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»Nein.« Die Stimme gehörte Lida. Sie trat vor die Eule. »Aber es gibt hier einen Ettin, und er ist nicht weit vor uns. Ich habe ihn aus der Luft gesehen, als wir herflogen. Ihr könnt ihn einholen, wenn ihr euch sputet.«

Es herrschte Schweigen. Dann redete Kitiara auf ihre Freunde ein. »Traut ihr nicht. Ich möchte euch daran erinnern, daß wir im Düsterwald sind.«

»Als ob wir das vergessen könnten«, murmelte Caven, der unruhig in die Finsternis ringsherum starrte. Kitiara brachte ihn mit einem Blick zum Schweigen. Dann fuhr sie fort. »Diese Eule, die Dinge vermag, von denen ich bei einer Rieseneule noch nie gehört habe, und diese Frau, die vorgibt, Lida Tenaka zu sein – sie könnten böse Erscheinungen des Waldes oder Illusionen des Wichtlins sein. Und ich möchte dich daran erinnern, Caven, daß der Zauberer Janusz womöglich uns alle selbst von Kern aus verzaubern kann.«

»Janusz ist nicht mehr in Kern«, unterbrach Lida.

Die vier blickten sie an. »Wer ist dieser Janusz? Was weißt du über diese Sache, Kitiara?« wollte Tanis wissen.

Kitiara berichtete kurz, wie der Feldzug der Kerner gegen die Meiri ausgegangen war, ohne dabei jedoch die Eisjuwelen zu erwähnen.

»Der Zauberer Janusz und der Valdan schieben mir zweifelsohne die Verantwortung für den Tod von Dreena ten Valdan in die Schuhe«, schloß sie. »Der Valdan hat den Magier erst losschlagen lassen, als er sicher war, daß seine Tochter geflohen war. Die Bauern waren verstört, denn nach dem Tod des Meir wußten sie nicht, was sie tun sollten. Dem Valdan war es wohl gleichgültig, ob seine Tochter überlebte oder starb.« Lida stöhnte leise, doch Kitiara fuhr fort: »Der Valdan wußte sehr wohl, daß die Untertanen des Meir Dreena mittlerweile liebten. Er fürchtete, daß ihr gewaltsamer Tod die Bauern zur Auflehnung gegen den Valdan bringen würde, anstatt daß sie sich still dem neuen Herrscher unterwarfen.«

Kitiara sah von Tanis zu Caven und zurück zu Tanis, dessen Miene immer finsterer wurde. »Auf meine Worte hin wagten sie den Angriff auf das Schloß«, sagte Kitiara. »Ich sah, wie Dreena es verließ, und sagte dem Valdan Bescheid, daß er sicher angreifen konnte.«

Tanis redete langsam, um nicht vor Wut zu platzen. »Dieser Zauberer Janusz hat einen Ettinsklaven, und du behältst das einfach für dich, während wir zur Jagd auf einen anderen Ettin aufbrechen, der rein zufällig in dieser Gegend auftaucht? Bei den Göttern, Kitiara, denkst du denn gar nicht nach? Du hast kein Recht, uns in solche Gefahr zu stürzen! Mackid, hast du dich denn nicht über den Ettin gewundert?«

»Doch, das habe ich«, kam die gleichmütige Antwort. »Aber ich habe nur an mein Geld gedacht.«

Tanis gab angewidert auf. Der Blick des Halbelfen schweifte über die Lichtung. Schließlich stieß er ein bellendes Gelächter aus. »Ich schätze mal, daß wir Janusz sauber in die Falle gegangen sind.«

Lida mischte sich ein. »Ihr könntet Janusz aufhalten, ihr vier. Ihr könntet den Valdan aufhalten. Erst war es ihm genug, das Reich des Meir zu erobern, aber jetzt beansprucht er ganz Ansalon. Kitiara, du kennst ihn gut; du hast für ihn gekämpft, und du kannst Truppen führen. Ich sehe, daß du, Halbelf, ein kluger und ehrenwerter Mann bist. Und du, Caven, bist ein erprobter Soldat und ein tapferer Kerl.« Caven lächelte dünn. Lida sagte nichts über Wod, doch in ihrer nächsten, umfassenden Geste war er miteingeschlossen. »Ihr vier könntet den Valdan aufhalten. Ihr könntet Helden werden. Kein anderer ist dazu in der Lage. Im Augenblick zieht der Valdan eine Armee zusammen, um vom Eisreich aus gen Norden zu ziehen.«

»Vom Eisreich?« fragten Kitiara und Caven zugleich. Der ungläubige Blick, den sie wechselten, hatte etwas unfreiwillig Komisches an sich. Dann sagte Kitiara: »Wir haben ihn in Kern verlassen, fünfhundert Meilen nordöstlich vom Düsterwald, und jetzt behauptest du, er wäre dreihundert Meilen weiter südlich? Und du sagst, wir wären in der Lage, ihn aufzuhalten? Für wie leichtgläubig hältst du uns eigentlich, Zauberin? Was willst du wirklich?«

»Woher weißt du das?« wollte Caven wissen.

