Als er sie richtig aufgesetzt hatte und die letzten Akkorde von ›Monkey Man‹ im Nichts verklangen, lief er zu seinem umgekippten Sessel zurück und warf die Weatherbee aus dem Fenster. Dann hob er die Magnum auf und warf sie hinterher. Leb wohl, Nick Adams.
»Du kannst nicht alles kriegen, was du dir wünschst«, sangen die Rolling Stones, und er wußte, wie wahr das war.
Aber das hielt einen nicht vom Wünschen ab. Eine Tränengasbombe flog im Bogen durchs Fenster und explodierte.
»Aber wenn du es versuchst, dann findest du vielleicht heraus, daß du das kriegst, was du brauchst.«
Na gut, Fred, jetzt wollen wir mal sehen, wie das geht. Er griff nach der roten Krokodilklemme. Jetzt werden wir sehen, ob ich das kriege, was ich brauche.
»In Ordnung«, murmelte er laut und klemmte die rote Klammer am Negativpol fest.
Er schloß die Augen, und sein letzter Gedanke auf dieser Welt war, daß die Explosion nicht um ihn herum sondern in ihm selber stattfand, und obwohl sie verheerende Auswir-kungen hatte, war sie nicht größer als eine mittelgroße Walnuß.
Dann wurde alles weiß.
EPILOG
Das WHLM-Nachrichtenteam gewann für seine fünfminütige Berichterstattung über - wie sie es nannten - ›Dawes letzte Aussage‹ in den Abendnachrichten und für eine halbstündige Dokumentation, die drei Wochen später gesendet wurde, den Pulitzer-Preis. Die Dokumentation hieß ›Straßenbau‹ und befaßte sich mit der Notwendigkeit - bezie-hungsweise der Überflüssigkeit - der 784-Autobahn. Das Team machte vor allem darauf aufmerksam, daß die Gründe für den Ausbau weder mit der Erweiterung des Straßennetzes noch mit der Verkehrsberuhigung zu tun hatten und daß auch sonst keine praktischen Absichten dahinterstünden.
Die Stadtverwaltung mußte eine bestimmte Anzahl von Autobahnkilometern pro Jahr bauen, um die vom Staat dafür be-willigten Gelder zu verbrauchen. Andernfalls würde sie alle öffentlichen Zuwendungen für den Straßenbau verlieren.
Also hatte die Stadt beschlossen zu bauen. Die Dokumentation wies ebenfalls darauf hin, daß die Stadt in aller Stille einen Prozeß gegen Barton George Dawes Witwe anstrengte, um von ihrem Entschädigungsgeld so viel wie möglich zu-rückzuerhalten. Aufgrund der allgemeinen Empörung in der Öffentlichkeit ließ sie die Anklage jedoch wieder fallen.
Die Bilder von der Explosion gingen durch die Presseagenturen, und die meisten Zeitungen im Lande veröffentlichten sie. In Las Vegas sah ein junges Mädchen, daß sich vor kurzem in einer Wirtschaftsschule eingeschrieben hatte, die Bilder während der Mittagspause und fiel in Ohnmacht.
Doch trotz der Berichterstattung in Worten und Bildern ging der Autobahnausbau weiter und wurde achtzehn Monate später, früher als geplant, beendet. Zu der Zeit hatten die meisten Menschen die ›Straßenbau‹-Dokumentation schon vergessen, und die Nachrichtenteams des Fernsehens einschließlich des Gewinners des Pulitzer-Preises, David AIbert, hatten sich anderen Stories und neuen Kreuzzügen zugewandt. Aber nur wenige der Menschen, die noch am selben Abend den Originalbericht im Fernsehen gesehen hatten, konnten ihn wirklich vergessen. Sie erinnerten sich auch dann noch daran, als die Hintergründe und Tatsachen in ihrem Gedächtnis verwischt waren.
In den Nachrichten hatten sie zunächst ein einfaches, weißes Vorstadthaus gesehen, eine Art Farmhaus mit einer asphaltierten Auffahrt auf der rechten Seite, die zur Garage führte. In der Garage hatte nur ein Auto Platz. Das Haus sah nett aus, aber es war ein ganz gewöhnliches Haus. Man würde sich nicht danach umdrehen, wenn man an einem Sonntag zufällig daran vorbeifuhr. Auffällig war nur, daß die Scheibe des großen Fensters an der Front zerbrochen war.
Zwei Waffen, eine Pistole und ein Gewehr, flogen durch dieses Fenster in den Vorgarten und blieben dort im Schnee liegen. Eine Sekunde lang konnte man die Hand sehen, die die Waffen hinausgeworfen hatte. Mit ihren schlaffen Fingern wirkte sie wie die Hand eines Ertrinkenden. Um das Haus steigt weißer Rauch auf, wahrscheinlich Tränengas. Und dann plötzlich eine große orangefarbene Stichflamme. Die Hauswände biegen sich nach außen, als wären sie aus Pappe.
Eine riesige Detonation, und die Kamera zittert ein wenig, als hätte sie Angst. Beiläufig bekommt der Betrachter mit, daß die Garage mit einem einzigen Knall völlig zerstört wird. Und für den Bruchteil einer Sekunde sieht es so aus, als hätte das Dach wie eine Saturnrakete von den Mauern abgehoben.
(Die Zeitlupe bestätigt später, daß der Eindruck, den das Auge in Sekundenschnelle erfaßt hat, richtig ist.) Dann fliegt das ganze Haus auseinander und in die Luft, Dachschindeln sausen durch die Gegend, Holzstücke wirbeln durcheinander, und allmählich senkt sich alles wieder auf den Boden. Es sieht aus, als legte sich eine schwere, gemächlich im Wind flatternde Decke wie ein Zauberteppich über die Erde. Die Trümmer landen mit einem grollenden, kontrapunktierenden Trommelwirbel.
Dann ist es völlig still.
Danach erscheint das entsetzte, tränenüberströmte Gesicht von Mary Dawes auf dem Bildschirm; sie blickt mit ihren von Beruhigungsmitteln und Angst geweiteten Pupillen auf den Wald von Mikrofonen, die man ihr vors Gesicht hält; und auf diese Art sind wir alle wieder sicher auf den Boden der Tatsachen zurückgekehrt.