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Diesmal hatte Kai-lid plötzlich Kitiaras Faust vor dem Gesicht. »Das ist nicht spaßig, Zauberin«, zischte die Kriegerin.

Kai-lids Kapuze rutschte ihr vom Kopf. »Soll das heißen, du weißt es nicht?«

»Und woher willst du wissen, daß ich ein Kind bekomme, wenn ich sicher bin, daß es nicht so ist?«

»Bist du das?«

Kitiaras Hand zitterte, als die letzten paar Tage und Wochen an ihr vorbeizogen. »Bei Takhisis!« hauchte sie schließlich. Ihr Gesicht war entsetzt. Dann kam sie wieder zu sich und starrte die Magierin an. »Du sagst, du bist eine Zauberin, keine Heilerin, und sowieso waren alle sogenannten Heiler, die ich kenne, Scharlatane. Ich wiederhole also: Woher willst du das wissen?«

Kitiara zeigte hinter eine Eiche. »Ettin, ich hab’ gerade wieder das Schweinchen gesehen!« Kai-lid nickte dem Monster eifrig zu, das auf den Baum zulief. »Woher willst du das wissen?« fragte Kitiara Kai-lid zum letzten Mal, wobei sie die Zauberin an den Schultern packte und schüttelte.

Kai-lid entzog sich achselzuckend Kitiaras Griff. »Manchmal kann ich in Leute hineinsehen. Ich kann nicht heilen, und ich kann keine Diagnose stellen, aber ich kann Dinge erspüren. Xanthar hat mir das beigebracht. Er kann nicht zaubern, aber er hat andere Kräfte, von denen du ein paar kennengelernt hast. Auf der Lichtung hat er deinen Zustand auch bemerkt.«

»Verdammt!« sagte Kitiara, um die Zauberin dann hoffnungsvoll anzusehen. »Kannst du etwas machen?«

»Machen?«

»Um es loszuwerden.«

Das dunkle Gesicht der Magierin wurde noch dunkler. »Ich habe gesagt, ich kann zaubern und mehr nicht. Alles andere übersteigt meine Fähigkeiten – und meine Grundsätze.«

Kitiara hatte im Leben schon einiges durchgemacht – die frühe Trennung von ihrem geliebten Vater, einem Söldner, die zweite Heirat ihrer Mutter, die Geburt ihrer Halbbrüder, den Tod von Mutter und Stiefvater und den Entschluß, ihre Heimat zu verlassen, um Söldnerin zu werden, in einem Alter, wo andere Mädchen in Solace vornehmlich vom Heiraten träumten. Aber das hier…

Jede Hoffnung, daß die Zauberin gelogen haben könnte, war dahin. Ihr eigener Körper verriet ihr, daß Lida die Wahrheit sagen mußte. »Zum Abgrund damit!« flüsterte Kitiara. »Was jetzt?«

Der Ettin kehrte auf den Pfad zurück. »Dummes Schwein schnell«, beklagte er sich.»Was ist das, Lida«, fauchte Kitiara schließlich.

»Der Fieberberg«, sagte die Zauberin, die zu der fast baumlosen Erhebung zeigte. »Xanthar hat gesagt, daß der Sla-Mori dahinter liegt.«

»Und?« Kitiara hatte von Sla-Moris gehört, doch über die Bedeutung dieses besonderen Geheimwegs wußte sie nichts.

»Da wird er uns wiederfinden, das weiß ich. Xanthar sagt, daß man im Düsterwald glaubt, daß am Fieberberg ein Sla-Mori weit nach Süden führt, vielleicht bis ins Eisreich. Er hat geglaubt, daß der Ettin uns vielleicht dorthin bringt, um uns zum Valdan zu transportieren.«

»Und Xanthar weiß, wo dieser Sla-Mori ist?« fragte Kitiara, deren Gesicht sich aufhellte. »Das ist perfekt! Er bringt Tanis, Caven und Wod dorthin, wir töten den Ettin zusammen und können wieder nach Haven zurück.«

Sie blickten den Berghang hoch. Kitiara lächelte zufrieden, doch Kai-lid runzelte die Stirn. Große Stücke Schiefer und Granit bedeckten den Berg. Gewaltige Felsen waren den Hang hinuntergerutscht, so daß der Boden mit teilweise mannsgroßen Felsbrocken übersät war. Irgendwann bemerkte die Kriegerin, daß die Zauberin ihre freudige Erregung nicht teilte. »Was ist denn los?« fragte Kitiara. »Wir sind doch da, wo die Eule uns vermutet, oder?«

Kai-lid schüttelte den Kopf. »Nein, sind wir nicht. Das Tal ist da hinten.« Sie zeigte nach Süden, wo ein grüner Fleck am Rand des hohen Berges gerade noch zu sehen war. Während Res-Lacua sie einen Pfad hoch trieb, der selbst einer Bergziege einiges abverlangt hätte, sagte die Zauberin: »Wir gehen gar nicht in das Tal mit dem Sla-Mori. Und ich bin so weit entfernt von Xanthar, daß ich es ihm nicht in Gedanken mitteilen kann.«

Kitiara starrte die Frau an. Ihr Kopf begann sich wieder zu drehen. In letzter Zeit hatte sie das oft genug erlebt, um zu wissen, daß ihr schlecht wurde – ob wegen Lidas Enthüllung oder wegen des erdrückenden Düsterwalds oder wegen des Schütteins beim Kampf, wußte sie nicht. Aus großer Entfernung hörte sie, wie Lida aufschrie und sah gerade noch, wie sie nach ihr griff.

