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Tanis blickte von seinem Sack hoch. Auf seinem Gesicht zeigte sich Überraschung. »Warum sollten wir ihn nach Solace locken? Was vermutest du, Kitiara?«

Aber Kitiara sagte nichts weiter. Kurz darauf saßen sie auf Paladin und Obsidian und verließen Haven in südlicher Richtung.»Was ist?« fragte Tanis eine Stunde später. Er hörte nur Blätterrascheln.

»Jemand folgt uns.« Kitiara biß sich auf die Lippen und langte zum Schwert.

Sofort schnalzte Tanis seinem großen Wallach zu, der als erfahrenes Pferd bereits am Wegrand Deckung suchte. Kitiara und Obsidian verschmolzen auf der anderen Seite mit den Bäumen.

Bald tauchten zwei Reiter auf, die so scharf galoppierten, daß ihre Pferde schon schweißgebadet waren. Als Kitiara und Tanis ihre Verfolger erkannten, kamen sie auf den Pfad zurück. Caven zügelte seinen schwarzen Hengst so unvermittelt, daß sich das Pferd aufbäumte. Auf Tanis und Paladin regneten Schweißflocken herab. Mackids schwarzes Haar streifte die Zweige der Kiefern und Ahornbäume. Hinter ihm bremste Wod seine ausgelaugte Mähre in einiger Entfernung von dem Hengst ab.

Cavens Pferd war ein grobknochiges, rabenschwarzes Schlachtroß. Das einzig Helle an ihm war das Weiße in seinen Augen, die Blesse auf seiner Stirn und die blitzenden Zähne, die trotz seiner Kandare noch schnappten. Neben diesem Hengst war der große Paladin ein Zwerg.

»Ich wußte, du würdest dich davonstehlen, Kitiara!« rief Caven.

Kitiara schwieg zunächst. Dann knurrte sie: »Hast mir nachspioniert, was, Mackid?«

»Anscheinend aus gutem Grund. Wo willst du hin? Das ist nicht der Weg nach Solace. Wolltest mich auf die falsche Fährte locken, hm?«

Tanis meldete sich zu Wort. »Wir sind aufgebrochen, um das Geld für dich zu verdienen, Mackid.«

Cavens Gesicht war ungläubig. »Wie das?« war alles, was er sagte.

»Einen Ettin fangen. Gegen Belohnung.«

»Einen Ettin?« Cavens schwarzes Pferd tänzelte vor und zurück. Offenbar war es ebenso ungeduldig wie sein Reiter. Die anderen drei Pferde stampften ebenfalls auf, denn sie ließen sich von dem aufgeregten Hengst anstecken. »Warum habt ihr mir das nicht gesagt?«

Tanis sah Kitiara an. In seinen Augen stand eine unausgesprochene Frage. Die Kriegerin seufzte. »Ich habe dem Halbelfen gesagt, ich würde dir eine Nachricht hinterlassen.«

»Daß…?« forderte Mackid.

»Daß wir innerhalb einer Woche mit deinem Geld nach Haven zurückkommen.«

Mackid starrte Kitiara an. »Hast du zweifellos vergessen«, sagte er triefend vor Ironie. Dann lächelte er Tanis an. »Ich habe dich gewarnt. Trau ihr nicht, Halbelf.«

Tanis knurrte nur und sah die Söldnerin stirnrunzelnd an.

»Jedenfalls«, fügte Mackid hinzu, »ist die Nachricht überflüssig. Ich komme mit.«

»Wir brauchen keine Hilfe von dir«, sagte der Halbelf.

Caven Mackid lachte. »Glaubst du, ich lasse Kitiara noch einmal entwischen? Was sollte sie davon abhalten, die Belohnung zu kassieren und dann uns beiden wegzulaufen?« Er zügelte seinen Hengst und lenkte ihn zwischen Paladin und Obsidian, die auseinanderwichen. Der gelangweilte Wod bildete das Schlußlicht. »Also los«, sagte Mackid.

Es schien keinen Ausweg zu geben. Die vier ritten schweigend weiter. Sie redeten nur, wenn Cavens Hengst nach den anderen Pferden schnappte, falls sie ihm zu nahe kamen.

»Wo hast du dieses Tier her?« fragte Tanis schließlich.

»Aus Mithas.« Mithas, das auf der anderen Seite des Blutmeers lag, war die Heimat der Minotauren, der Stiermenschen, die für ihre gnadenlose Kriegführung und ihre Bereitschaft, als Söldner zu kämpfen, bekannt waren.

Caven grinste, als er die unausgesprochene Frage beantwortete. »Ich habe Malefiz beim Knochenwerfen gewonnen. Von seinem minotaurischen Herrn.« Lachend warf Mackid den Kopf zurück. »Als wenn es für Malefiz überhaupt einen Herrn gäbe! Mich duldet er gerade so eben, und auch das nur, weil er weiß, daß ich eine genauso sture schwarze Seele habe, wie er.«

Minotauren waren dafür berüchtigt, daß sie Ausländer umbrachten. Der Mann war das extreme Risiko eingegangen, einen Minotaurus herauszufordern – auch wenn es nur um so etwas Harmloses wie ein Knochenspiel gegangen war.

