Dann blieb alles stehen.
20. Januar 1974, Stillstand
also fred ich glaube jetzt ist’s soweit jetzt wird geschossen oder das maul gehalten ja ich weiß in gewisser weise ist es schon zu spät das maul zu halten schließlich habe ich das ganze haus mit Sprengstoff verziert wie mit einer geburtstagsdekoration habe ein gewehr in meiner hand und eine pistole im gürtel stecken ich komme mir vor wie john dillinger verdammt noch mal was sagst du denn dazu das ist meine letzte entscheidung als ob ich immer höher auf einen bäum klettere erst diese astgabel besteige dann die nächste und noch eine und noch eine (die männer draußen wie auf einer fotografie erstarrt ein paar Sekunden stillstand fenner in einem grünen anzug circa fünfzig Zentimeter vom bordstein entfernt gute schuhe in modische niedrige gamaschen eingehüllt wenn es so etwas wie modische gamaschen überhaupt gibt sein grüner mantel aufgeknöpft er sieht aus wie ein rechtsanwalt auf kreuzzug in einer fernsehserie sein köpf ist leicht nach hinten gedreht und zu dem mann hinuntergeneigt der hinter ihm steht der mann hat offenbar was gesagt und er hat den köpf geneigt um ihn besser zu verstehen der mann hat eine weiße wölke vor dem mund er trägt einen blauen blazer und eine dunkelbraune hose und sein mantel flattert ebenfalls offen im wind ein mantelschoß ist genau mitten im flattern festgehalten der dritte mann wendet sich gerade vom wagen weg und die bullen lehnen gegen die schwarzweiße motorhaube die köpfe einander zugewandt und unterhalten sich über alles mögliche ihre ehen oder einen zähen kriminalfall oder die miese saison die die mustangs dieses jähr hatten oder die Verfassung ihrer geschlechtsteile und da bricht genau über ihren köpfen die sonne durch die grauen wölken und ein strahl trifft auf eine einzige patrone in dem gürtel der zur ausrüstung des einen polizisten gehört eine kleine patrone die in einer der vielen kleinen lederlaschen in diesem gürtel steckt und der andere bulle trägt eine Sonnenbrille und die sonne spiegelt sich genau im rechten brillenglas er hat dicke sinnliehe lippen die genau in dem moment festgehalten sind als sie zu lächern beginnen: soweit die fotografie) ich fange jetzt an freddy mein junge gibt es noch etwas das du mir zu diesem feierlichen anlaß gerne sagen würdest an diesem punkt an dem die dinge so weit fortgeschritten sind ja sagt fred du wirst so lange durchhalten bis die nachrichtenreporter eingetroffen sind nicht wahr darauf kannst du gift nehmen sagt george ich weiß daß die worte und die aufnahmen und die filme nur zur veranschaulichung dienen aber ist dir schon aufgefallen fred wie einsam es hier ist in der Stadt und in der ganzen weit essen und scheißen die leute jetzt sie ficken sich und kratzen sich ihre ekzeme auf und tun all die dinge über die dann bücher geschrieben werden während wir das hier ganz allein erledigen müssen ja daran habe ich schon gedacht george und wenn du dich erinnerst habe ich auch schon versucht dich davor zu warnen aber wenn es dich tröstet kommt mir die sache jetzt genau richtig vor im augenblick scheint dies das wahre zu sein denn wenn du dich nicht mehr bewegen kannst kannst du ihnen ihre baustelle ruhig lassen aber bitte george bring niemanden um nein nein nicht mit absieht fred aber du verstehst wenigstens die läge in der ich mich befinde ja ich begreife und ich verstehe es aber george ich habe verdammt schiß ich habe solche angst hab keine angst fred ich werde die sache jetzt in die hand nehmen und ich habe mich völlig unter kontrolle es geht los
20. Januar 1974
»Es geht los«, sagte er laut, und die Dinge gerieten wieder in Bewegung.
Er stemmte das Gewehr gegen die Schulter, zielte auf den rechten Vorderreifen des Polizeiwagens und drückte ab.
Der Kolben schmetterte mit voller Wucht gegen seine Schulter und die Mündung sprang nach oben, nachdem die Kugel abgefeuert war. Das große Wohnzimmerfenster zersplitterte. Im Rahmen blieben nur einzelne Zacken wie impressionistische Glaspfeile hängen. Der Vorderreifen wurde nicht einfach flach; er explodierte mit einem lauten Knall.
Der ganze Wagen zitterte wie ein Hund, den man im Schlaf getreten hat. Die Radkappe flog durch die Luft und kollerte dann ziellos über den gefrorenen Asphalt der Crestallen Street.
