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»Bei den Göttern! Was ist das?« fragte Caven.

Tanis schüttelte den Kopf, doch Xanthar murmelte etwas, das der Halbelf nicht verstehen konnte. »Was ist es?« fragte Tanis.

Eisjuwelen. Mein Großvater hat sie vor langer Zeit einmal erwähnt, aber er hielt sie bloß für eine Legende. Angeblich bestehen sie aus Eis, das unter großem Gewicht zusammengepreßt wurde, bis es sich in kostbare Edelsteine verwandelt hat.

»Sind sie magisch?« fragte Tanis die Rieseneule. »Da sind noch mehr drin.«

In den richtigen Händen, ja, da sind sie sicher magisch. Aber sie machen mir angst. Tanis und Caven blickten wieder überrascht auf. Gehe ich richtig in der Annahme, daß die Kriegerin nicht die rechtmäßige Eigentümerin dieser Juwelen war?

Caven erwiderte vorsichtig: »Nachdem wir Kern verlassen hatten, sagte Kitiara etwas, was mich stutzen ließ. Ich beklagte mich, daß der Valdan keinen seiner Söldner bezahlt hatte, und sie sagte: ›Bis auf einen.‹ Aber sie wollte sich nicht weiter dazu äußern. Später dachte ich, sie hätte damals schon geplant, mich zu bestehlen. Aber jetzt glaube ich…« Er wies vielsagend auf die glänzenden Eisjuwelen.

Tanis starrte noch immer die Eisjuwelen an, als Xanthars Stimme seine Gedanken durchdrang. Vielleicht können uns diese Steine von Nutzen sein.

Der Halbelf sah auf, denn er begriff augenblicklich, was die Eule meinte. »Lösegeld?« fragte er.

Der Vogel nickte. Oder Magie. Wenn wir ihr Geheimnis lüften können. Ich finde, wir nehmen sie mit.

Tanis warf die Juwelen wieder in den Packsack, legte den falschen Boden darüber und steckte sein eigenes Zeug in Kitiaras Sack. Dann stand er auf und sah die Eule an. »Ich bin soweit.«

Caven seufzte. Er stand ebenfalls auf. »Ich ebenfalls.«

Ich kann euch nicht beide tragen.

»Ich reite Malefiz.«

Dann sind wir dir schnell weit voraus.

»Legt mir eine Spur, der ich folgen kann.«

Ich habe viele Verwandte. Ich könnte sie herbeirufen. Vielleicht kannst du einen von ihnen…

»Nein!« sagte Caven und fügte hastig hinzu. »Ich werde mein Pferd nicht zurücklassen. Malefiz und ich reiten Tag und Nacht, wenn es sein muß. Er ist aus Mithas, er kann die Anstrengung verkraften. So wie ich.«

Du hast also Höhenangst, Mensch?

»Nein!« wiederholte Caven halsstarrig. Er bestieg Malefiz. »Ich habe vor nichts Angst.«

Xanthar sprang auf den Boden, wo er sich möglichst tief hinkauerte. Der Halbelf kletterte auf seinen Rücken, zog Kitiaras Packsack und seine Waffen hinter sich und machte sie mit einem Lederriemen, den Caven ihm von Malefiz aus zureichte, auf dem Vogel fest. Tanis schlang seine Beine um Xanthars Körper und hielt sich gut an Harnisch und Griff der Vogelschwingen fest. Er legte den Kopf hinter den von Xanthar. Ohne weitere Umschweife stieg die Rieseneule in den Himmel auf.

»Wartet!« rief Caven ihnen nach. »Wie wollt ihr den Weg markieren?«

Du wirst es wissen. Vielleicht werfen wir dir ein paar von diesen strahlenden Juwelen hin, denen du folgen kannst.

»Wartet!« brüllte Caven, dessen Stimme durch einen Anflug von Verzweiflung dünn klang. »Die sind zu wert…« Dann war er nicht mehr zu hören.

Der Vogel schraubte sich höher, bis er hoch über den Bergspitzen dahinsauste. Tanis biß sich auf die Lippen, um sich von dem Erdboden abzulenken, der langsam unter ihm verschwamm. Caven und Malefiz verblichen allmählich zu kaum wahrnehmbaren Pünktchen. Da er sich vorgenommen hatte, nicht nach unten zu sehen, blickte Tanis vorsichtig zur Seite. Am Sonnenstand konnte er die Richtung ablesen.

»Du willst doch nicht wirklich die Juwelen verwenden, um Caven den Weg zu zeigen, oder?« schrie Tanis Xanthar zu. Der Vogel antwortete nicht, doch der Halbelf spürte, wie das Tier zuckte. Das konnte ein Lachen gewesen sein.