Caven nickte zu Paladin hinüber. »Wo hast du denn dieses… Faschingspferdchen her, Halbelf?« Tanis spürte, wie der Ärger siedendheiß in ihm aufstieg. Paladin hatte den Halbelfen bei unzähligen Gefechten getragen, hatte sich in vielen gefährlichen Situationen bewährt, war von Wegelagerern bis zu Goblins allem Möglichen begegnet. Wenn er daneben noch so sanft war, daß Kinder ihn reiten konnten – um so besser.

Aber die vier mußten irgendwie das Kriegsbeil begraben, wenn sie den Ettin zur Strecke bringen wollten. Deshalb reagierte Tanis nicht auf Cavens Spott, sondern ließ Paladin in seinen holprigen Trab fallen und lenkte ihn an die Spitze.

Jetzt war es Zeit für den Ettin.

8

Das Amulett

»Dreena.« Kai-lid kämpfte mit der Benommenheit zwischen Schlafen und Wachen. Die Stimme, die da sprach, klang geisterhaft und wie aus einer anderen Welt.

»Dreena.«

Sie kannte diese Stimme oder eine ganz ähnliche. Sie hatte sie gehört, wenn sie als Kind mit großen Augen neben ihrer Mutter gestanden und einfache Zaubersprüche gelernt hatte. Aber Kai-lids Mutter war tot.

Dennoch hörte sie die Stimme wieder. Kai-lid schlug die Augen auf. Es war völlig finster. Nachdem sie sich auf ihrem Lager in der Höhle etwas aufgesetzt hatte, bemühte sie sich, in der Schwärze etwas zu erkennen. Sie roch etwas Großes, Warmblütiges, das sich in ihrer Nähe bewegte, das sie spürte, aber nicht berührte. Es war ein magisches Wesen, allerdings nicht vollständig magisch. Kai-lid bewegte die Lippen zu einem Lichtspruch, doch die Stimme erklang zuerst: »Shirak.«

Silbernes Licht umströmte Kai-lid und das große Wesen, dessen Kopf die Decke der Höhle streifte. Die Zauberin riß die Augen auf.

Es war ein Einhorn.

Weißes Licht umfloß die Platinhaut des würdevollen Geschöpfs. Das Einhorn war groß, hatte deutlich ausgeformte Muskeln und leuchtende, eisblaue Augen voller Intelligenz, doch seine Stimme war sanft: »Hallo, meine Dreena.« Dieses zischende Flüstern. Ganz sicher hatte Kai-lid es schon einmal gehört.

»Mama?« Die Frage ertönte in der zitternden Stimme der fünfjährigen Dreena ten Valdan, nicht der rauhen Stimme der Erwachsenen, die vor ihrem Vater geflohen war und sich den Namen Kai-lid gegeben hatte.

Kai-lid – oder Dreena – erinnerte sich nur flüchtig an die traurige Frau, die sie durch ihre Kindheit begleitet hatte und dann verschwunden war – gestorben, nachdem sie einen toten Sohn zur Welt gebracht hatte, wie es am Hof ihres Vaters hieß. Schon lange vor ihrem Tod hatte jene Frau vor Schmerz und Kummer geweint.

Gerüchten zufolge hatte der Valdan seinem Zauberer befohlen, seine Frau nach der Geburt des toten Sohnes aus dem Weg zu räumen. Beim Staatsbegräbnis war der Sarg geschlossen gewesen – was noch mehr Gerüchte aufkommen ließ. Die einfachen Leute glaubten, Dreenas Mutter sei eines Nachts geflohen. Ein schnellfüßiges, silbernes Pferd hätte sie vor dem Schloß am Waldrand erwartet.

»Mama?« wiederholte Kai-lid jetzt.

Das Einhorn neigte den Kopf und berührte den Boden vor Kai-lid mit seinem Horn. »Wenn es dir hilft, mich für deine Mutter zu halten, wollen wir es dabei belassen, Dreena.«

»Aber bist du’s?«

Das Einhorn antwortete nicht, und als Kai-lid ihre Frage wiederholte, sagte das Tier schlicht: »Wir haben keine Zeit. Es gibt Ärger, Dreena.«

»Ich bin hierhergekommen, weil meine Mutter aus dieser Gegend stammt«, beharrte Kai-lid. »Mein Vater hat sie hier als junger Mann auf einer Reise geheiratet.«

»Ich weiß. Du kannst dich nicht länger verstecken – weder hier noch anderswo«, sagte das Einhorn. »Dein Vater ist ins Eisreich geflohen. Dort zieht er ein großes Heer zusammen.«

»Aber vom Eisreich aus kann er mich doch unmöglich hier bedrohen«, wandte Kai-lid ein.