Boyd Mersereau kicherte.
„Mach dir keine Sorgen darum, Easy. Du hast diesen Job genau deshalb bekommen, weil du auf diese Weise reagierst. Denke bitte daran, daß uns sechs Millionen Meilen und vierzig G von Barlennan und seinen Leuten trennen. Sollte es jemals zu einem heftigen Zerwürfnis zwische n ihm und uns kommen, wird er wahrscheinlich nach seinem Gutdünken verfahren. Falls es dazu kommt, wird es für uns von großem Vorteil sein, daß er jemand unter uns kennt, von dem er volle Unterstützung erwarten zu können glaubt. Bitte ändere dich kein bißchen, Easy, ja?“
„Hmm.“ Elise Hoffman verriet durch nichts, ob sie erleichtert oder amüsiert war. „Genau das sagt Ib auch immer, aber ich habe es als voreilig abgetan.“
„Sicherlich ist er es, aber das disqualifiziert ihn nicht zwangsläufig. Einiges kannst du ihm ruhig glauben.“
„Danke, Easy“, unterbrach Dondragmers eingehende Antwort die Unterhaltung. Diesmal gebrauchte er seine Sprache, die die anderen nicht besonders gut verstanden. „Ich bin um jede Information außerordentlich froh. Du brauchst Barlennan nicht zu benachrichtigen, wenn du nicht unbedingt Wert darauf legst. Wir befinden uns bis jetzt keineswegs in ernsten Schwierigkeiten, und er ist ohnehin mehr als genug beansprucht. Die Resultate kannst du unserem Labor über Radio 2 durchgeben. Wir lassen alle vier Geräte eingeschaltet.“
Der Mesklinit verstummte, und Aucoin, der dritte menschliche Zuhörer, erhob sich und sah zu Easy hinüber. Sie übersetzte die Mitteilung.
„Das bedeutet Arbeit“, meinte er. „Wir hatten für die Kwembly eine Anzahl ausgedehnterer Programme eingeplant, die an die gegenwärtig laufenden anschließen sollten, aber wenn Dondragmer wirklich eine Verzögerung befürchtet, werde ich lieber prüfen, welches er an Ort und Stelle durchführen kann. Soweit ich seine Äußerungen inhaltlich begriffe n habe, rechnet er nicht damit, die Fahrt bald fortsetzen zu können.
Ich werde mich nach seiner exakten Position erkundigen, frage die Meteorologen nach ihrer Meinung, und anschließend findet ihr mich im Planungsbüro.“
„Wahrscheinlich sehen wir uns im Meteorologischen Labor“, sagte Easy. „Ich werde die von Dondragmer angeforderten Informationen besorgen, wenn du hier die Stellung hältst, Boyd.“
„Gut, für ein Weilchen jedenfalls. Ich muß mich um die eigene Arbeit kü mmern. Du hättest Don sagen sollen, wer am Apparat bleibt, damit er die nächste Meldung nicht in seiner Heimatsprache durchgibt — heißt sie nicht Stennish oder so?
Allerdings, da wir von hier aus ohnehin wenig für ihn tun können, fallen sechzig Sekunden zusätzliche Verzögerung wohl nicht ins Gewicht.“
Die Frau zuckte die Achseln, sprach einige mesklinitische Worte ins Mikrofon, winkte Mersereau zu und entfernte sich, bevor Dondragmer die Durchsage ganz empfangen hatte.
Alan Aucoin war bereits gegangen.
Das Meteorologische Labor lag fast unmittelbar über dem Kommunikationsraum, näher an der Kreiselachse des Zylinders. Die Möglichkeiten der Körperertüchtigung waren außerordentlich beschränkt, und so hatte man bei der Konstruktion des Satelliten auf Lifts verzichtet; der Gebrauch des Interkoms war ausschließlich für Notfälle vorbehalten. Easy Hoffman hatte die Wahl zwischen einer Wendeltreppe entlang der symmetrischen Zylinderachse und einer Anzahl von Leitern. Da sie nichts bei sich trug, störte es sie nicht, die Treppe zu benutzen. Binnen kaum einer Minute erreichte sie das Labor.
