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Die Rieseneule schoß kreischend herunter, doch die Zauberin schien nichts machen zu können. Die ganze Zeit wurden sie aus dem Wald von den Augen beobachtet.

Auf der anderen Seite der Lichtung kämpfte Caven mit Malefiz. Er wollte aufsitzen, doch das Pferd bäumte sich auf. Caven wandte sich Tanis’ Wallach zu. Paladin trug Cavens Gewicht lammfromm.

Tanis und Kitiara sprangen los, um den zweiten Angriff des Ettins abzuwehren, warfen sich jedoch genauso schnell zur Seite, als die Waffen des Ettins auf sie zusausten. Jede Keule war mit sechs jeweils handlangen Eisendornen besetzt. Die Dornen waren von jahrelangem Gebrauch zerkratzt und abgestoßen.

Tanis machte einen Scheinangriff und traf den Riesen dann mit seinem Langschwert. Kitiara folgte auf dem Fuß. Doch das Monster hatte eine so viel größere Reichweite als sie, daß Tanis und Kitiara nur kurze Ausfälle wagen konnten, um dann gleich wieder zurückzuspringen. Nur Tanis konnte in der Dunkelheit genug sehen. Kitiara mußte sich auf ihre Intuition verlassen, um zu erraten, woher der Gegner kam, denn in mehr als ein paar Fuß Entfernung war er nur noch ein Schemen in der Finsternis.

Tanis brachte taktisch geschickt einen dicken Eichenstamm zwischen sich und das Monster. Kitiara folgte ihm blinzelnd. Xanthar kreischte weiter über ihren Köpfen herum, bis Kitiara glaubte, sie müsse selbst schreien. Der Halbelf schien die Aufregung der Eule gar nicht zu registrieren.

»Du kommst nie in seine Nähe, Halbelf«, schrie Caven von Paladin, während er versuchte, das Pferd näher heranzutreiben. »Hier muß man aus dem Sattel fechten.«

»Rede nicht, sondern tu etwas, Mackid!« schrie Tanis zurück. Der Halbelf drehte sich zu Kitiara um. »Der Ettin mag ja strohdumm sein, aber, bei den Göttern, er ist unglaublich stark!« Er hielt inne. »Caven hat jedenfalls recht. Mit Schwertern haben wir keine Chance.«

Unvermittelt hob Tanis einen faustgroßen Stein auf. »Bleib hier! Gib mir Deckung!« zischte er.

»Was? Wie? Halbelf, ich kann kaum etwas sehen!« schimpfte Kitiara. Sie griff nach seinem Arm. »Was hast du -?«

Ihre Frage blieb unbeantwortet, denn der Halbelf warf den Stein auf den Ettin. Die Köpfe des Riesen fuhren zurück. In den wäßrigen Augen stand Verwirrung. Gleichzeitig spornte Caven sein Pferd an.

Tanis legte einen Pfeil auf und schoß. Er sauste auf den Ettin zu, als Caven und Paladin auf den Riesen zustürmten. Der Pfeil streifte den Ettin an der Schulter. Der linke Kopf des Riesen schwang herum, jedoch mehr aus Überraschung als vor Schmerz, da der Pfeil kaum durch die dicke Haut gedrungen war, und sein linker Arm fiel auf Paladin herab. Caven wurde vom Pferd geworfen, und plötzlich hing der Hals des Wallachs in der Faust des dreizehn Fuß großen Ungetüms. Das Pferd trat wild in die Luft. Der Ettin schüttelte es am Hals. »Essen!« krächzte der rechte Kopf. Lacua, der linke Kopf, wiederholte Res’ Feststellung, und der Ettin schmetterte das Pferd gegen einen Baum. Tanis schrie auf, als er hörte, wie dem Tier die Vorderbeine brachen. Res-Lacua ließ los, und Paladin stürzte zu Boden.

Kitiara schoß auf den Ettin zu. Die linke Hand des Monsters ließ die Keule fallen, griff zu und wehrte Kitiara ab. Dann packte der Ettin die Kriegerin und schüttelte sie heftig, bis sie ihre Waffe fallen ließ. Caven, der jetzt im Stehen sein Schwert schwang, versuchte, näher zu kommen. Tanis schloß sich ihm an. Er wagte jetzt keinen Schuß auf den Ettin, weil er befürchtete, Kitiara zu treffen. Der Ettin schüttelte sie ein letztes Mal, um sich dann ihren bewußtlosen Körper über die Schulter zu werfen.

Dann blieb Res-Lacua stehen und sah sich um. »Frau Zauberer!« brüllte er. Über die Lichtung stürmte er auf Kai-lid zu. Tanis sah, wie sie erstarrte. Verzweifelt suchten ihre Finger in den Beuteln mit Zauberzutaten an ihrem Gürtel herum. »Xanthar!« schrie sie. »Meine Magie! Ich kann nicht…« Die Rieseneule wollte auf den Ettin herabstürzen, doch Xanthars Flügelspitze blieb an einem Ast hängen. Hals über Kopf stürzte er auf die Erde.

