schlitz warf .Er war in den finstersten Teil von Norton hinausgefahren, um mit Sal Magliore zu reden. Magliore war nicht gerade erfreut, ihn zu sehen, aber während er sprach, wurde er immer nachdenklicher.
Das Mittagessen wurde hereingebracht - Spaghetti, Fleischsauce, eine Flasche Rotwein. Ein wundervolles Mahl.
Als er zu dem Punkt mit den fünftausend Dollar Bestechung, und Fenners Information über Olivia kam, hob Magliore eine Hand. Er griff zum Telefonhörer und sprach kurz mit einem Mann am anderen Ende. Er gab ihm die Adresse der Crestallen Street West durch. »Nehmt den Lastwagen«, sagte er dann noch und legte wieder auf. Er wickelte noch mehr Spaghetti um seine Gabel und nickte ihm zu, damit er mit der Geschichte fortfahre.
Als er zu Ende erzählt hatte, sagte Magliore: »Haben Sie ein Glück, daß man Sie nicht beschattet hat. Sie säßen sonst schon längst im Knast.«
Er war so satt, daß er beinahe platzte; er konnte keinen Bissen mehr runterbringen. Seit fünf Jahren hatte er nicht mehr so gut gegessen. Das sagte er Magliore mit einem Kompliment. Magliore lächelte.
»Einige meiner Freunde essen keine Pasta mehr. Sie müssen ihr Image pflegen. Also essen sie jetzt nur noch in den Steakhäusern, französischen Restaurants, schwedischen Lokalen, oder was weiß ich. Und was haben sie davon? Magenschmerzen. Und warum das? Weil ein Mann nichts anderes sein kann, als er ist.« Er goß die Spaghettisauce aus dem fettigen Karton, in dem das Essen geliefert worden war, auf seinen Teller und wischte sie mit dem Knoblauchbrot auf. Dann hielt er inne und blickte ihn mit seinen eigenartig vergrößerten Augen über den Tisch hinweg an. »Sie bitten mich, Ihnen dabei zu helfen, eine Todsünde zu begehen«, sagte er ernst.
Er starrte ihn verdutzt an, unfähig, seine Überraschung zu verbergen.
Magliore lachte verärgert. »Ich weiß, was Sie denken. Ein Gauner wie ich dürfte eigentlich nicht über Sünde reden. Ich hab’ Ihnen ja erzählt, daß ich einen Kerl umgebracht habe.
Mehr als einen, wenn man’s genau nimmt. Aber ich habe nie einen Menschen getötet, der es nicht verdient hätte. Ich sehe das so: Ein Kerl, der stirbt, bevor Gott es für ihn vorgesehen hatte, erlebt so etwas wie ein Fußballspiel, das wegen Regen abgebrochen wird. Die Sünden, die er begangen hat, zählen nicht. Gott muß ihn einfach zu sich ins Paradies lassen, denn der Kerl hatte ja gar nicht mehr die Zeit zu bereuen, so wie Er es für ihn geplant hatte. Wenn ich also einen umbringe, erspare ich ihm dadurch die Qualen der Hölle. Auf diese Art tue ich sogar mehr für ihn, als der Papst selbst es je tun könnte. Ich glaube, daß Gott das weiß. Aber das ist nicht meine Sache. Ich kann Sie gut leiden. Sie haben Mut. Für dieses Ding mit den Benzinbomben haben Sie eine Menge Mut gebraucht. Aber das hier, hmm, das ist etwas völlig anderes.«
»Ich bitte Sie ja nicht darum, irgend etwas zu tun. Es geschieht aus meinem eigenen, freien Willen.«
Magliore verdrehte die Augen. »Jesus! Maria! Und Joseph, der Zimmermann! Warum können Sie mich eigentlich nicht in Ruhe lassen?«
»Weil Sie das haben, was ich brauche.«
»Ich wünschte bei Gott, ich hätte es nicht.«
»Werden Sie mir helfen?«
»Ich weiß es nicht.«
»Ich hab’ jetzt das Geld. Das heißt, ich werde es bald haben.«
»Es geht hier nicht ums Geld. Es geht ums Prinzip. Ich habe noch nie mit so einem Spinner wie Sie Geschäfte gemacht. Ich muß erst mal darüber nachdenken. Ich werde Sie anrufen.«
Er sah ein, daß es keinen Sinn hatte, ihn weiter zu bedrängen, und ging.