Die beeindruckendste Einrichtung des Labors bestand aus zwei fast fünf Meter durchmessenden hemisphärischen Karten von Dhrawn. Sie waren plastisch ausgeführt, wirklichkeitsentsprechend eingefärbt und mit Hinweisen auf Temperaturen, Druckverhältnissen in verschiedenen Höhen, Windgeschwindigkeiten und anderen Daten versehen, wie sie über die tieforbitalen Meßsatelliten und die mesklinitischen Forschungsgruppen hereinkamen. Ein grüner Lichtpunkt nördlich des Äquators markierte die planetare Basis der Expedition, und neun schwächere gelbe Punkte, unregelmäßig um den grünen Punkt verteilt, gaben die Positionen der Fahrzeuge an. Auf der kartografischen Wiedergabe der Oberfläche des gigantischen Planeten wirkte das Gebiet, das die Meskliniten bisher erkundet hatten, lächerlich klein, obwohl es sich, nahm man die Basis als Mittelpunkt, jeweils etwa achttausend Meilen weit nach Osten und Westen sowie ungefähr zwanzig-beziehungsweise fünfundzwanzigtausend Meilen nach Norden und Süden hin erstreckte. Das Gebiet lag westlich einer Zone, die die Meteorologen als Tiefdruckregion Alpha bezeichneten. Die gelben Lichtpunkte, ausgenommen zwei davon, die sich in kälteren westlichen Zonen befanden, bildeten um die Tiefdruckregion Alpha einen groben Halbkreis.
Man trug sich mit dem Gedanken, es mit einem Ring von Meßstationen zu umgeben, aber bislang war kaum ein Viertel der achtzigtausend Quadratmeilen kartografisch erfaßt. Die Kosten waren hoch gewesen — nicht so sehr in finanzieller Hinsicht, zumal Easy dazu neigte, den monetären Aufwand lediglich als Gradmesser der Anstrengungen zu betrachten, sondern an Leben.
Ihre Augen suchten den rot umrandeten gelben Fleck innerhalb des Randgebiets der Tiefdruckregion Alpha, der die Position der Esket angab. Sieben Monate — dreieinhalb Dhrawn-Tage — waren verstrichen, seit die Besatzung das letzte Lebenszeichen gegeben hatte, obschon die Sender des Fahrzeugs noch funktionierten. Gelegentlich dachte Easy an ihre Freunde Kabremm und Destigmet; und dann und wann verdarb sie Dondragmers Stimmung (obwohl sie dieser Wirkung nicht sicher sein konnte), indem sie zum Kommandanten der Kwembly von den beiden sprach.
„Hallo, Easy.“ Die Begrüßung unterbrach ihre düsteren Gedanken. „Hallo, Mutter.“
„Hallo“, sagte sie. „Ein Freund möchte eine Vorhersage. Könnt ihr ihm helfen?“
„Wenn sie das Satelliteninnere betrifft, sicher“, antwortete Benj.
„Sei nicht zynisch, Junge. Du bist alt genug. Es ist für Dondragmer auf der Kwembly.“ Sie wies auf das gelbe Licht auf der Karte und erläuterte die Lage. „Alan kann euch die exakte Position geben, falls es euch nützt.“
„Wahrscheinlich kaum etwas“, gestand Seumas McDevitt. „Wenn du Zynismus nicht magst, muß ich mich vorsichtig ausdrücken; aber das Lämpchen dort zeigt eigentlich nicht das Fahrzeug an, sondern vielmehr ein mehrere hundert Meilen durchmessendes Areal, innerhalb dessen es sich befindet. Ich bezweifle, daß wir so eine Vorhersage treffen können, die präzise genug ist, um etwas zu taugen.“
„Ich war nicht einmal sicher, ob ihr überhaupt genug Material für irgendeine Vorhersage besitzt“, erwiderte Easy. „Soviel ich weiß, entwickelt sich das Wetter sogar auf dieser Welt von Westen her, und die westlichen Zonen liegen nun seit Tagen im Dunkeln. Könnt ihr über solche Areale genug verwendbare Daten erhalten?“
„Oh, sicher.“ Benj hatte den Sarkasmus abgelegt, und der Enthusiasmus, der ihn bewogen hatte, sich der atmosphärischen Physik zu widmen, setzte sich durch. „Reflektiertem Sonnenlicht entnehmen wir ohnehin nur den geringsten Teil der Meßdaten. Fast alles entstammt der planetaren Eigenstrahlung. Er gibt selbst mehr Strahlung ab, als er von der Sonne erhält; du kennst ja die alte Diskussion, ob Dhrawn nun ein Planet oder ein Stern sei. Wir können die Bodentemperatur feststellen, einiges über die Bodenbeschaffenheit, kennen die Ve rfallszeiten und sind imstande, die Wolkenbildung zu verfolgen. Mit den Winden ist es schwieriger…“ Er zögerte, als er bemerkte, daß McDevitts Blick auf ihm ruhte; das Gesicht des Meteorologen war ausdruckslos. Der Mann begriff den Grund des Zögerns sofort und nickte ihm zu, bevor der Ausbruch von Selbstvertrauen versiegen konnte.