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»Ja, so ähnlich war’s«, flüsterte Vinnie. Sein Gesicht zeigte eine Mischung von drei Teilen Scham und zwei Teilen ab-grundtiefen Hasses.

»Er begann mit der Frage, wie es Bart ginge. Du hast geantwortet, Bart ginge es gut. Er sagte, daß Bart ein verdammt guter Mann sei, aber ob es nicht schön wäre, wenn er sich endlich mal zusammenreißen und das Waterford-Geschäft etwas vorantreiben würde. Und du hast geantwortet, daß das in der Tat sehr schön wäre. Und er sagte, ach, übrigens, wie steht’s denn damit? Und du hast geantwortet, alles, was ich weiß, ist, daß er den Handel noch nicht abgeschlossen hat.

Ich hab’ gehört, daß die Tom-McAn-Leute an dem Projekt interessiert sind, aber das ist vielleicht nur ein Gerücht. Daraufhin hat er gesagt, na ja, ich bin sicher, Bart weiß, was er tut, und du hast darauf erwidert, klar; und dann hat er dir noch einen Cognac angeboten und dich gefragt, ob du glaubst, daß die Mustangs es in dieser Playoff-Runde schaffen würden, und dann seid ihr wieder nach Hause gefahren, Sharon und du, und weißt du, wann er dich das nächste Mal einladen wird, Vinnie?«

Vinnie sagte nichts.

»Du wirst wieder eingeladen werden, wenn Steve Ordner den nächsten Hinweis braucht.«

»Es tut mir leid«, sagte Vinnie schmollend und wollte aufstehen.

»Ich bin noch nicht fertig.«

Vinnie setzte sich wieder und blickte zornig in eine Zimmerecke.

»Vor zwölf Jahren habe ich deinen Job ausgeführt, weißt du das eigentlich? Zwölf Jahre, das kommt dir wahrscheinlich sehr lange vor. Aber ich weiß kaum, wo die Jahre geblieben sind. Doch ich kenne den Job gut genug, um zu wissen, wie sehr es dir gefällt. Und ich weiß, daß du ihn gut machst. Die Neuorganisation der chemischen Reinigung … dieses neue Nummernsystem … das war ein Meisterstück.«

Vinnie starrte ihn verblüfft an.

»Ich habe vor zwanzig Jahren in der Wäscherei angefangen«, fuhr er fort. »1953, da war ich zwanzig Jahre alt. Meine Frau und ich waren jungverheiratet. Ich hatte gerade zwei Jahre Betriebswirtschaft studiert, und Mary und ich wollten eigentlich noch ein bißchen warten, aber wir haben die Interruptionsmethode angewandt. Eines Tages waren wir in der Stadt in einem Hotel, und unter uns hat jemand eine Tür zugeschlagen. Ich bekam einen Schreck und einen Orgasmus.

Davon ist sie schwanger geworden. Immer wenn ich heute mal besonders schlaue Anwandlungen kriege, brauche ich mich bloß an diesen einen Türschlag zu erinnern und daran, daß er für meine heutige Position verantwortlich ist. Es ist demütigend. Damals gab es noch kein so freizügiges Abtreibungsgesetz. Wenn man ein Mädchen schwängerte, dann heiratete man es oder man ließ es sitzen. Man hatte keine andere Wahl. Ich hab’ sie geheiratet und den ersten Job angenommen, der sich mir bot. Und das war hier in der Wäscherei. Waschraumaushilfe, genau der Job, den dieser Pollack-Junge da unten jetzt erledigt. Damals mußten wir noch alles mit der Hand machen. Wir mußten die nasse Wäsche aus den Maschinen zerren und sie in große Stonington-Schleudern packen, die fünfhundert Pfund von dem schweren Zeug faßten. Wenn man so eine Schleuder falsch belud, konnte sie einem den Fuß ausreißen. Nun ja, Mary hat das Kind im siebten Monat verloren, und der Arzt sagte, daß sie nie wieder eins haben könne. Ich machte den Aushilfejob drei Jahre lang und brachte für fünfundfünfzig Arbeitsstunden genau fünfundfünfzig Dollar pro Woche nach Hause. Dann hatte Ralph Albertson, der damals Aufseher im Waschraum war, einen Auffahrunfall und starb auf der Straße an einem Herzinfarkt, während er noch mit dem anderen Kerl seine Versicherungsnummer austauschte. Er war ein guter Mann gewesen. Zu seiner Beerdigung hatte der ganze Betrieb geschlossen.

Nachdem er anständig begraben war, bin ich zu Ray Tarkington gegangen und hab’ mich um seinen Job beworben. Ich war mir ziemlich sicher, daß ich ihn bekommen würde. Ich wußte alles, was man im Waschraum wissen mußte, denn Ralph hatte mir alles beigebracht.

