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»Ah! Die Dame kriegt also ein Kind?« merkte der Junge auf.

»Nein«, entgegnete Tanis.

Der Junge grinste. »Also ein Scherz. Verstehe.«

Tanis lächelte den Jungen an und nickte. »Gib nur acht, daß du an der Tür stehst, wenn du es ihr sagst.«

»Ah!« wiederholte der Junge. »Temperamentvoll?«

Der Halbelf lachte.

Der Junge zwinkerte. »Ich passe auf.«Wod beobachtete, wie Tanis in der Tür der »Sieben Zentauren« stehenblieb, die weiche Morgenluft tief in seine Lungen saugte und dann in die Stadt ging. Wod hatte die Vordertür des Gasthauses bewacht, seit Caven Kitiara bis hierher verfolgt hatte, nachdem sie vorgeblich den »Maskierten Drachen« betreten hatte. Der Söldner hatte ein Lager hinter der Box von Malefiz hinten im Leihstall. Wod sah sich leicht verunsichert um. Mußte er jetzt dem Halbelfen folgen? Nein. Caven hatte gesagt, er solle Kitiara bewachen, nicht Tanis, und die hatte die »Sieben Zentauren« nicht verlassen. Der Junge setzte sich wieder auf die Bank, zog Cavens Mantel um die Schultern und wartete.»Großer Reorx in der Schmiede!«

Auf seinem Weg über die Hauptstraße zum Markt von Haven hörte Tanis einen von Flints Lieblingsflüchen, noch ehe der Halbelf denjenigen sah, der den Schrei von sich gegeben hatte. Die Stimme war zu hoch und zu nasal für einen Zwerg. Damit blieb nur eine Möglichkeit. Die Händler und Verkäufer, die bereits unterwegs waren, machten einen weiten Bogen um einen alten Stall, aus dem Laternenlicht drang. Tanis wartete. Bald gab es eine kleine Explosion, die niemanden zu überraschen schien, und eine kleine, runde Gestalt kullerte Hals über Kopf durch die offene Tür, gefolgt von Zahnrädern und einer Menge Rauch. »Hydrodynamik!« schrie die Gestalt noch im Rollen.

Keiner außer Tanis kam zu Hilfe. Statt dessen rannten drei Bürger von Haven los, um das kleine Feuer zu löschen, das an einer Ecke des Gebäudes aufflackerte. Tanis hockte sich hin, wodurch er auf Augenhöhe mit der Gestalt kam, und klopfte den Gnom ab. »Bist du verletzt?« fragte der Halbelf freundlich. Der Gnom, der auf dem Sandstein saß, mit dem dieses Stück der Havenstraße gepflastert war, blickte Tanis aus violetten Augen bekümmert an. Weiche, weiße Haare, auf denen jetzt Asche lag, zierten Kopf, Kinn und Oberlippe des Gnoms. Seine Haut war tiefbraun, die Nase knubbelig – zweifellos infolge früherer Experimente – und seine Ohren rund. Seine Kleidung bestand aus dem typisch gnomischen Sammelsurium: Seidenpumphosen in knalligem Pink, ein goldbraunes Leinenhemd, braune Lederstiefel und ein goldener Schal mit Silberfäden. »Bist du verletzt?« wiederholte der Halbelf.

»Das​war​bestimmt​der​Hydroencephalator​denn​den​Antrieb​habe​ich​schon​überprüft-«, erwiderte der Gnom. »Die​Kettenbremse​und​das​Übersetzungsverhältnis​waren​genau​da​wo​meine​Berechnungen​sie​angesiedelt​haben​bloß​ist​die​Sonne​natürlich​noch​nicht​aufgegangen​und​vielleicht​gibte​seinen​Mondquotienten​der​noch​nicht​erforscht​ist… Ja! Einen​Mondquotienten!«

Dann sprang der Gnom auf, ohne den Halbelf zu beachten, stürmte in das Gebäude zurück, wo sich mittlerweile zehn Männer versammelt hatten, die eilig eimerweise Wasser heranschleppten. Der Halbelf folgte ihm. »Solltest du nicht draußenbleiben, bis das Feuer gelöscht ist?« fragte er den Gnom. Der Kleine kletterte auf einen hohen Hocker vor einem Apparat, der sich von Wand zu Wand und vom Fußboden bis unter die Decke im zweiten Stock erstreckte.

Der Gnom blickte in die gegenüberliegende Ecke. Dort brannte es nicht mehr. Nur der Rauch stieg von den geschwärzten Balken auf, die hin und wieder orangerot aufleuchteten. »Vielleicht«, sagte der Gnom, »ein​feuerhemmender​Mechanismus​der​meiner​Ansicht​nach​so​beschaffen​sein​müßte-«

Tanis unterbrach ihn. »Sprich doch langsamer.«

Der Gnom sah von den Berechnungen hoch, die er auf ein Stück Pergament kritzelte. »Hm?«

»Langsam«, wiederholte der Halbelf.