Weit im Westen sah Tanis vier kleine, dunkle Formen zum Himmel aufsteigen. Er machte Xanthar auf sie aufmerksam. Das sind meine Söhne und Töchter. Sie werden Caven führen und ihn vor den weniger ehrenhaften Bewohnern des Düsterwalds schützen. Trotz seiner dusseligen Tollkühnheit hat der Krieger Hilfe verdient.

Im Nordosten konnte sich Tanis gerade so eben vorstellen, wie die Spitzen der turmhohen Vallenholzbäume von Solace aussehen mußten. Es gab keine höheren Bäume als diese, die so hoch und stark waren, daß die Bewohner der Stadt Häuser in ihren Zweigen gebaut und dazwischen Hängebrücken und Fußwege errichtet hatten. Man konnte von einem Ende von Solace ans andere laufen, ohne jemals den Boden zu berühren.

Irgendwo in Solace, dachte Tanis plötzlich sehnsüchtig, saß jetzt Flint Feuerschmied zu Hause und kochte wahrscheinlich einen Topf Suppe – Flint war kein Freund der feinen Küche – und freute sich auf einen unterhaltsamen Abend im Wirtshaus »Zur Letzten Bleibe«. Tanis freute sich darauf, den Zwerg wiederzusehen, doch bis dahin würde sicher einige Zeit vergehen.

Xanthar schlug den Weg ins Eisreich ein.

Der Wind beutelte die zwei, derweil sie nach Süden flogen. Irgendwann konnte Tanis sich nicht mehr am Harnisch halten. Einen schwindelerregenden Moment lang verlor der Halbelf den Halt und sah sich schon abstürzen. Dann fanden seine Hände den Riemen wieder, und er konnte sich hochziehen. Der Vogel hielt in seinen steten Flügelschlägen nicht inne.

Erschöpfung und die beruhigende Wärme von Xanthar verschworen sich und lullten Tanis in Schlaf, doch seine Arme hatte er in dem selbstgemachten Harnisch verschlungen. Als er aufwachte, verrieten ihm das Stahlblau und Weiß des Himmels, daß es früher Nachmittag war. Er sah zu, wie der Himmel gegen Abend orangegelb wurde. Schließlich verfärbte sich der Horizont rosa, orange und rot, als nach Sonnenuntergang das Zwielicht aufzog. Die ganze Zeit flog Xanthar ununterbrochen weiter. Tanis blickte über die Schulter, doch von Caven Mackid war nichts zu sehen.

Gelegentlich ging die Eule in Gleitflug über, um Kräfte zu sparen. Wenn sie den Kopf drehte, konnte der Halbelf sehen, daß ihre Augen in dem braun-grau-gefiederten Gesicht wie orangefarbene Schlitze glühten. Eulen waren Nachtwesen, das wußte er; deshalb fragte er sich, wie es Xanthar im hellen Tageslicht ergangen war.

Lange Zeit flog die Rieseneule so hoch wie möglich, doch gegen Abend sank sie tiefer, so daß der vom Wind durchgerüttelte Halbelf auf ihrem Rücken Einzelheiten erkennen konnte. Sie überquerten gerade die Südgrenze von Qualinesti, schätzte der Halbelf, der über die Stärke und Schnelligkeit der Rieseneule staunte. Überall um sie herum ragten die zerklüfteten Gipfel des Kharolisgebirges auf, besonders steil im Südosten. Xanthar ging noch tiefer. Die höchsten Bergspitzen waren von Schnee bedeckt; kleinere Gipfel zeigten ihre bizarren, flechtenbewachsenen Felsen, die von keinem Busch oder Baum bestanden waren, bis mehrere hundert Fuß tiefer an der Baumgrenze plötzlich bodenbedeckendes Gesträuch und kleine Eiben auftauchten. Darunter begann fast so abrupt wie die Baumgrenze selbst die alpine Vegetation – Fichten, Föhren und Birken hoben sich kräftig blau, grün und weiß vom scheckigen Grau des Felsbodens ab.

Die Rieseneule glitt im Bogen auf einen Landeplatz oben auf einer Anhöhe. Sie neigte sich zur Seite, damit Tanis leichter absteigen konnte. Dann faltete sie die Flügel ein und auf, wobei sie sich benahm wie ein gefiederter Flint, der nach einem harten Einsatz am Amboß seine verspannten Schultern reckt. Auch Tanis streckte sich.

»Fühlt sich gut an, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben«, stellte der Halbelf fest.