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Janusz lächelte. Seit der Sache mit dem Gossenzwerg hatte er dazugelernt. Er freute sich richtig darauf, die Eisjuwelen erneut anzuwenden.

Das erste, was Kitiara merkte, war, daß sie anscheinend außerhalb ihres Körpers war und sich selbst teilnahmslos beobachtete. Das ist absurd, dachte Kit benommen. Ich träume.

Die Kitiara, die sie sah, trug kein Kettenhemd. Diese Frau war über ein Herdfeuer gebeugt und trug – ausgerechnet, wie lächerlich! – ein geblümtes Kleid und eine Schürze, beides mit Spitzen besetzt. Das Kleid war pinkfarben, die Schürze weiß, und als die Traumkitiara das Maisbrot und den Lammeintopf probierte, der in einem Topf über den glühenden Kohlen blubberte, blieb der Saum von ihrem Kleid immer wieder an den Herdziegeln hängen. Die Küche war voll Dampf. Ihr lief der Schweiß herunter, und der Brokat von diesem unmöglichen Kleid klebte an Armen und Rücken fest. Doch diese Traumkitiara summte, während sie sich am Herd abmühte, denn sie nahm die mörderische Hitze anscheinend gar nicht wahr, obwohl die richtige Kitiara – die lieber sterben würde, als in einem Kleid zu stecken oder einer Küche zu stehen – aus einer Ecke zusah. Doch sie konnte nicht eingreifen, wie das im Traum eben so ist.

Als die häusliche Traumkitiara vom Herd hochkam, wurde etwas anderes sichtbar – sie war hochschwanger. Wenn sie zum Tisch ging, konnte man deutlich zusehen, daß es ihr körperlich schwerfiel. Ihre Knöchel waren geschwollen, das Gesicht hochrot. Aber sie sang – beim Abgrund! – irgendein idiotisches Lied, einen Abzählreim zu einer einfachen Melodie.

Aus einer Wiege in der Ecke drang ein Weinen, und die rosaweiße Kitiara wischte ihre mehligen Hände an der Schürze ab und hob ein etwa neun Monate altes Baby hoch. Es war kahl wie eine Murmel – aber was der echten Kitiara in die Augen sprang, waren die riesigen, spitzen Ohren des Babys und seine Augen, die so schräg waren, daß es sie kaum aufbekam. Wie konnte ein zu einem Viertel elfisches Baby noch elfischer als sein halbelfischer Vater aussehen?

Als die Traumkitiara sich in den Schaukelstuhl setzte, um das Baby auf ihrem schwangeren Bauch an die Brust zu legen, schlug irgendwo eine Tür zu, und die Küche füllte sich mit schreienden Kindern – alle mit unglaublich großen, spitzen Ohren. Sie waren unablässig in Bewegung wie ein Schwarm Fische. Es mußten Hunderte sein!

Kitiara hatte gesehen, wie verwundete Kameraden röchelnd an ihrem eigenen Blut erstickten, ohne viel mehr zu empfinden als Ärger, daß sie sich hatten töten lassen. Jetzt aber war sie wie gelähmt vor Entsetzen bei der Vorstellung, eine solche Armee von Kindern am Rockzipfel hängen zu haben. Die echte Kitiara würde sich lieber einer Goblinstreitmacht stellen als diesem Haufen Rotznasen.

Die Traumkitiara stand auf und legte das immer noch nuckelnde Baby auf den Tisch, während sie einen Keramiktopf öffnete und Kekse an die drängelnden Kinder verteilte wie ein Falschspieler Karten, die er aus dem Ärmel zieht.

Alle Mädchen trugen luftige Kleidchen in Pink und Weiß. Jedes trug eine fette Elfenpuppe, keines schwang einen Spielzeugschild oder eine Streitaxt. Die Jungen hingegen sprangen in winzigen Hirschlederanzügen herum und hielten kleine Bögen in ihren pummeligen Händen.

Dann hörte man wieder die Tür zuschlagen, und ein Brüller ging durch das Haus. Die Kinder stoben auseinander wie Blätter im Wind, um sich dann hinter ihrer Mutter wieder zu versammeln. Tanis stand auf der Schwelle. Aber dieser Tanis war dick, rot und ungewaschen – ein sehr betrunkener Halbelf, der rülpste, als er sich an den Türrahmen lehnte. Ungefähr so angewidert wie die wirkliche Kitiara betrachtete er die Kinderschar.

»Wo ist mein Essen?« rief er. »Ich habe Hunger.«

»Du bist monatelang nicht zu Hause gewesen!« kreischte die Traumkitiara. »Wo bist du gewesen, du Rumtreiber?«

»Überall und nirgends.« Der Traumtanis sah sie genauer an und höhnte: »Was? Wieder schwanger? Gütige Götter, Frau!«

Die wahre Kitiara in ihrer Ecke versuchte, der Traumkitiara, der die Tränen auf den Rock tropften, Ratschläge zu geben. »Zieh dein Schwert!« wollte Kit rufen. »Schlitz ihn auf! Setz deine Bälger im nächsten Waisenhaus ab, und dann raus hier!« Aber sie brachte kein Wort heraus.

