»Sir«, platzte ich heraus. »Trainer Blighman, diese Reaktion ... Ich sagte es Ihnen nicht, aber ich glaube etwas gesehen zu haben .«
»Da sind sie!« rief er, und ganz bestimmt hatte er nicht ein Wort von dem gehört, was ich heraussprudelte. »Beide kommen zurück! Sie haben es geschafft!«
Ich sah sie auch, und sie kamen recht mühsam herangeschwommen. Ich war überdies der Meinung, Roger Fairfane habe Schwierigkeiten. Er sah schwach aus, und seine Bewegungen waren nicht gezielt.
David Craken schwamm neben und etwas über ihm und paßte auf ihn auf. Sie kamen in die Schleuse, und surrend schloß sich die Außentür.
Es war vorüber. Jetzt war ich froh, von dieser Seeschlange nichts gesagt zu haben. Sie waren sicher zurück, die Tests wurden damit abgeschlossen, und wir konnten unser altes Akademieleben wieder aufnehmen. Das dachte ich wenigstens.
Der Trainer platschte in die Schleuse, ehe noch das Wasser abgelaufen war, und ich folgte ihm. Roger Fairfane war so erschöpft, daß David Craken ihn besorgt musterte.
»Männer, ihr seid wunderbar gewesen und habt neue Rekorde aufgestellt«, schwärmte Blighman. Dann sah er Roger scharf an. »Irgendwelche Reaktionen?«
Roger Fairfane blinzelte ihn mit glasigen Augen an. »Ich bin okay«, behauptete er.
»Und du, Craken?«
»Absolut in Ordnung, Sir. Ich versuchte Lieutenant Saxon zu erklären, daß ich diese Injektionen nicht brauche. Ich bin gegen Drücke nicht empfindlich.«
Blighman sah die beiden nachdenklich an. »Wie denkt ihr über einen neuen Tauchversuch?«
Ich platzte heraus: »Sir, sie sind schon zweihundert Fuß tiefer gegangen als die Vorschriften .«
»Eden!« Die Stimme war wie ein Peitschenschlag. »Diese Tests sind meine Sache. Ich entscheide darüber, was die Vorschriften sagen.«
»Jawohl, Sir. Aber ...«
»Eden!«
»Jawohl, Sir.«
Er starrte mich einen Moment lang mit seinen kalten Haiaugen an, dann wandte er sich wieder an Roger und David. »Nun?« fragte er.
Roger Fairfane sah weiß und erschöpft aus, aber er nahm all seine Kraft zusammen, um David anzufunkeln. »Ich bin bereit, Trainer«, erklärte er. »Ich zeig dem da schon, wer ein Geleehering ist.«
»Roger, so hör doch«, beschwor ihn nun auch David. »Ich glaube nicht, daß du das probieren solltest. Du hattest es schon schwer, bei elfhundert Fuß zur Schleuse zurückzukommen. Bei dreizehnhundert .«
»Trainer, wollen Sie mir den Burschen vom Hals schaffen?« rief Roger. »Er will mir einen Rekord ausreden, weil er selbst .«
»Nein«, unterbrach David. »Wenn der Rekord so wichtig ist, mache ich auch Schluß. Lassen wir’s, wie es jetzt ist. Verstehst du nicht, Roger, daß es für dich nicht sicher ist? Für mich ist es anders. Ich wurde in vier Meilen Tiefe geboren. Druck ist für mich unwichtig.«
»Ich will aber weitermachen«, erklärte Roger dickköpfig.
Und das geschah dann auch. Trainer Blighman veranlaßte die Ärzte, die beiden diesmal besonders gründlich zu untersuchen.
Beide kamen mit dem Spruch heraus: keine körperlichen Reaktionen ... Gab es aber geistige Reaktionen? Gefühlsmäßige? Die narkotische Wirkung der Tiefe? Das ließ sich nicht messen, und nur David und Roger hätten es sagen können. Beide verneinten Reaktionen.
Dreizehnhundert Fuß! Wir waren eine Viertelmeile tief unten, und auf jedem Quadratzoll der zähen Edenit-Haut unseres Tiefsee-Floßes lag ein Druck von mehr als fünfhundert Pfund. Dasselbe Gewicht lag auf den Körpern von David und Roger, sobald der Test begann.
Die Seetür öffnete sich. David kam langsam heraus, seiner selbst sicher. Dann erschien Roger. Beide eilten die Führungsleine entlang zu den Bugaufbauten, die nicht zu sehen waren.
Roger hatte Schwierigkeiten. Ich sah, wie er von der Leine abwich, zurückzuckte, sich einen Moment lang treiben ließ. Seine Arme und Beine bewegten sich unkoordiniert.
