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»Schluß damit«, brüllte Res, der rechte Kopf. »Res geht jetzt heim!«

»Zauberer sagt nein! Frau Soldat suchen«, beharrte Lacua, der linke Kopf.

»Lange unterwegs. Viel zu lange. Keine Frau Soldat. Weg, weg.« Das war womöglich die längste Rede, die Res je gehalten hatte. Deshalb schnappte er nach Luft, runzelte die Stirn und versuchte sich zu erinnern, womit er angefangen hatte. »Was Res sagen?« fragte er Lacua.

Der linke Kopf dachte angestrengt nach. Lacuas schweineartige Schnauze verzog sich vor Konzentration. »Denk, denk«, grübelte er. Die Köpfe des fleischfressenden Ungeheuers wurden bereits kahl, doch beide hatten einen strähnigen, fettigen Pferdeschwanz. Der von Lacua schwang hin und her, als dieser sein Gehirn durchforstete. Nutzlos. Res-Lacua zuckte mit den Schultern und lief weiter. Weder Res noch Lacua konnten das Thema einer neuen Meinungsverschiedenheit lange genug behalten, um in ernsthaften Streit zu geraten.

Janusz hatte Lacua vorsichtigerweise mit einem magischen Gegenstand ausgerüstet, über den der Zauberer von seiner neuen Heimat aus mit ihm in Verbindung bleiben konnte. Denn Janusz hielt sich mittlerweile im Eisreich auf, einen halben Kontinent südlich von Haven. Der Ettin hatte dem Magier schon früher gute Dienste geleistet – was mehr von seiner Treue und Sturheit zeugte als von seinen geistigen Fähigkeiten. Der linke Kopf, Lacua, der knapp an die Intelligenz eines Kaninchens heranreichte, war dem rechten Kopf, Res, unendlich voraus. Deshalb hatte Janusz, der bei dieser Mission die Reibereien zwischen den beiden vorhergesehen hatte, Lacua zum Anführer der Reise und zum Schiedsrichter bei allen Zwistigkeiten ernannt.

Das hätte Res bestimmt geärgert, wenn er imstande gewesen wäre, sich darauf zu konzentrieren.

Plötzlich flitzte ein Stinktier aus einem hohlen Baumstumpf, und die rechte Hand des Ettins sauste durch die Dunkelheit und schlug das Tier mit der Keule nieder. Ohne auf die stinkende Wolke zu achten, verschlang der rechte Kopf das Stinktier mit drei Bissen, während Lacua, dem das Wasser im Mund zusammenlief, zusah.

Der Stinktierduft, der sich zu dem Mantel aus Dreck gesellte, der die Haut des Ettins überzog, konnte den durchdringenden Gestank von Res-Lacua kaum noch verschlimmern. »Sauberkeit« gehörte – wie die meisten Wörter mit mehr als zwei Silben – nicht zum Wortschatz des Ettins. Eine ungegerbte Eisbärhaut bedeckte den breiten Leib des Monsters. Der Pelz war von unzähligen Flöhen besiedelt.

Der Hitze und des Ungeziefers wegen kratzte sich der Ettin ständig. Dazu waren die Dornenkeulen ganz praktisch.

»Heiß«, murmelte Res wieder. »Kein Schnee.«

»Frühling, blöd«, wiederholte Lacua.

»Schnee«, maulte Res. Lacua sah gereizt zu ihm hin. Beide Köpfe sahen von den Moskitostichen aus wie pockenübersät. Res hatte seine aufgekratzt, bis sie bluteten.

»Schnee?« wiederholte Lacua. »Wo?«

»Will Schnee.«

»Hier kein Schnee. Nix.«

»Nach Hause?«

»Bald.«

»Jetzt?«

»Nein. Später. Vielleicht.«

Res-Lacua trampelte durch die lila Blumen und die anderen Steppengewächse nach Norden. Grassamen hingen wie Fusseln an dem Riesen. Vor dem Ettin standen die hohen Gräser wie Ausrufezeichen. Hinter ihm war die Vegetation zwei Schritt breit plattgewalzt.

Seine Nachtsicht erlaubte es dem Ettin, bei Dunkelheit bis zu neunzig Fuß weit zu sehen, aber Res-Lacuas Sehvermögen hatte bis jetzt noch nicht viel dazu beigetragen, den gewaltigen Appetit des Monsters zu stillen. Der zweiköpfige Troll hatte als Imbiß zwei Ziegen verspeist und bei Sonnenuntergang eine Kuh, aber das war schon wieder Stunden her.

Plötzlich blieb Lacua stehen, ließ die Keule sinken und steckte die linke Hand in seine Tunika.

»Floh?« fragte Res, der mitleidig das Gesicht verzog.

