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David Craken schaute weg. Er lehnte sich über das Geländer und schaute hinaus, wo sich das Rippeln allmählich auflöste. Die Phosphoreszenz war verschwunden, es gab nichts mehr zu sehen.

Da hob er die Schultern. »Vielleicht war es wirklich ein Schwärm Thunfische. Ich hoffe es«, meinte er lächelnd.

»Da bin ich sicher«, antwortete Bob. »Es gibt keine Seeschlangen. Das ist dummer Aberglaube.«

»Ich bin nicht abergläubisch, Bob, aber du darfst mir glauben, es gibt Dinge da unten, die ... die du nicht glauben wür-dest.«

»Lieber Freund, über die Tiefsee braucht mir niemand etwas zu erzählen«, erklärte Bob. »Jedenfalls keine Landratte. Ich war nämlich unten. Was, Jim?«

Ich nickte, denn ich war ja zusammen mit ihm in Marinia gewesen, diesem Tiefsee-Staat mit seinen Kuppelstädten unten im dunklen Pazifik, und fast hätten wir dort gegen die Sperrys verloren.

»Die Tiefsee-Flotte hat die Ozeane ziemlich genau erforscht«, redete Bob weiter. »Ich habe noch nie gehört, daß sie eine Seeschlange gefunden hätten. Natürlich gibt es dort merkwürdige Dinge, aber die sind doch alle vom Menschen hingebracht worden! Wie U-Bahnen fahren Züge unter dem Meeresboden, und die modernen Städte unter den Kuppeln, die Prospektoren, die auf dem Grund nach Mineralien suchen; aber Seeschlangen? Nein! Man hätte sie sehen müssen. Wir an der Akademie glauben nicht an so etwas.«

»Vielleicht solltest du’s doch tun«, meinte David Craken.

»Junge, wach auf! Ich war unten. Und von Seeschlangen erzählen nur solche, die ein richtiges Seemannsgarn spinnen, damit man ihnen Drinks spendiert. Woher kommst du, Craken, daß du an solche Sachen glaubst?«

Er zögerte ein wenig. »Ich ... bin in Marinia geboren«, erzählte er. »Und dort habe ich, in fast vier Meilen Tiefe, mein ganzes bisheriges Leben verbracht.«

2. Plünderer der See

Die gedrungenen Tiefseeschlepper tuckerten und zerrten an den Kabeln und zogen uns langsam mit neun Knoten zu den vor der Küste liegenden Gefällstrecken. Nun war heller Tag, vor uns stand eine riesige goldene Sonne, und der Himmel leuchtete in roten Farbtönen. Am Horizont hing dünner Wol-kendunst.

»Marinia?« fragte Bob Eskow. »Du kommst aus Marinia? Aber was tust du denn hier?«

»Ich bin in der Nähe von Kermadec im Südpazifik geboren und kam als Austauschstudent zur Akademie. Da sind noch ein paar aus Europa, Asien, Südamerika - und ich von Marinia.« Er lächelte. »Und du hast mich für eine Landratte gehalten, die nie die See sah. Bis vor zwei Monaten habe ich nichts anderes gesehen, weißt du. Wenn man in vier Meilen Tiefe geboren ist, dann erscheinen einem Himmel, Sonne und Sterne einfach so märchenhaft wie dir die Seeschlange.«

»Aber der Meeresboden ist doch gründlich erforscht .«

»Nein. Das ist er nicht. Es gibt etliche Städte, die durch Tunnels miteinander verbunden sind, es gibt auch Forscher und Prospektoren in allen Tiefen, Tiefsee-Farmen rund um die Kuppelstädte, aber, Bob, der Meeresboden ist von mehr als der dreifachen Fläche der Trockengebiete. Mit Mikrosonar findet man einiges, durch Beobachtung noch etwas dazu, aber der Rest des Meeresbodens ist kaum bevölkert und ebenso unbekannt wie die Antarktis.«

Das war das Ende unserer Unterhaltung, denn der Alarm erklang, und schon hörten wir den Seetrainer Blighman, der uns zu den Tiefsee-Injektionen aufrief. »In zehn Minuten wird getaucht!« warnte er uns.

Ein dunkler, magerer Kadett kam zu uns, als wir liefen. David machte uns mit ihm bekannt; es war Eladio Angel, ebenfalls Austauschstudent, aber aus Peru. Und während wir rannten, schaute er genauer hin zum Heck und blieb stehen. Wir taten es auch, aber da kam Blighman aus der Luke herauf, und wir rasten weiter.

Da stellte sich heraus, daß ein Fadenmesser fehlte. Er hatte noch auf der Ladebühne gestanden, und jetzt war er verschwunden, ein etwa hundert Pfund schweres Gehäuse, wasserdicht und noch nicht befestigt gewesen. Spurlos verschwunden!

