Er legte das Gewehr hin und kroch auf Händen und Füßen über den Wohnzimmerboden, wobei er darauf achtete, sich nicht an den Glassplittern des Bilderrahmens zu verletzen. Er holte sich ein kleines Kissen von der Couch und kroch zum Fenster zurück. Der Bulle war nicht mehr im Wagen.
Er hob die Magnum auf und feuerte zwei Schüsse über die Straße. Die Pistole bockte heftig in seinen Händen, aber der Rückstoß war erträglich. Seine Schulter pochte wie ein kranker Zahn.
Einer der beiden Bullen, diesmal der ohne Sonnenbrille, tauchte hinter dem Kofferraum des Straßenkreuzers auf, um sein Feuer zu erwidern, aber er zielte zweimal auf die Rück-scheibe, die zu einem verzerrten Spinnennetz von Splissen zersplitterte und dann nach innen fiel. Der Bulle duckte sich wieder, ohne einen Schuß abgefeuert zu haben.
»Hört auf damit!« brüllte Fenner. »Laßt mich mit ihm reden!«
»Nur zu!« rief einer der Bullen.
»Dawes!« schrie Fenner kreischend. Er hörte sich an wie ein Polizist in den letzten Szenen eines James-Cagney-Filmes.
(Das Blaulicht flackert unruhig über die Vorderfront eines schäbigen Mietshauses im Slumviertel, in dem der ›verrückte Hund‹ Dawes mit einer rauchenden .45-Automatik in jeder Hand zu Boden gegangen ist. Der ›verrückte Hund‹ liegt hinter einem umgekippten Sessel, sein T-Shirt ist zerrissen, und er knurrt.) »Dawes, können Sie mich hören?«
(Der ›verrückte Hund‹ Dawes verzieht trotzig das Gesicht - obwohl seine Augenbrauen naß vor Schweiß sind - und brüllt hinaus:)
»Kommt doch rein und holt mich, ihr dreckigen Bullen!« Ei lehnte sich über den Sessel und feuerte eine ganze Salve aul den grünen Sedan ab. Die gesamte Wagenlänge überzog sich mit einer Zickzacklinie von Einschußlöchern.
»Jesus!« schrie jemand. »Oh, Jesus, der Kerl ist wahnsinnig!«
»Dawes!« brüllte Fenner.
»Ihr werdet mich niemals lebend kriegen!« brüllte er närrisch vor Freude zurück. »Ihr dreckigen Scheißkerle habt meinen kleinen Bruder umgebracht! Bevor ihr mich kriegt, sehen wir uns in der Hölle!« Mit zitternden Fingern lud er die Magnum neu und füllte das Magazin der Weatherbee wieder auf.
»Dawes!« schrie Fenner wieder. »Wie war’s mit einem Handel?«
»Und wie war’s mit einer heißen Bleiladung, du Idiot!« rief er in Fenners Richtung zurück, aber er behielt den Polizeiwagen im Auge. Als der Bulle mit der Sonnenbrille vorsichtig seinen Kopf über die Motorhaube streckte, schickte er ihn mit zwei Schüssen sofort wieder auf Tauchstation. Eine Kugel zerschlug das Wohnzimmerfenster der Quinns, die in dem Haus auf der anderen Straßenseite gewohnt hatten.
»Dawes!« brüllte Fenner wichtigtuerisch.
»Ach, halten Sie doch das Maul!« schnauzte einer der Bullen ihn an. »Sie ermutigen ihn ja nur!«
Eine verlegene Stille entstand, in der noch weit entfernte Polizeisirenen zu hören waren. Er legte die Magnum weg und nahm wieder das Gewehr zur Hand. Die rasende Freude hatte ihn verlassen. Er fühlte sich nur noch müde, sein Körper schmerzte, und er,mußte dringend aufs Klo.
Bitte, laß die Übertragungswagen schnell kommen, betete er. Laß sie bald mit ihren Fernsehkameras dasein.
Als der erste Polizeiwagen mit kreischenden Reifen um die Ecke raste, als probe er eine Aufnahme für The French Connection, war er bereit. Zuerst feuerte er zwei seiner Haubitzenkugeln auf den parkenden Kreuzer ab, damit die beiden unten blieben, dann nahm er den Kühlergrill des fahrenden Wagens aufs Korn und drückte wie der erfahrene Kriegsveteran Richard Widmark ab. Der Kühlergrill explodierte, und die Motorhaube flog durch die Luft. Der Wagen schlidderte circa vierzig Meter am Randstein entlang und knallte gegen einen Baum. Die Türen flogen auf, und vier Bullen stiegen mit gezogenen Pistolen und völlig verblüfften Mienen aus. In der Aufregung stießen zwei von ihnen zusammen. Dann eröffneten die beiden Bullen hinter dem Kreuzer (seine Bullen, dachte er mit einer Art von Besitzerstolz) das Feuer auf ihn, und er duckte sich hinter seinen Sessel, während die Kugeln über ihn hinwegsausten. Jetzt war es siebzehn Minuten vor elf. Er glaubte, daß sie bald versuchen würden, hinters Haus zu gelangen.