»Hab’ ich doch gefürchtet, daß er Reaktion zeigt!« rief Trainer Blighman. »Aber die Tests waren doch alle gut .«
»Rufen Sie ihn sofort zurück«, forderte Lieutenant Saxon hinter ihm. Ich war sehr froh, daß der Arzt da war.
Blighman nickte. »Sie haben recht. Behalten Sie ihn im Auge. Ich versuche ihn zu erreichen.« Er trottete zum TiefseeRufgerät, das einen konzentrierten Schwingungskegel in das Wasser sandte. In der Nähe der Wasseroberfläche waren diese Schwingungen gut zu hören, aber hier unten? Sie schienen die enormen Drücke der Tiefe nicht zu durchdringen, denn Roger kam nicht zurück. Er zuckte krampfhaft, dann begann er langsam, gleichmäßig und scheinbar ruhig zu schwimmen - in die falsche Richtung, also zu Portgeländer und den dahinter liegenden Tiefen.
»Rettungsmannschaft!« bellte Blighman, und Kadetten in Edenit-Tiefenausrüstung trotteten zu den Schleusen.
Aber David Craken schaute sich nach Roger um, fand ihn und kehrte um. Er erreichte ihn noch in Sicht der Beobachtungsports. Es sah ganz so aus, als habe Roger Schwierigkeiten, doch klar zu sehen war nichts.
David gewann. Sie kamen zurück, David hatte Captain Roger Fairfane im Schlepp, und so erreichten sie die Schleuse. Wir mußten auf die Pumpen warten.
Als wir in die Schleusenkammer kamen, lag Roger auf der Bank, hatte die Gesichtsmaske abgenommen, und das Mundstück blies pfeifend an seinem Schulterharnisch. Er sah totenblaß aus, seine Augen waren glasig und blutunterlaufen.
»Fairfane, bist du in Ordnung?« fragte der Trainer.
Roger Fairfane holte tief Atem. »Er hat mich geschlagen. Dieser Geleehering hat mich geschlagen!«
»Sir, das ist nicht wahr!« fuhr David Craken auf. »Roger hatte Schwierigkeiten, also habe ich .«
»Craken, ich habe gesehen, was da draußen los war«, schnappte Blighman. »Es ist möglich, daß du ihm das Leben gerettet hast. Jedenfalls sind die Tests damit zu Ende. Alle ‘raus aus den Klamotten!«
Roger Fairfane richtete sich mühsam auf. »Dagegen protestiere ich! Lieutenant Blighman, ich wurde von Kadett Craken angegriffen, weil er Angst hatte, ich könne ihn übertreffen. Ich habe die Absicht, dies vor das Schiedsgericht .«
»Du meldest dich im Lazarett!« rief Blighman scharf. »Ob du’s nun zugeben willst oder nicht, du reagierst auf Saxons Serum oder auf den Druck. Ich will kein Wort mehr von dir hören!« Zornig ging er.
Ich dachte, das sei nun wirklich das Ende der Tests, doch auch diesmal irrte ich.
»Sir«, bat David Craken, der auch müde aussah, »ich bitte um die Erlaubnis, den dreizehnhundert-Fuß-Test vervollständigen zu dürfen!«
»Was?« Blighman starrte ihn entgeistert an.
David wiederholte seine Bitte und fügte hinzu: »Ich habe Captain Fairfane nicht geschlagen. Ich möchte beweisen, daß ich den Test bewältigen kann.«
»Craken«, antwortete Blighman zögernd, »du bist auf dreizehnhundert Fuß, und das ist kein Kinderspiel.«
»Ich weiß es. Ich bin in Marinia geboren, Sir. Ich habe Erfahrung mit solchen Drücken.«
»Na, gut, Craken. Lieutenant Saxon sagt, diese Tests seien sehr wichtig wegen seines Serums. Du kannst also deinen Test machen.«
Ich sah David zu, wie er in die kalte Schwärze hinausschwamm. Er holte regelmäßig aus, bis er an der Führungsleine außer Sicht kam. Wir warteten auf seine Rückkehr, erst Sekunden, dann Minuten.
Er kam nicht. Er schwamm die Führungsleine entlang und darüber hinaus, über die Schwelle der Sichtbarkeit. Und kehrte nicht zurück.
4. Die Gezeiten warten nicht!
Der nächste Tag war ein böser Traum, doch zum Träumen blieb uns keine Zeit. Es war ein voller Akademie-Tag, der uns forderte.
Die Gezeiten warten nicht. Über dem Korallenportal des Verwaltungsgebäudes stand dies in großen Silberbuchstaben. Sie warteten auf nichts und niemanden, nicht auf Tragödien, verlorene Kameraden, auf Zwistigkeiten. David Craken war verschwunden, die Akademie lief weiter.