Die Traumkitiara drehte sich um und reckte sich stöhnend vor Anstrengung nach dem blanken Schwert, das an der Wand über dem Herd hing. Die echte Kitiara war überglücklich. Doch ihr Traumzwilling nahm die Klinge, die Dutzende von Leben gerettet und unzählige andere genommen hatte, nur zur Hand, um ein selbstgebackenes Brot aufzuschneiden. Dann scheuchte sie ihren Nachwuchs an den Abendbrottisch. Geschäftig führte sie den betrunkenen Tanis von der Tür zum Kopfende des Tisches. »Wieder Eintopf?« beschwerte er sich.

Wortlos und ungesehen erschauerte die wahre Kitiara. Wenn es das war, was sie erwartete, würde sie sich lieber zu Tode martern lassen.

Obwohl da, ehrlich gesagt, wohl kein Unterschied bestand.

14

Macht der Juwelen

Als Kitiara erwachte, hatte der Ettin sie wieder über sich geworfen, und sie starrte die nahezu senkrechte Felswand des Fieberbergs hinunter. Einige hundert Fuß tiefer breitete sich der Boden des Tals aus. Aus dieser Entfernung wirkte das Tal wie ein ganz gewöhnlicher Wald, gar nicht wie der entsetzliche Düsterwald. Kitiara schloß die Augen, um einen Schwindelanfall zu vertreiben.

Als sie sie wieder aufmachte, hatte sie ihre Sinne beisammen. Schreiend kämpfte sie gegen die Umklammerung des Ettins an. Sie war zwischen seinen beiden Stiernacken eingeklemmt. »Du Hornochse!« schimpfte die Kämpferin, während sie auf den Rücken des Ettins eintrommelte. »Laß mich los! Ich kriege keine Luft!«

Res-Lacua ließ sie auf einen engen Sims plumpsen. Einen Moment lang hing Kitiara an der Bergflanke, und die Welt unter ihr drehte sich. Dann konnte sie wieder klar sehen und erkannte das besorgte Gesicht der Zauberin hinter dem Ettin. Kitiara fluchte.

»Ganz schön laut«, stellte der Ettin fest. Kitiara klappte den Mund zu. Res-Lacua deutete auf den Gipfel des Berges, der nur noch wenige Schritte entfernt war. »Hoch.«

Auf der Spitze des Fieberbergs war es kalt und windig. Lidas Kapuze flatterte im Wind, und ihre Haare wurden fast gerade nach hinten gerissen. Haltsuchend klammerte sie sich an Kitiara. Der Ettin fummelte an der schmutzigen Haut herum, die seinen Körper bedeckte. Kitiara flüsterte ihrer Begleiterin zu: »Was macht er denn jetzt?« Lida schüttelte nur den Kopf.

Von der Rieseneule war keine Spur zu sehen. Wollte der Ettin sie töten? In diesem Fall würde ihm das kaum kampflos gelingen. Kitiara blickte sich nach einer Waffe um, doch alles, was sie sah, war Schiefer. Sie waren so hoch oben, daß hier nichts mehr wuchs.

Der Ettin hielt summend einen glatten, grauen Kieselstein vor sich hin. »Meister, Meister«, sagte er ehrfürchtig.

»Was ist das?« wollte Kitiara wissen.

»Magie«, flüsterte Lida.

Kitiara kniete sich unbemerkt hin, um zwei zackige Stücke Schiefer aufzuheben. Der Ettin war zu beschäftigt, um es zu bemerken. Eines der Stücke gab Kitiara der Zauberin. »Fertigmachen«, warnte die Kriegerin. Lida antwortete nicht.

Der Ettin griff wieder in seine Haut, aus der er ein zweites kleines Ding zog. Kitiara hielt den Atem an, als sie es erkannte. Der Purpurjuwel war unverwechselbar, denn er sah genauso aus wie die, die in ihrem Packsack versteckt waren – die, die sie Janusz gestohlen hatte. Lila Blitze zuckten aus dem Kristall, und ein lautes Summen übertönte das Brausen des Windes. Das violette Licht umgab den Ettin.

Dann nickte der Ettin, als ob er einer unhörbaren Anweisung folgte, und drehte sich dabei zu den Frauen um. Er hielt den grauen Kiesel in der einen Hand und den Eisjuwel hoch über seinem Kopf in der anderen. Als er auf Kitiara und Lida zukam, begann das Schimmern in der Luft rund um die drei sich auszubreiten.