Er reckte den Kopf hoch, weil es einfach sein mußte, und eine Kugel zischte dicht an seinem Ohr vorbei. Von der anderen Seite der Crestallen Street rasten zwei weitere Polizeiwagen mit dröhnenden Sirenen und Blaulicht heran. Zwei der Bullen aus dem Unfallwagen versuchten, über den Staketenzaun um das Grundstück der Upslingers zu klettern, und er feuerte drei Schüsse auf sie ab. Er wollte sie nicht treffen, sie sollten nur zu ihrem Wagen zurückkehren, was sie auch taten. Holzsplitter von Wilbur Upslingers Zaun (der im Sommer mit Efeu überwachsen war) flogen in alle Richtungen.
Ein Teil des Zaunes krachte tatsächlich zusammen und fiel in den Schnee.
Die eben herangekommenen Straßenkreuzer blieben stehen und bildeten ein V, um die Straße auf der Höhe von Jack Hobarts Haus zu blockieren. Die Polizisten verkrochen sich in dem V-Winkel der beiden Wagen. Einer sprach über sein Walkie-Talkie mit einem der Bullen aus dem demolierten Wagen. Kurz darauf gingen die Neuankömmlinge in Deckung und schössen, was das Zeug hielt. Er mußte sich wieder ducken. Kugeln schlugen in die Haustür und die Vorderfront des Hauses ein; sie trafen vor allem das Wohnzimmerfenster.
Der Flurspiegel zerbarst in tausend kleine, glitzernde Stücke.
Eine Kugel sauste durch die Decke über dem zertrümmerten Fernseher, und die Decke tanzte einen Augenblick in der Luft.
Er kroch wieder auf Händen und Knien durchs Wohnzimmer, richtete sich vor dem schmalen Fenster hinter dem Fernseher auf und spähte hinaus. Von dort konnte er genau in den Vorgarten der Upslingers sehen. Zwei Polizisten versuchten erneut, ihn von der Seite zu überfallen. Einer blutete aus der Nase.
Freddy, ich glaub’, ich muß einen von ihnen erschießen, damit sie das bleiben lassen.
Tu das nicht, George, bitte, tu das nicht.
Er stieß mit dem Kolben der Magnum das Fenster ein und verletzte sich dabei an der Hand. Die beiden Bullen blickten bei dem Geräusch auf, entdeckten ihn und schössen. Er erwiderte das Feuer und sah, wie zwei Kugeln in die neue Aluminiumbeschichtung an Wilburs Hauswand einschlugen. (Ob die Stadt ihn wohl auch dafür entschädigt hatte?) Dann hörte er, wie die Kugeln in seine Hauswand einschlugen, hauptsächlich unterhalb und zu beiden Seiten des Fensters. Eine Kugel erfaßte pfeifend den Fensterrahmen, und Holzsplitter flogen ihm ins Gesicht. Er rechnete jeden Augenblick damit, daß eine Kugel ihm den Kopf rasieren würde. Er konnte nicht abschätzen, wie lange der Schußwechsel dauerte. Plötzlich schrie einer der Polizisten laut auf und griff sich an den Arm.
Er ließ die Pistole fallen wie ein Kind, dem das Spiel zu langweilig geworden ist, und rannte ein paar Schritte im Kreis.
Sein Kollege faßte ihn am Arm, und die beiden rannten zu ihrem kaputten Straßenkreuzer zurück. Der Unverletzte legte seinem Partner schützend den Arm um die Hüfte.
Er ließ sich wieder auf Hände und Knie fallen und kroch zu seinem Sessel zurück. Auf der Straße waren zwei weitere Polizeiwagen aus beiden Richtungen der Crestallen Street angekommen. Sie parkten vor dem Quinn-Haus, und acht Bullen stiegen aus, die sofort hinter den grünen Sedan und dem ersten Kreuzer in Deckung rannten.
Er duckte wieder den Kopf und kroch in den Flur. Das Haus stand jetzt unter schwerem Beschüß. Er wußte, daß er besser dran wäre, wenn er mit dem Gewehr nach oben ginge.
Von dort hatte er einen viel besseren Schußwinkel und konnte sie vielleicht von ihren Wagen vertreiben, so daß sie in den Häusern Deckung suchen mußten. Aber er wagte es nicht, so weit von seinem Zündkabel und der Autobatterie wegzugehen. Die Fernsehleute konnten jetzt jeden Augenblick eintreffen.