Damals war das hier ein Familienbetrieb, Vinnie. Ray und sein Vater, Don Tarkington, haben ihn geleitet. Don hatte ihn von seinem Vater übernommen, der ihn 1926 gegründet hat.

Die Arbeiter waren nicht in der Gewerkschaft organisiert, und ich nehme an, daß die Gewerkschaftsleute die drei Tarkingtons als patriarchalische Ausbeuter bezeichnet haben, die sich an ungebildeten Arbeitern und Arbeiterinnen berei-cherten. Und das waren sie auch. Aber als Betty Keeson auf dem nassen Fußboden ausgerutscht war und sich den Arm gebrochen hatte, haben die Tarkingtons ihr die Kranken-hausrechnung bezahlt und zehn Dollar Unterhaltskosten pro Woche, bis sie wieder arbeiten konnte. Und jedes Jahr Weihnachten haben sie in der Halle ein großes Weihnachtsbankett aufgebaut - der beste Huhnauflauf, den du je gegessen hast, mit Preiselbeeren und Brötchen und Pfefferminz- oder Schokoladenpudding zur Auswahl als Nachtisch. Don und Ray schenkten jeder Frau ein Paar Ohrringe, und wir Männer bekamen jeder eine neue Krawatte. Ich habe meine neun Krawatten immer noch bei mir zu Hause im Schrank hängen.

Und als Don Tarkington im Jahre 1959 starb, habe ich eine davon auf seiner Beerdigung getragen. Sie paßte überhaupt nicht zum Anzug, und Mary hat mir deswegen die Hölle heiß gemacht, aber ich habe sie trotzdem getragen. Der Arbeits-platz war dunkel, und die Stunden waren lang, und die Arbeit war eine stumpfsinnige Plackerei, aber damals haben die Chefs sich noch um uns gekümmert. Wenn die Schleuder zu-sammenbrach, dann standen Don und Ray zusammen mit uns anderen mit aufgerollten Hemdsärmeln im Waschraum und halfen, die Wäsche mit der Hand auswringen. So war das damals in einem Familienbetrieb, Vinnie.

Als Ralph also gestorben war und Ray Tarkington mir sagte, daß ich seinen Job nicht kriegen könne, weil er ihn schon jemand anderem gegeben hätte, da hatte ich keine Ahnung mehr, was eigentlich los war, und dann sagte Ray plötzlich zu mir: Mein Vater und ich möchten, daß du wieder aufs College gehst. Und ich sage, großartig - und wovon?

Busmarken? Und er gibt mir einen Scheck über zweitausend Dollar. Ich schau’ ihn mir an und kann kaum glauben, was ich sehe. Ich sage, was ist das? Und er antwortet, ich weiß, das reicht nicht, aber ich bezahle deine Studiengebühren, dein Zimmer und deine Bücher. Den Rest kannst du dir dann im Sommer hier verdienen, einverstanden? Und ich frage ihn, ob es eine Möglichkeit gibt, ihm dafür zu danken. Und er antwortet, ja, drei Möglichkeiten. Erstens den Kredit zurückzahlen, zweitens die Zinsen bezahlen, drittens das, was ich gelernt habe, wieder in den Betrieb einbringen. Ich habe den Scheck mit nach Hause genommen und Mary gezeigt, und sie hat geweint. Hat einfach die Hände vors Gesicht geschlagen und geweint.«

Vinnie sah ihn jetzt völlig verdutzt an.

»Also bin ich 1955 wieder auf die Schule gegangen und habe 1957 meinen Abschluß gemacht. Danach bin ich zurück in die Wäscherei, und Ray machte mich zum Chef der Fahrer. Da habe ich dann neunzig Dollar die Woche verdient. Als ich meine erste Kreditrate abbezahlte, hab’ ich ihn gefragt, wie hoch die Zinsen seien. Er antwortet, ein Prozent. Was? frage ich, und er sagt, du hast richtig gehört. Hast du nichts zu tun? Daraufhin sage ich, doch, ich glaube, ich gehe mal lieber in die Stadt und hole einen Arzt, um deinen Kopf untersuchen zu lassen. Ray bekommt einen Lachanfall und sagt, ich soll zusehen, daß ich aus seinem Büro verschwinde. Die letzte Rate habe ich 1960 bezahlt, und weißt du was, Vinnie? Er hat mir eine Uhr geschenkt. Diese Uhr hier.«

Er zog seine Manschette zurück und zeigte Vinnie seine Bulova mit einem goldenen Stretcharmband.

»Er nannte es ein verspätetes Geschenk zürn, Collegeab-schluß. Ich habe nur zwanzig Dollar Zinsen für meine Ausbildung bezahlt, und der Teufelskerl schenkt mir eine Uhr im Werte von achtzig Dollar. Auf der Rückseite ist eine Gravur: Die besten Wünsche von Don & Ray. Die Blue Ribbon Wäscherei.