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»Dieses Haus erinnert mich an die ›Sandviper‹ in Kernen«, stellte Kitiara fest. »Rauch, schmierige Tische und in der Ecke Besoffene.«

Caven lachte auf und schenkte Kitiara nach. »Weißt du noch, wie Lloiden mal den Bierkrug ins Feuer geschmissen hat?«

Die Kriegerin antwortete mit einem Kichern. »Er dachte, er könnte beweisen, daß sie das Bier verwässern. Er sagte, Wasserbier würde das Feuer löschen«, erläuterte sie Tanis. »Statt dessen hat er das Haus praktisch niedergebrannt.« Als der Halbelf nicht lachte, wandte sich Kitiara an Caven. »Tanis ist heute nicht zum Lachen aufgelegt, Mackid«, sagte sie mit gespieltem Ernst.

Der Halbelf stand auf. Er gesellte sich zu Wod, der jetzt an der Bar herumhing und das Mädchen mit lüsternen Blicken verfolgte, obwohl es ihn geflissentlich übersah. »Ach, was für eine Frau!« sagte der Junge sehnsüchtig. Er streckte Tanis seine magere Hand entgegen. »Heiße Wod. Caven ist mein Onkel. Meine Mutter ist seine große Schwester. Bin sein Knappe – schon ein Jahr.« Tanis schüttelte die angebotene Hand.

Der Junge zeigte auf Kitiara und Mackid, die sich ausschütteten vor Lachen und einander auf die Schulter klopften. »Kannst die beiden heute abend vergessen, Halbelf. So hab’ ich sie schon früher erlebt. Wenn die erst mal bei den alten Geschichten sind, bleiben sie die ganze Nacht hocken, trinken und reden… Wenigstens haben sie nicht so viel Geld, sonst würden sie noch morgen früh da sitzen.«

»Aber Mackid hat ihr mit dem Gefängnis gedroht. Hat er das nicht so gemeint?«

Wod nickte weise. »Oh, das hat er schon so gemeint. Vielleicht denkt er gerade nicht mehr dran, weil er Bier in sich reinkippt. Aber morgen früh bestimmt wieder. Und ich schätze, ihr fällt’s auch wieder ein – morgen früh. Aber so sind sie halt, diese Söldner, Halbelf. Irgendwie wechselhaft wie der Wind. Alles vergeben und vergessen, wenn sie betrunken sind. Wenigstens bei Caven ist das so. Hauptmann Kitiara kann ’n bißchen schnippisch werden, wenn sie ein paar über’n Durst getrunken hat.«

Die Kellnerin fegte wortlos an ihnen vorbei. Wod sog den Duft von gebratenen Zwiebeln, verschüttetem Bier und gegrilltem Fleisch ein, der hinter ihr herwehte. »Herrlich«, seufzte er.

»Die ist nichts für dich«, riet ihm Tanis.

»Häh?« Wod richtete den Blick direkt auf den Halbelfen. Dann runzelte er die Stirn, als das Mädchen hochnäsig wieder vorbeilief. »Schätze, du hast recht.« Er seufzte wieder.

»Wie lange kennen sich die beiden schon?« Tanis zeigte auf Kitiara und Caven.

Wod dachte nach. »Also, die zwei Wochen Belagerung, einen Monat Vorbereitung, und dann haben sie sich nach der Schlacht noch ein paar Monate zusammen rumgetrieben. Dann hat Kitiara Caven ausgetrickst, und er ist ihr nach. Hah, du hättest ihn sehen sollen, als er gemerkt hat, daß sie sein Geld geklaut hat!«

Tanis versuchte noch mehr aus dem Jungen herauszukitzeln. »Die Schlacht?« Kitiara hatte eine Bemerkung fallen lassen, daß sie in Kern gewesen war – »bezahlte Soldaten«, wie sie es genannt hatte. Aber sie hatte nicht viel von der Unternehmung preisgegeben. Jetzt konnte Tanis vielleicht etwas erfahren.

Der Junge seufzte. »Das war schrecklich. Zauberfeuer ist vom Himmel gefallen, und die Menschen sind schreiend gestorben. Dann kommt Kitiara angelaufen, reißt mir ihr Pferd weg und will los, aber Caven holt sie ein, bringt sie dazu, auf ihn zu warten, und die beiden reiten westlich aus Kern raus, ich natürlich hinterher.«

»Kitiara wollte ihn also zurücklassen?« Wenigstens über diese Neuigkeit freute sich Tanis.

Der junge Mann bejahte. »Aber Caven ist stur. Er wollte unbedingt mit, besonders wo der Valdan geschlagene Truppen bekanntlich schlecht behandelt, wenn du weißt, was ich meine.« Er sah Tanis an, der fragend die Augenbrauen hochzog. »Hinrichten. Das heißt, das macht sein Zauberer. Aber, bei den Göttern, wenn er siegt, zahlt er gut, darum gehen Söldner das Risiko ein. Sie pokern eben gern.« Der Junge beschrieb das Wenige, was er über Kern, den Valdan und seinen Zauberer Janusz wußte. »Es heißt«, der Junge hielt inne und sah sich um, »sie hätten ein Blutband.« Er zwinkerte Tanis zu und nickte wichtigtuerisch.

