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Aus den flockigen Zirruswolken, die zuvor in ungefähr dreihundert Meter Höhe trieben, hatte sich in halber Höhe das typische stratosphärische Windgewölk gebildet. Noch gab es keinen Niederschlag, aber keiner der Matrosen bezweifelte, daß es bald dazu kommen mußte. Es ließ sich jedoch nicht vorhersehen, welche Form er annehmen oder wie heftig er sein werde. Nach menschlichem Zeitmaß befanden sie sich nun eineinhalb Jahre auf Dhrawn, aber das war beileibe nicht lange genug, um alle Eigenheiten einer Welt kennenzulernen, die weitaus größer als ihre eigene war. Sogar der vierfache Zeitraum, der etwa einem Bahnumlauf von Dhrawn — also einem „Jahr“ — entsprach, hätte dazu nicht ausgereicht, und Dondragmers Mannschaft wußte es.

Der Captain hob die Stimme, so daß sie den Wind übertönte. „Alles an Bord. Berjendee, Reffel und Stakendee helfen beim Abtransport des Bohrgeräts.

Wer zuerst an Bord geht, richtet Kervenser aus, er möge die Maschinen in Bereitschaft halten und sich darauf einstellen, den Bug in Windrichtung zu drehen, sobald alle wieder im Fahrzeug sind.“

Dondragmer wußte, während er den Befehl erteilte, daß er sich möglicherweise als undurchführbar erwies. Höchstwahrscheinlich hatte die Generalinspektion gegenwärtig eine Stufe erreicht, die das Anwerfen der Maschinen verbot. Er dachte nicht länger daran, nachdem er die Anweisung gegeben hatte. Falls möglich, würde man sie befolgen, und seine Aufmerksamkeit wurde anderweitig beansprucht. Die Bohrausrüstung besaß absoluten Vorrang; sie diente jenen Forschungszwecken, die der Anlaß für den Aufenthalt der Meskliniten auf Dhrawn waren.

Selbst Dondragmer, der menschlichen Intentionen und Motiven verhältnismäßig stärker vertraute als viele Meskliniten, vermutete, daß ein durchschnittlicher menschlicher Wissenschaftler die Bohrausrüstung weitaus höher bewertet hätte als das Leben von zwei oder drei mesklinitischen Matrosen.

Das Forschungspersonal hatte die Bohrspitze bereits eingeholt und schickte sich an, sie an Bord zu schaffen, als er sich dazu gesellte. Die Kurbelwelle und der Getriebekasten folgten, so daß lediglich der Stützrahmen und das Turmgestä nge zurückblieben. Dies waren weniger kritische Objekte, da sie ohne menschliche Unterstützung ersetzt werden konnten, aber weil der Wind sich nicht verstärkte, brachten der Captain und seine drei Helfer sie ebenfalls in Sicherheit. Als sie das erledigt hatten, waren die anderen bereits ins Fahrzeugi nnere verschwunden, und auf der Brücke war Kervenser gewiß schon ungeduldig.

Zufrieden führte Dondragmer die Gruppe die Rampe hinauf und durch die äußere Schleusentür, die er hinter sich schloß. Sie standen nun auf einem meterbreiten Vorsprung, der an ein ebenso breites Becken voll flüssigen Ammoniaks grenzte, das die einwärtige Hälfte der Schleusenkammer bildete.

Die am schwersten beladenen Mitglieder der Gruppe kletterten über Klammereisen, die denen außen auf der Hülle glichen, in die Flüssigkeit; die anderen und der Captain sprangen einfach hinein.

Unter dem Ammoniakspiegel reichte die jenseitige Schleusenwand bis in etwa achtzig Zentimeter Tiefe. Zwischen dem Boden des Tanks und der Unterkante der inneren Schleusenwand lag ein Zwische nraum von knapp sechzig Zentimeter.

Indem sie diesen Spalt vorsichtig durchquerten, gelangten sie auf einen zweiten, gleichartigen Vorsprung. Von dort aus gewährte ihnen die innere Schleusenpforte Zutritt in den Mittelabschnitt der Kwembly.

Ein schwacher Geruch von Sauerstoff haftete ihnen an. Ein paar Blasen der Außenatmosphäre pflegten stets alles zu begleiten, das durch die Schleuse ging, aber der allgegenwärtige Ammoniakdunst und die zahlreichen im Rumpfinnern angebrachten Katalysatorflächen hatten sich schon lange als ausreichend erwiesen, dieses Ärgernis auszugleichen. Die Mehrheit der Meskliniten hatte gelernt, sich an dem Geruch nicht mehr sonderlich zu stören, zumal jeder wußte, daß sehr kleine Spuren dieses Gases harmlos waren.