Lacua antwortete nicht. Er zog zwei Gegenstände aus einer Tasche, die Janusz in die Eisbärenhaut hatte einnähen lassen – einen Edelstein, der einen amethystfarbenen Schein auf die Zwillingsgesichter über sich warf, und einen zweiten Stein, der wie ein ganz gewöhnlicher flacher, grauer Kiesel aussah. Lacua jedoch handhabte die beiden mit aller Ehrfurcht, zu der ein Ettin fähig ist.

»Redestein nicht verlieren«, summte er. »Lila Stein nicht verlieren.«

»Nicht, nicht, nicht«, stimmte Res mit ein.

»Sonst Ettin tot.«

Beide Köpfe nickten weise.

Jetzt hörte der Ettin das Blöken eines Schafs und schob die zwei Steine in seine Tunika zurück. Er blickte in die Nacht. Dann hörten seine vier Ohren Gebell und einen lauten Befehl, die hinter einer Anhöhe hervordrangen. Und noch mehr Blöken.

»Määäh?« fragte Res. »Määäääh?«

»Mäh Essen«, antwortete Lacua wissend.

»Ah.«

Eifrig machte sich der Ettin auf den Weg zu dem Schäfer und seiner Herde.

5

Das Dreieck

»Und? Hast du sein Geld gestohlen, Kit?« wollte Tanis wissen.

»Nein«, erwiderte sie mit einem wütenden Blick auf Caven Mackid. »Ich habe es anständig im Spiel gewonnen. Und jetzt ist es sowieso zu spät. Ich hab’s ausgegeben.«

»Anständig?« Caven spuckte auf den Boden. Die Musikanten spielten laut, doch die streitenden Stimmen übertönten die Musik. »Zehn Stahlmünzen hat sie mir abgenommen«, schrie er. »Sie hat das Geld beim Faro gewonnen. Dann hab’ ich sie beim Falschspielen erwischt und es mir zurückgeholt.«

»Mit gezücktem Messer«, betonte Kitiara.

Caven und Kitiara standen einander Nase an Nase gegenüber, richteten ihre Bemerkungen jedoch an Tanis. Wod grinste von einem Ohr zum anderen, weil alles so spannend war.

»Ich habe es ihm nicht freiwillig zurückgegeben«, sagte Kitiara. »Ich habe nichts zugegeben; deshalb gehörte das Geld immer noch mir.«

Cavens Gesicht wurde noch röter. »Und dann, als ich ihr den Rücken zukehre, wühlt sie in meinen Sachen, schnappt sich das Geld und stiehlt sich davon, die verlogene Diebin!«

Tanis legte Kitiara unsanft die Hand auf die Schulter. »Hast du den Mann beim Faro betrogen?«

»Ich betrüge nie, ob beim Faro oder bei anderen Kartenspielen«, sagte sie hochmütig. »Hab’ ich nicht nötig.« Als Tanis sie weiterhin zweifelnd ansah, wurde die Kriegerin rot und funkelte die beiden Männer an.

Der Halbelf wandte sich an Caven Mackid. »Du hast sie über einen Monat lang nur wegen zehn Stahlmünzen verfolgt?«

Der Söldner schwieg einen Augenblick. »Es geht mir ums Prinzip«, meinte er schließlich.

In der sich anschließenden Stille wurde Tanis bewußt, daß die Barden nicht mehr spielten. Vier von den Knechten des Wirts, die Sandalen und Bundhosen trugen und vor Muskeln nur so strotzten, hielten mit grimmigen Gesichtern auf die Streithähne zu.

»Wir verschwinden«, rief Tanis und zerrte die protestierende Kitiara auf die Straße. Wod schlüpfte noch knapp vor ihnen durch die Tür. Caven sah aus, als ob er überlege, die Sache auszufechten, doch dann sah er sich nach seiner Verstärkung um, fand sich allein und folgte dem Halbelfen und Kitiara in die Nacht. Die Rausschmeißer des Wirtshauses bauten sich mit vor der Brust verschränkten Armen am Eingang auf.

Solinari und Lunitari waren hinter einer Wolkendecke verschwunden. Tanis wirkte selbst so finster wie eine Gewitterwolke, als er Kitiara ansah. »Gib es ihm, Kit.«

»Es war mein Geld.«

»Gib es ihm!«

»Nein!«

Tanis’ Miene wurde noch finsterer. »Dann tue ich es – nur um ihn loszuwerden. Gib mir meinen Anteil von dem Irrlichtgeld.« Er streckte die Hand aus. Kitiara legte ihrerseits die Hand an den Gürtel, wo sie den Beutel mit dem erbeuteten Geld hängen hatte. Erst überrascht, dann zunehmend hektisch suchte sie herum.

»Tanis! Der Beutel ist weg! Warum haben wir das Geld nicht gleich vorhin geteilt?«

Caven lachte. »Sie hat es gestohlen, Halbelf. Kitiara hat auch dich übers Ohr gehauen.«