Falls Wod eine bestimmte Reaktion von Tanis erwartete, blieb diese jedoch aus. »Blutband?« fragte der Halbelf, ohne seine Stimme zu senken.

Mit entsetzten Blicken nach allen Seiten brachte Wod ihn zum Schweigen. »Ruhe, du Dummkopf! Gibt’s denn hier so was nicht?« Tanis schüttelte den Kopf. »Natürlich«, fuhr der Junge fort, »darf es so was zu Hause auch nicht geben. In Kern war’s schon verboten, als mein Ururgroßvater noch in den Windeln lag. Aber es heißt, der Vater des Valdan, der alte Valdan, habe einen Schuft von Zauberer gehabt, der dazu bereit war und keine Angst davor hatte, was die Versammlung der Zauberer mit ihm anstellen würde. Also ging er los und hat den Valdan – den jetzigen Valdan nämlich, der damals noch ein Kind war – mit einem anderen Jungen verknüpft, und das war Janusz, der jetzige Zauberer.«

Tanis schwirrte allmählich der Kopf, aber er wollte Bescheid wissen. »In ganz Kern gab’s Gerüchte«, erzählte Wod, »besonders als die Eltern des Valdan – also, die Eltern des jetzigen Valdan, der damals noch ein Kind war – umkamen, unmittelbar nachdem das Blutband geknüpft worden war – wie wir glauben. Aber in Kern ist es lebensgefährlich, darüber zu reden, wenn du also je dorthin kommst, dann sag bloß nichts von dem, was ich dir erzählt habe.« Er holte tief Luft.

Tanis nickte. Er war so gründlich verwirrt, daß er kein Wort von dem hätte wiederholen können, was er gerade gehört hatte. Er sortierte die wirren Sätze des Jungen. »Was ist denn ein Blutband?« fragte der Halbelf schließlich und dachte daran, leiser zu sprechen.

Wod gelang ein ebenso selbstzufriedener wie überraschter Ausdruck. »Wo kommst denn du her, Halbelf?« brachte er schließlich heraus.

»Ich bin aus Qualinesti«, erwiderte Tanis.

Wod verkniff den Mund und nickte, als würde das alles erklären. »Aha. Ein Hinterwäldler. Nun, ein Blutband – ob es das jetzt gibt oder nicht, du weißt schon, aber in Kern glauben alle, daß es das gibt, denn – «

Tanis unterbrach ihn. »Was ist das?«

Wod warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu, fuhr jedoch aufgeblasen fort: »Man verbindet zwei Leute, normalerweise einen Zauberer mit einem Adligen. Der Rangniedere – normalerweise der Zauberer – steckt die Prügel für den Hochstehenden ein.« Wod nickte hochmütig. Dann fuhr er gereizt fort, weil der Halbelf offensichtlich nichts verstanden hatte. »Na schön, sagen wir mal, du und ich haben ein Blutband – wenn es so was gibt, aber ich wette, es stimmt…«

»Na schön«, sagte Tanis etwas niedergeschlagen, »sagen wir mal, wir haben so ein Band.«

»Also, wenn ich der Mächtige bin, dann passiert alles Schlechte, was mir passieren soll, statt dessen dir.«

Tanis zog eine Braue hoch. Wod stieß einen schweren Seufzer aus. »Na schön. Sagen wir mal, ein Hobgoblin trifft mich mit seinem Morgenstern in den Bauch.« Der Halbelf wartete. »Ich müßte so gut wie tot sein, richtig? Aber statt dessen hast du die Verletzung, und ich komme ohne Kratzer davon. So sagt man jedenfalls. Manche meinen, das sei bloß eine Legende, aber ich glaube…«

Er plapperte weiter. Ohne den Jungen länger zu beachten, lehnte sich Tanis an den Schanktisch. Wenn man Wods Geschwätz Glauben schenken konnte, würde ein Blutband zu einem Zauberer jedem Adligen einen ziemlich großen Vorteil gegenüber anderen verschaffen, ganz zu schweigen von dem beträchtlichen Einfluß auf den Zauberer. Kein Wunder, daß die Versammlung der Zauberer solche Praktiken untersagt hatte. Wod behauptete, dieser Janusz sei noch klein gewesen, als das Blutband geknüpft wurde. Falls es so ein Blutband überhaupt wirklich gab…

Tanis schüttelte den Kopf. Er dachte schon wie Wod. Der Halbelf beobachtete wieder Kitiara und Caven. Sie hingen vertraulich über dem Tisch, hatten ihren dritten Krug Bier angefangen und redeten wild aufeinander ein. Keiner schien dem anderen richtig zuzuhören.