»Xanthar!« schrie Lida wieder. Die Eule lag reglos da.

Dann stapfte der Ettin mit Kitiara über einer Schulter von der Lichtung. Lida zerrte er am Arm hinter sich her. Res-Lacua schob sich an Tanis und Caven vorbei, als ob sie nur Schilfgras wären. Gerade als der Ettin den Rand der Lichtung erreicht hatte, trat eine weitere Gestalt vor das Monster.

Ausgerechnet Wod.

In seiner Panik riß der junge Knappe Kitiaras Schwert hoch. »Halt!« schrie Wod mit zitternder, piepsiger Stimme. Tapfer richtete er die Waffe auf den Ettin.

Der Ettin wurde nur kurz langsamer. Der zweiköpfige Riese schob Kitiaras Körper zurecht, als wäre er nicht schwerer als ein Sack Zwiebeln, und legte ihn in die Lücke zwischen seinen Köpfen. Dadurch hatte er eine Hand frei – eine Hand mit einer Dornenkeule.

Wod schrie Cavens Namen. Der bärtige Mann sah sich verzweifelt um, entdeckte einen Felsbrocken und hob ihn mit schwellenden Muskeln hoch über seinen Kopf. Dicht gefolgt von Tanis stürmte er über die Lichtung.

Wod schrie noch einmal, doch dann traf ihn die Keule des Ettins. Der Junge brach zusammen. Der Riese trat über ihn hinweg und verließ die Lichtung.

13

Die Verfolgung

Caven kniete sich neben Wod, seinem Knappen und Neffen, nieder. Tanis stand unsicher neben dem trauernden Söldner, bis das wilde Gewieher seines Wallachs ihn ablenkte und an den Rand der Lichtung führte. Paladin versuchte vergeblich aufzustehen. Seine Augen waren glasig. Das treue Pferd wurde still, als der Halbelf ihm mit seiner großen, sanften Hand den schönen Hals streichelte.

»Ich brauche nicht Gedanken zu lesen, um zu wissen, worum du bittest, alter Freund«, flüsterte Tanis. Er zog sein Schwert, sprach schweigend ein Gebet und schlitzte dem Pferd die Kehle auf. Paladins Leben rann in die Erde des Düsterwalds. Tanis blieb bei seinem Pferd, bis es aufhörte zu atmen.

Caven, der mit Hilfe von Kitiaras Schwert ein Grab auszuheben versuchte, kam in der harten Erde kaum voran.

»Bei dem Tempo dauert das Stunden«, sagte Tanis leise. »Wir müssen schnell Kitiara und Lida hinterher.«

»Ich werde ihn begraben«, sagte Caven tonlos.

»Wir könnten Steine über ihn schichten. So macht man es normalerweise, wenn jemand an einer Stelle stirbt, wo man ihn schlecht begraben kann. Und es geht schneller.«

»Er ist der Sohn meiner Schwester. Ich werde ihn begraben, wie sie es zu Hause in Kern getan hätte.«

»Aber Kitiara…«

Caven hob entschlossen die Stimme. »Kitiara ist selber schuld, die kann warten. Ich begrabe Wod. Du kannst mir helfen oder nicht, wie du willst. Du schuldest mir nichts, Halbelf.«

Tanis wußte, daß er Caven Mackid in den kommenden Tagen brauchen würde, deshalb legte er sein Schwert zur Seite und begann, mit bloßen Händen zu graben. Hinter ihnen raschelte es. Tanis fuhr blitzschnell herum, denn er erwartete einen neuen Angriff. Statt dessen war es Xanthar, der mühsam auf die Beine kam. »Kai-lid«, sagte er matt. »Wir müssen sie finden.«

»Wen?« fragte Tanis. Die Rieseneule sah ihm in die Augen.

»Lida«, berichtigte sich Xanthar. »Wir müssen Lida und Kitiara nach. Sie retten.«

Tanis wies wortlos auf Caven, der nicht einmal aufgeschaut hatte. Der Söldner arbeitete unbeirrt weiter, kratzte mit der Klinge über den Boden und sammelte mit den Fingern Steine aus der Mulde. Er hatte Wods Körper in seinen eigenen, scharlachroten Umhang gewickelt.

Die Eule nickte. »Er will ihn nicht zurücklassen?« Tanis nickte ebenfalls. Die Eule zögerte. Sie blickte nach Norden. Dann zuckte Xanthar beinahe wie ein Mensch mit den Achseln. »Caven Mackid hat recht«, meinte er. »Im Düsterwald ist es besser, kein Beerdigungsritual zu übergehen. Wir wollen Wod doch nicht unter den Untoten wiedertreffen.« Die Eule betrachtete Caven noch einen Moment und sagte dann schroff: »Nichtsdestotrotz haben wir keine Zeit zu verlieren, und du kommst kaum voran, Mensch.«