Die Forscher streiften ihre Schutzanzüge ab und entfernten sich mit ihren Apparaturen und den Behältern, in die sie die Bodenproben zum Schutz gegen das flüssige Ammoniak getan hatten.

Dondragmer entließ die anderen auf ihre Stationen und kletterte zur Brücke hinauf. Kervenser machte Anstalten, die Kommandostation zu räumen, als der Captain in der Klappe erschien, doch Dondragmer winkte ihn zurück und begab sich auf die Steuerbordseite des Aufbaus. Auf dem Deck gab es mehrere Transparentflächen. Die menschlichen Konstrukteure hatten ursprünglich die gesamte Brücke aus transparentem Material konstruieren wollen, doch dabei hatten sie die mesklinitische Psyche nicht in Rechnung gestellt. Auf der Hülle umherzukriechen, empfanden die Meskliniten als schlimm genug, aber in rund sechs Meter Höhe auf einer Transparentfläche zu stehen, das hielten sie für jenseits aller Vernunft. Der Captain verharrte am Rand einer der Scheiben und blickte vorsichtig hinab.

Die fahle Oberfläche rings um das mächtige Fahrzeug ha tte sich nicht verändert; der Wind, der die Hülle schüttelte, vermochte anscheinend den Schnee, den eine vierzigfache Erdgravitation verhärtet hatte (und niemand wußte, wie lange schon), nicht zu lockern. Selbst die Wirbel, die am Rumpf der Kwembly entstanden, zeigten keinerlei Wirkungen, obwohl Dondragmer recht fest damit gerechnet hatte, daß sie zumindest zu Füßen der Räder Schnee ausmulden würden. Weiter entfernt, an der Grenze der Scheinwerferlichtkegel, gab es nichts zu erkennen außer den zurückgelassenen Bohrlöchern und sich im Wind biegendes Gestrüpp. Er beobachtete es mehrere Minuten lang, um zu sehen, ob der Wind es ausreißen werde, aber schließlich wandte er seine Aufmerksamkeit zum Himmel.

Zwischen den Wolkenbänken begannen sich einige helle Sterne zu zeigen, doch das südpolare Zwillingsgestirn war noch immer unsichtbar. Es stand nur wenige Grad über dem südlichen Horizont — teilweise ebenfalls ein Resultat der Refraktion — und war derzeit von Wolken verhangen. Anzeichen von Regen oder Schnee gab es noch nicht, und man konnte nicht sagen, zu welchem Niederschlag, falls überhaupt, es kommen würde. Die Außentemperatur lag nach wie vor unter der Schmelztemperatur reinen Ammoniaks und weit unter der von Wasser, aber ein gemischter Niederschlag war sowieso am wahrscheinlichsten.

Welche Wirkung ein solcher Niederschlag auf das nahezu pure Wassereis der Oberfläche haben mochte, wagte Dondragmer allerdings nicht vorauszusagen; er wußte über die gegenseitige Löslichkeit von Wasser und Ammoniak Bescheid, hatte jedoch nie versucht, sich Phasendiagramme oder Gefrierpunkttabellen der verschiedenen Mischungen einzuprägen. Falls der Schnee schmolz, erhielt die Kwembly vielleicht eine Chance, ihre Schwimmfähigkeit unter Beweis zu stellen. Er war nicht begierig darauf, sie zu erproben.

Kervenser unterbrach seine Überlegungen.

„Captain, wir sind in vier oder fünf Minuten fahrbereit. Sollen wir die Maschinen anwerfen?“

„Noch nicht. Ich hatte befürchtet, der Wind könne den Schnee unter dem Fahrzeug lösen und es ins Rutschen bringen, wie die Rückspülung bei einem gestrandeten Schiff, und in diesem Fall wollte ich in der Lage sein, den Bug nach Bedarf auszurichten; aber anscheinend ist diese Gefahr vorerst nicht akut. Die Inspektionen sollen fortgesetzt werden, außer an Einrichtungen, deren Kontrolle die Durchgabe eines Warnsignals verhinderte, sollte ein Notstart erforderlich sein.“

„Bereits veranlaßt, Captain. Als vor ein paar Minuten dein Befehl übermittelt wurde, habe ich entsprechend vorgesorgt.“

„Gut. Die Außenscheinwerfer bleiben eingeschaltet. Wir werden die nähere Umgebung unter Beobachtung halten, bis die zehnstündige Frist abgelaufen ist oder der Wind aufhört, falls er sich nicht innerhalb dieser Frist legt.“