Fairfane meinte, als wir uns zur Injektion anstellten, da müsse wohl eine große Welle gekommen sein, die das Ding mitgerissen habe.

»Es gab aber keine Welle«, bemerkte David Craken leise.

Fairfane funkelte uns an, und wir schwiegen. Aber David Craken hatte recht; es hatte keine Welle gegeben, die einen Instrumentenkasten von hundert Pfund über Bord hätte spülen können. Ich erinnerte mich auch genau, daß dies nicht der erste derartige Vorfall war. In der Woche vorher war ein pneumatisch angetriebenes Tiefsee-Dory verschwunden, direkt vom Freizeitstrand weg. Jemand in einem Tiefsee-Dory konnte, während die Crew an Deck vollauf beschäftigt war, heimlich auf das Floß gekommen und den Fadenmesser gestohlen haben.

Nein, unmöglich! Das Dory war nicht schnell genug, das Floß einzuholen, und die Mikrosonaranlage hätte es auf jeden Fall entdeckt. Vielleicht ein sehr raffinierter Sporttaucher ... Aber so weit draußen im Atlantik war kein Sporttaucher zu vermuten.

Da fiel mir David Crakens Bemerkung von der Seeschlange ein. Nein, das war doch lächerlich! Doch da kam der Tauch-alarm, das Tiefseefloß senkte die Nase und ging in die Tiefe. Über uns würden ständig die kleinen, stärken Schlepper kreuzen, um im Notfall zur Hand zu sein und uns vor anderen Schiffen zu warnen.

Die Injektion war nur ein Stich, mehr nicht. Ich fühlte mich danach auch nicht anders als vorher. Bob zuckte dabei zusammen und versuchte sich nichts anmerken zu lassen.

Das Übungsschiff vibrierte leise unter unseren Füßen. Die Motoren waren gerade stark genug, um Tiefe und Position beizubehalten. Die Frischluft von oben war abgeschnitten, und nun roch es hier richtig nach Schiff. Ich konnte mir vorstellen, wie die grünen Wellen über das Deck spülten, während wir in die geheimnisvolle Tiefe tauchten. Bob fühlte so wie ich; wir waren beide aufgeregt, da wir die See um uns hatten.

Da kam Cadet Captain Fairfane zu mir, und seine Augen blitzten zornig. »Eden, ich habe mit dir zu reden. Von Mann zu Mann.«

»Jawohl, Sir.« Ich war erstaunt. Mit Roger Fairfane stand ich nicht besonders gut. Als Bob und ich zurückkamen, hatte er sich erst sehr freundlich gezeigt, dann plötzlich aber recht kalt. Bob hatte gemeint, er glaube vielleicht, ich würde den Posten als Cadet Captain, also den seinen, anstreben, doch der hing ausschließlich von der allgemeinen Beurteilung ab, und die Fairfanes war ausgezeichnet. Bob mochte ihn nicht. Er hatte zuviel Geld, und sein Vater gehörte einer der größten TiefseeSchiffahrtslinien an. Er mußte ein wichtiger Mann sein.

»Eden«, sagte er scharf zu mir, »wir werden betrogen, du und ich. Dieser Craken schwimmt wie ein Teufelsfisch. Wenn wir den gegen uns haben, bleibt uns keine Chance.«

»Schau mal, Roger, das ist doch kein Rennen«, antwortete ich. »Es spielt keine Rolle, daß er ein paar Faden mehr Druck erträgt als wir ...«

»Für dich ist es vielleicht unwichtig, für mich nicht. Hör mal, Eden, er ist ja nicht einmal Amerikaner, sondern Transferstudent. Er weiß mehr über Druckverhältnisse als der Trainer. Ich will bei Lieutenant Blighman protestieren, ihm sagen, es sei nicht fair, wenn Craken gegen uns schwimmt. Das heißt, du sollst das tun.«

»Warum tust du das nicht selbst?«

»Schau mal, ich bin doch Cadet Captain und so ... Und außerdem .«

»Und außerdem hast du das schon getan und eine Abfuhr gekriegt, was?« warf Bob ein.

»Vielleicht«, gab Fairfane zu. »Nun, genau protestiert habe ich nicht, aber das spielt keine Rolle. Auf dich wird er hören, Eden. Von mir meint er vielleicht, ich sei voreingenommen.«

»Und bist du’s etwa nicht?« fragte Bob.

»Möglich«, schnappte Fairfane. »Aber ich bin besser als er und sein Freund, dieser Peruaner. Ich mag nur nicht wie ein Trottel dastehen, wenn er in seinem natürlichen Element ist. Eskow, wir tauchen gegen Menschen, nicht gegen Fische!«