Das Gesicht des Gnoms hellte sich auf. Mit sichtlicher Anstrengung legte er nach jedem Wort eine winzige Pause ein. »Tut… mir… leid… ich… habe… vergessen… daß… ich… nicht… unter… meinesgleichen… bin.« Er holte tief Luft. Es kostete ihn offenbar mehr Energie, langsam zu reden, als die Endlossätze auszustoßen, die für Gnome so typisch sind. Gnome, die ja gleichzeitig reden und zuhören können, halten ununterbrochenes Sprechen von allen Beteiligten für ergiebiger als das schubweise, abwechselnde Schwatzen der übrigen Rassen.

Tanis stellte sich vor. »Und wie heißt du?« fragte er noch, ehe er zu spät seinen Fehler erkannte. »Halt!«

»Schwätzer​Sonnenrad​Sohn​des​Strahlenfänger​Sonnenrad​des​berühmten​Erfinders​des​Periluminohochgeschwindigkeitsfahrstuhls​und​Enkel​von…«

Der Rest des Namens – Gnomennamen, die alle Ahnen aus Dutzenden von Generationen beinhalteten, konnten stundenlang so weitergehen – wurde von Tanis’ Hand erstickt, die dieser dem Gnom vor den Mund legte. Die piepsige Stimme wurde erstickt, und der Gnom sah Tanis böse an. Hinter ihnen wurden gerade die letzten Flammen gelöscht, und die Feuerbekämpfer zogen knurrend ab.

»Wie nennen dich die Menschen?« fragte der Halbelf in der plötzlichen Stille, während er langsam seine Hand wegnahm. »Schwätzer… Sonnenrad«, kam die Antwort. »Von der Kommunikationsgilde.«

Gnome gehörten je nach Beruf den unterschiedlichsten Gilden an – bäuerlichen, philosophischen, lehrenden und vielen anderen. »Von der Gnomischen Kommunikationsgilde habe ich noch nie gehört«, stellte Tanis fest.

»Das wirst du aber, sobald ich hiermit fertig bin«, sagte Schwätzer, der sich wieder seinem Projekt zuwandte. Nachdem die Aufregung über den Brand vorbei war, schien ihm das Langsamsprechen leichter zu fallen. »Ich werde sie gründen, sobald ich diesen Mechanismus fertig habe.«

Tanis betrachtete den Apparat, der aus Zahnrädern in allen möglichen Größen, Drähten in drei Farben und einem gigantischen Horn bestand, das wie eine Winde geformt war. Die Spitze des Horns saß in einem kleinen Kästchen, das nicht größer war als der Daumen des Halbelfs. »Kommt einem etwas groß vor, um bloß Mechanismus dazu zu sagen«, fand der Halbelf.

»Oh, natürlich hat es einen viel längeren Namen. Es ist nämlich ein…«

»Nein!« rief Tanis gerade noch rechtzeitig. »Mechanismus reicht völlig.«

Schwätzer wirkte enttäuscht. Aber er zuckte mit den Schultern und fuhr fort, Unmengen von Knöpfen und Schaltern an der Maschine neu einzustellen. Schließlich stellte er sich auf einen Stuhl, um nach einem Knopf zu greifen, den er »Demarkationsregelungsverstärker« nannte.

»Wozu ist der?« fragte Tanis schließlich.

»Wozu?« wiederholte Schwätzer. Da er auf dem Stuhl stand, befand sich sein ungläubiges Gesicht direkt vor dem von Tanis. »Er verstärkt die Option der Demarkationsregelung. Ist doch ganz logisch, oder, Halbelf?«

Tanis blickte wieder auf den glänzenden Apparat, der allerdings von Asche übersät war. Dann schaute er zurück zu Schwätzer Sonnenrad. Der Gnom seufzte tief und setzte sich auf den Stuhl. »Dieser Apparat wird das Leben auf Ansalon revolutionieren.«

Tanis blickte vom Schwätzer zu der Maschine. »So.«

Der Gnom nickte heftig. »Er wird allen Rassen ermöglichen, miteinander zu sprechen, ohne auch nur in der Nähe des anderen zu sein.«

»So.« Tanis fragte sich, ob Schwätzer Sonnenrad sich am Kopf gestoßen hatte, als er durch die Tür gepurzelt war.

»So«, stieß der Halbelf wieder aus, ohne seinen Blick von der Maschine zu wenden.

»Warum?« wollte der Gnom wissen. »Wonach sieht er denn sonst aus?«

Tanis lief vor dem Apparat auf und ab. »Es sieht aus, als sei sein Hauptzweck, Lärm zu machen.« Der Gnom sah ihn mißtrauisch an. Der Halbelf wollte einen Kippschalter berühren, woraufhin Schwätzer Sonnenrad in hektischer Eile von seinem Stuhl hüpfte.