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Einer der Thanoi, ein breiter Kerl, dem zu beiden Seiten aus dem Mund lange Stoßzähne herauswuchsen, schien besonders reizbar. Er war unbekleidet, hatte menschliche Arme und Beine, jedoch das Gesicht, den Körper und die dunkelgraue Haut eines Walrosses. Dicke Schwimmhäute verbanden seine Finger und Zehen. Grobe Borsten hingen von seiner Oberlippe herunter; sie verdeckten den breiten Mund des Thanoi. In einer Hand hielt er eine Harpune, mit der anderen griff er nach den Frauen. Er stank nach totem Fisch. Lida schrak zurück bis in Kitiaras Arme, doch die Kriegerin warf die Zauberin auf den Schlittenboden, sprang auf den festgetretenen Schnee und nahm Kampfhaltung ein, obwohl sie nicht einmal eine Waffe hatte. Sie wollte dem Thanoi gerade die Harpune entreißen, als ein Schrei die Luft zerriß.

»Despack!«

Die Ettins und die Thanoi zogen sich zurück. Die Minotauren blieben, wo sie waren, kamen jedoch nicht auf Kitiara oder Lida zu.

Janusz redete wieder in einer Sprache, die Kitiara nicht kannte. Die Minotauren hingegen hörten zu, und als die Ansprache des Magiers vorbei war, trat einer der Stiermenschen vor, blickte auf die Kriegerin herab, als wäre sie nichts Lästigeres als ein Floh, und stieß Kitiara mit dem Stiel seiner Doppelaxt auf die Walroßmenschen und die zweiköpfigen Trolle zu. Kitiara schrie zu Janusz zurück: »Denk dran, Zauberer, wenn sie mich umbringen, wirst du nie erfahren, was du wissen willst.«

Der Zauberer lächelte nur. Sein Selbstbewußtsein schien grenzenlos zu sein, und als Kitiara sich von den Waffen von Hunderten böser Wesen umgeben sah, die ihm und dem Valdan dienten, dachte sie zum ersten Mal, daß sie nun wohl doch einen Gegner gefunden hatte, mit dem sie nicht fertig werden würde. Sie lief in die Richtung, in die der Minotaurus gezeigt hatte. Die Menge wich vor ihr und dem Minotaurus auseinander. Janusz rief ihnen nach: »Toj soll dich beschützen, Hauptmann – außer natürlich, wenn er glaubt, du wolltest meine Gastfreundschaft verschmähen. Also nimm dich in acht, Hauptmann.«

Kitiara antwortete nicht. Der Gegner war eindeutig in der Überzahl, und Lida Tenaka mit ihrer geschwächten Zauberkraft behinderte sie nur. Toj schloß mit Kitiara auf. »Du warst Söldnerin?« meinte der Minotaurus.

»Nicht war«, stellte Kitiara richtig. »Ich bin es.«

Toj lachte. »Der Zauberer hat gesagt, du wärst dickköpfig. Wie ich sehe, hatte er recht.«

Der Minotaurus redete eigentümlich förmlich. Kitiara reichte ihm nicht einmal bis an die Schultern, und sie war unbewaffnet, aber furchtlos. Vorerst zumindest würde der Minotaurus ihr nichts tun, und falls er sich als gesprächig erwies, konnte sie vielleicht etwas erfahren. »Du bist ein bezahlter Soldat?« fragte sie. »Wie die Ettins und die Thanoi?«

Der Minotaurus wandte ihr das Gesicht zu. Seine Augen blitzten, und seine großen Nüstern blähten sich auf. Toj trug einen Stahlring durch die Nase und einen weiteren durch das rechte Ohr – Rangzeichen bei manchen Minotauren, wie Kitiara wußte. Sie sah breite Zähne blitzen. Seine Doppelaxt schwang gefährlich hin und her; die Muskeln seines Oberarms zuckten, während er die schwere Waffe bewegte. Als der Minotaurus schließlich sprach, bebte seine Stimme vor Zorn.