Magliores Männer kamen, als er gerade das Formular ausfüllte. Sie fuhren in dem weißen Lastwagen eines Fernsehgeschäftes vor. RAY’S FERNSEHGESCHÄFT UND REPARATUREN stand auf der Seite unter einem aufgemalten, tanzenden Fernseher mit einem lächelnden Gesicht als Bildschirm.
Zwei Männer in grünen Arbeitsanzügen stiegen aus. Sie hatten beide einen großen, bauchigen Werkzeugkoffer in der Hand, der die gesamte Ausrüstung zur Fernsehreparatur und noch einige andere Werkzeuge enthielt. Sie sollten sein Haus ›reinigen‹. Es dauerte eine halbe Stunde. Sie fanden zwei Wanzen in seinem Telefon, eine im Schlafzimmeranschluß, die andere im Apparat, der im Eßzimmer stand. Gott sei Dank, keine in der Garage, was ihn außerordentlich erleichterte.
»Diese Scheißkerle«, sagte er, als er die Wanzen in der Hand hielt. Er ließ sie auf den Boden fallen und zertrat sie mit seinem Schuhabsatz.
Auf dem Weg nach draußen sagte einer der Mechaniker nicht ohne Anerkennung: »Donnerwetter, den Fernseher haben Sie aber ganz schön kleingekriegt. Wieoft mußten Sie da zuschlagen?«
»Nur einmal«, antwortete er.
Als sie in der kühlen Abendsonne davongefahren waren, fegte er die Wanzen auf eine Schaufel und warf ihre zertretenen, blinkenden Überreste in den Abfalleimer. Dann mixte er sich einen Drink.
9. Januar 1974
Nachmittags um halb drei befanden sich nur wenige Kunden in der Bank, und er ging mit seinem Barscheck von der Stadt direkt auf einen der in der Mitte stehenden Tische zu. Dort zog er hinten aus seinem Scheckbuch einen Einzahlungsschein heraus und füllte ihn auf die Summe von $ 34250 aus.
Dann ging er zu einem der Kassenschalter und legte dort den Einzahlungsschein und den Barscheck vor.
Die Kassiererin war ein junges Mädchen mit schwarzen Haaren in einem sündhaft kurzen, roten Kleid. Ihre langen, in glatten Nylonstrümpfen steckenden Beine hätten selbst den Papst umgeworfen. Sie blickte mit gerunzelter Stirn abwechselnd auf ihn und auf den Scheck.
»Stimmt etwas mit dem Scheck nicht?« fragte er freundlich. Er mußte zugeben, daß er die Situation genoß.
»Nnnein … Sie wollen also $ 34250 einzahlen und $ 34250 in bar? Ist das so richtig?«
Er nickte.
»Einen Augenblick bitte, Sir.«
Er nickte lächelnd und ließ seinen Blick auf ihren Beinen ruhen, während sie zum Schreibtisch des Zweigstellenleiters hinüberging, der sich hinter einer Holzbarriere befand. Allerdings stand er nicht in einem Glaskäfig - als sollte damit angedeutet werden, daß auch der Chef ein Mensch wie du und ich ist … oder jedenfalls beinahe. Der Zweigstellenleiter war ein Mann mittleren Alters, der sich aber jünger kleidete. Sein Gesicht wirkte verhärmt und verklemmt, und als er zu der Kassiererin in ihrem roten Minikleid aufblickte, zog er eine Augenbraue in die Höhe.