Kitiara wurde ohnmächtig.

Janusz goß Wasser in eine flache Holzschale. Geschmolzener Schnee – damit mußte er sich inzwischen behelfen. Es war nicht zu vergleichen mit dem Wasser aus artesischen Brunnen, das er in Kern zur Verfügung gehabt hatte. Er streute die entsprechenden Pulver auf die Oberfläche und sprach die Worte. Die Flüssigkeit spiegelte sein zerfurchtes Gesicht, doch das nicht aufgelöste Pulver, das auf dem Wasser trieb, sah auf seinem Bild aus wie Schimmel.

Dann begann die Szene im Wasser zu schimmern. Janusz sah einen rotgrauen Granitstein, in den die Blätter, Blumen und Tiere gehauen waren, die Dreena geliebt hatte. Der Zauberer zwang sich, die Inschrift zu lesen. Trotz seiner Müdigkeit weckte der Anblick seine Kraft und seinen Zorn.Dreena ten Valdan Lagrimat. Ei Avenganit

»Dreena, Tochter des Valdans«, übersetzte Janusz aus dem Altkernischen. »Wir trauern. Und wir werden rächen.«

Janusz beendete zitternd seine Suche. Seit Monaten war ihm nicht mehr richtig warm gewesen. Er sehnte sich nach dem Trost der gemauerten Kamine im Schloß des Valdans, oben in den Wäldern von Kern. Er erinnerte sich an den erdigen Geruch der rauchenden Holzfeuer, den Beigeschmack der warmen Getränke, die ansteckende Musik von Leier und Flöte, die die Bewegungen der Dienstmädchen untermalten, die Tabletts mit Obst und Käse hereintrugen. Das war eine herrliche Zeit gewesen.

Allerdings vor dem Krieg. Und lange vor Dreenas Heirat. Damals hatte er noch die rote Robe der neutralen Magie getragen, nachdem er das weiße Gewand derer, die dem Pfad des Guten folgen, abgelegt hatte. Er hatte noch nicht die schwarze Robe übergestreift, die er heute trug.

Janusz schüttelte das Bild des Grabsteins ab. Die beiden Reiche, Kern und Meir, waren jetzt vereint, wie er wußte. Und was den Valdan noch mehr kränkte – sie wurden von einem Komitee kleinerer Adliger regiert, die unter dem Valdan und dem Meir gedient hatten. Sie hatten sogar angedeutet, daß sie den Bauern begrenzte Gewalt über bestimmte Bereiche ihres Lebens zugestehen würden – natürlich solche Bereiche, die die herrschenden Familien nicht allzusehr beeinträchtigen würden.

Bald würde Res-Lacua Kitiara Uth Matar und Lida Tenaka zum Gipfel des Fieberbergs bringen. Bald würde Janusz den verbliebenen Eisjuwel hervorziehen und dem Ettin durch den Redestein befehlen, den Eisjuwel herauszuholen, den das Monster bei sich trug. Dann würde Janusz jene Worte sprechen, die die Magie auslösten, welche die Frauen und den Ettin über den Kontinent Ansalon teleportieren würde. Er würde Kitiara foltern, bis er wußte, wo die anderen Eisjuwelen steckten, und er würde auch seine Neugier darüber stillen können, warum Lida die Kriegerin begleitete.

Es war reiner Luxus, daß er auch die Magd herholte; das wußte er. Es war schon schwer genug, die Kraft der Eisjuwelen dazu zu nutzen, einen zu teleportieren, ganz zu schweigen von zwei oder drei Lebewesen. Den Umgang mit den Juwelen hatte er mit dem Ettin stundenlang geübt. Einmal hatte er einen erschütterten Gossenzwerg teleportiert, der sich bei seiner Ankunft im verschneiten Eisreich einmal umgesehen hatte und dann auf der Stelle umkippte. Im nächsten Augenblick hatte der Magier das scheußliche kleine Ding dank seiner Kräfte gleich wieder auf einen Hügel nördlich von Que-Kiri zurückgeschickt. Beim Aufwachen hatte der Gossenzwerg sofort behauptet, daß die seit langem tote Ratte, die er mit sich herumschleppte, ihm die unglaubliche Macht verlieh, durch Zeit und Raum zu reisen.