Fenner blieb wie angewurzelt stehen und starrte zum Haus hinüber. Auf seinem Gesicht spiegelte sich das blanke Entsetzen wider. Der Mann im blauen Blazer ließ seine Aktentasche fallen. Der dritte Typ schien bessere Reflexe zu haben - vielleicht war sein Selbsterhaltungstrieb besser entwickelt. Er machte auf dem Absatz kehrt, rannte geduckt hinter den grünen Sedan und verschwand aus dem Blickfeld.
Die beiden Bullen rannten links und rechts um ihren Wagen herum. Wenige Augenblicke später tauchte der mit der Sonnenbrille hinter der Motorhaube auf, den Revolver in beiden Händen, und schoß dreimal in seine Richtung. Im Vergleich zu dem massiven Knall der Weatherbee gab die Waffe nur ein harmloses Geknatter von sich. Er ließ sich hinter seinen Sessel fallen und hörte die Kugeln über seinen Kopf hinwegpfeifen - man konnte sie tatsächlich hören, wie sie mit einem Ssssssitt durch die Luft zischten. Sie schlugen über dem Sofa in die Wand ein. Das Geräusch erinnerte ihn an Faustschläge, die auf den schweren Ledersack im Boxerstudio treffen. Und er dachte: Genauso hört es sich wahrscheinlich an, wenn sie mich treffen.
Der Bulle mit der Sonnenbrille schrie Fenner und den anderen Typen an: »Geht in Deckung, verdammt noch mal!
Geht in Deckung! Der Kerl hat eine gottverdammte Haubitze da drinnen!«
Er hob seinen Kopf ein wenig über den Sessel, um besser sehen zu können, aber der Bulle hatte ihn gleich entdeckt und feuerte zweimal auf ihn los. Die Kugeln donnerten in die Wand. Eine traf Marys Lieblingsbild, ›Hummerfischer‹ von Winslow Homer. Es fiel von der Wand, landete auf der Couch und rutschte auf den Fußboden. Das Glas zersplitterte.
Er hob wieder den Kopf; er mußte ja sehen, was da draußen vor sich ging (warum hatte er nicht daran gedacht, sich ein Kinderperiskop zu besorgen?). Er mußte feststellen, ob - sie versuchten, um das Haus herumzuschleichen. Auf die Art nahmen Richard Widmark und Martin Milner - jedenfalls in den Spätfilmen - die kleinen japanischen Schachtelhäuser ein. Und wenn sie es versuchten, dann mußte er einen der Bullen anschießen. Aber die beiden befanden sich immer noch hinter ihrem Straßenkreuzer. Fenner und der andere Typ waren jetzt hinter den grünen Sedan gekrochen. Der Aktenkoffer des Mannes im blauen Blazer lag wie ein kleines totes Tier auf dem Bürgersteig. Er visierte ihn an, zuckte in Erwartung des Rückstoßes schon vorher zusammen und schoß.
KRRRACHH! Der Aktenkoffer zersprang in zwei Teile, wirbelte hoch in die Luft und entließ einen Stoß Papiere in den Wind, der sie mit einem unsichtbaren Finger durchblätterte.
Er schoß gleich noch mal, diesmal auf den rechten Vorderreifen des Sedan, der sofort explodierte. Hinter dem Wagen schrie einer der Männer in hohen, entsetzten Tönen auf.
Er blickte zum Polizeiwagen hinüber und entdeckte, daß die Fahrertür halb offenstand. Der Bulle mit der Sonnenbrille lehnte sich halb liegend auf den Vordersitz und bediente seine Funksprechanlage. Bald würden alle Partygäste hier eintreffen. Sie würden ihn auseinandernehmen, ein kleines Stückchen für jeden, der eins wollte, und die ganze Angelegenheit war dann nicht mehr seine persönliche Sache. Er empfand eine bittere Erleichterung. Egal, aus welchen Gründen er es getan hatte, welche krankhafte Trauer ihn hierher, auf den höchsten Ast.dieses hohen Baumes getrieben hatte, jetzt war er nicht mehr allein. Jetzt war er nicht mehr der einsame Mann, der mit sich selbst sprach und insgeheim weinte. Er hatte sich selbst entlarvt und sich dem großen Strom der Wahnsinnigen angeschlossen. Bald konnten sie ihn und seine Handlungen auf eine ungefährliche Schlagzeile reduzieren - UNSICHERER WAFFENSTILLSTAND IN DER CRESTALLEN STREET HÄLT AN.