Lida wirkte nervös. »Mein Traum«, sagte sie schließlich.

Caven schlug auf seinen Sattel, was Malefiz erschreckte. Als er den Hengst beruhigt hatte, sagte der Soldat: »Der Traum könnte auch ein Trick sein. Von Janusz geschickt.«

»Kannst du uns helfen, aus dem Düsterwald herauszukommen?« fragte Tanis Lida, die den Kopf schüttelte. »Xanthar kann mich tragen, aber nicht mehr.«

Als nächste meldete sich Kitiara zu Wort. »Was kümmert’s dich, was Janusz und der Valdan machen, Zauberin? So weit fort, bist du doch wohl sicher.«

Die Frau zögerte, denn sie mußte offenbar erst ihre Gedanken ordnen. »Dreena war meine Freundin, und sie haben ihren Tod auf dem Gewissen.«

»Du lügst«, schimpfte Kitiara. »Du und die Eule, ihr beide lügt. Ihr wollt etwas von uns. Ich sage, wenn du uns für etwas brauchst, dann biete uns etwas dafür. Reichtum.«

»Ich habe kein Geld.«

»Dann eben Macht. Schließlich bist du eine Zauberin.«

»Ich folge dem Pfad des Guten. Ich verhökere keine Macht.«

Tanis’ Stimme unterbrach den Wortwechsel. »Du würdest uns natürlich ins Eisreich begleiten.«

Kitiara fuhr zu ihm herum. »Halbelf! Du spielst doch nicht etwa mit dem Gedanken, ins Eisreich zu ziehen? Vielleicht ist sie nicht einmal die, für die sie sich ausgibt!«

»Ich habe mich noch nicht entschieden, ob ich gehe oder nicht.« Tanis betrachtete Lida nachdenklich. »Ich habe doch auch die Auswirkungen der Magie erlebt, Kit. Und ich würde sagen, daß diese Zauberin – die uns vielleicht wirklich nicht alles sagt, was sie weiß – ehrenwerte Absichten hat. Ich glaube, daß sie wirklich den Tod ihrer Freundin rächen will.«

Kitiara spuckte angewidert aus und kehrte dem Halbelfen den Rücken zu. Bei dieser Bewegung fiel ihr das breite Lächeln auf Cavens Gesicht auf. »Und wo liegt dein Problem, Soldat?« fuhr sie ihn an.

»Ach, Hauptmann, es ist so herzerfrischend, wenn man sieht, daß selbst du hin und wieder den kürzeren ziehst«, sagte der Kerner.

»Den kürzeren ziehen?« Kitiara traf vor Wut fast der Schlag. Sie gestikulierte wild. »Ich habe nicht die Absicht, mal eben einen Ausflug ans eiskalte Ende von Ansalon zu machen, damit diese Magd den Tod von jemandem rächen kann, der der Feind von dem Mann war, dem ich gedient habe. Den Ettin für ein Kopfgeld zu jagen, war eine Sache. Aber herumziehen, um das ungewaschene Volk von Krynn zu retten, und das auch noch ohne Lohn… ach, vergiß es!« Sie begann, davonzustapfen, schimpfte jedoch über die Schulter weiter. »Ihr zwei Männer könnt es ja gerne versuchen, aber ich kann euch dann beide nicht mehr brauchen. Trottel. Leichtgläubige Rindviecher!« Sie trat gegen einen Baumstamm, wurde dann jedoch von Übelkeit übermannt und mußte sich mit beiden Händen abstützen. Gleich darauf war der Anfall jedoch vorbei, und sie stieß sich vom Baum ab.

Tanis machte einen Schritt in ihre Richtung. »Kit…« Die Kriegerin ignorierte ihn.

Caven legte dem Halbelfen eine Hand auf den Unterarm, um ihn aufzuhalten. »Laß sie erst mal in Ruhe, Tanis. Kit wird ein Weilchen toben, aber dann kommt sie wieder zu sich. Wenn sie sich so in ihre Wut hineingesteigert hat, bringt sie jedes weitere Wort nur noch mehr auf.« Tanis zögerte und nickte dann. Kitiara starrte sie unablässig fluchend und drohend an.

Tanis und Caven unterhielten sich gedämpft weiter, während Lida und Xanthar beiseite gingen.

Verzauberung brechen, also wirklich, Xanthar.

Nicht ich habe die Wesen im Wald zurückgehalten, Kai-lid. Die haben keine Angst vor Rieseneulen. Jemand hat einen Schutzzauber über Kitiara geworfen – derselbe, würde ich sagen, der den Zauber von den drei anderen genommen hat, während du diesen phantastischen Mummenschanz aufgeführt hast. Wir sind innerhalb des Schutzzirkels, das spüre ich. Wir werden beobachtet, Kai-lid.