»Ich bin Söldner«, sagte er. »Ich kämpfe für Lohn. Es gibt keine besseren Kämpfer als die Minotauren. Diese Fischmänner«, er wies verächtlich auf einen stoßzahnbewehrten Thanoi, »haben das Hirn einer Schneeflocke. Sie glauben, der Valdan würde ihnen das Eisreich überlassen, wenn der Krieg gewonnen und das Eisvolk fort ist. Fischäugige Idioten! Die Ettins sind Sklaven. Sklaven. Und auch sie sind dumm, so dumm, daß sie noch nicht einmal kapieren, daß sie Sklaven sind. Vergleiche einen Minotaurus nicht mit einem Thanoi oder Ettin. Uns nennt man nicht im gleichen Atemzug mit solchem Gewürm. Wir sind die Krieger. Unsere Aufgabe ist es, die Welt zu erobern. Bei Sargas, wir sind die Erwählten!«

Toj stieß Kitiara mit der Axt an. »Weiter«, befahl er, und sie stapfte wieder los.

Hier war es wie in jedem Heerlager: laut, dreckig, stinkend. Aber nach dieser Rede schien der Minotaurus nichts weiter sagen zu wollen. Kitiara warf ihm verstohlene Blicke zu, während sie weiterging.

Minotauren bewohnten im allgemeinen Küstenstreifen. In ganz Ansalon waren sie als gewiefte Schiffsbauer und Seeleute, aber auch als tollkühne Krieger bekannt. Kitiara fiel die Warnung ein, die ein Söldner ihr vor Jahren gegeben hatte: Ergib dich nie einem Minotaurus, denn das wird als Zeichen der Schwäche angesehen und durch Hinrichtung bestraft. Männer wie Frauen wurden für die Schlacht ausgebildet, und beide zogen gleichermaßen in den Krieg. Toj mit seinen fast zwei Fuß langen, geschwungenen Hörnern war ein beeindruckendes Exemplar seiner Rasse. Sein Stiergesicht war von rotbraunem Flaum bedeckt, der am Rest seines massiven Körpers zu kurzem Pelz wuchs. Trotz der Kälte trug er nur Lederharnisch und Kilt. Mehrere Schlingen am Harnisch hielten eine Peitsche, einen Morgenstern und einige Dolche.

Schließlich hielten sie auf einem Grat über einem flachen Tal. Toj und Kitiara waren am Ende der Eisblockreihe angelangt. Nicht weit vor ihnen zogen Dutzende von Männern, Frauen und Kindern in Lumpen und schmutzigen Jacken stöhnend an einem dreifach mannshohen Eisblock. Stricke, die wahrscheinlich aus Robbenhaut bestanden, fesselten sie an den Block, der sich bei jedem Ruck nur einen knappen Fingerbreit bewegte.

»Eisvolk?« fragte Kitiara.

Der Minotaurus nickte. »Wir haben zahlreiche Dörfer erobert«, bemerkte er.

Die Gefangenen sahen so aus, wie es bei Menschen in so rauhem Klima zu erwarten war. Ihre Haut war ledern, die Haare lang. Kitiara hatte von diesem Nomadenvolk aus den Schneegebieten gehört, von den besonderen Waffen aus verdichtetem Eis, dem außergewöhnlichen Stolz und den Eisbooten. Die Gefangenen wirkten, als hätten sie tagelang nichts zu essen bekommen.

»Die Überlebenden geben gute Sklaven ab – solange sie durchhalten«, sagte Toj. »Aber sie sind rasch verbraucht.«

Noch während dieser Worte brach einer der Männer lautlos zusammen und wurde von einem triumphierenden Ettin weggetragen. Die übrigen zogen den Block mit einem letzten Kraftakt in die Reihe der anderen. Dann wurden sie von bewaffneten Ettins und Thanoi wieder in die Weiten des Eisreichs getrieben.

»Wozu diese Mauer aus Blöcken?« fragte Kitiara.

Der Minotaurus lachte. Das Geräusch klang eigentümlich muhend.

»Der Zauberer hat gesagt, du wärst nicht nur dickköpfig, sondern auch neugierig«, stellte Toj fest. »Es sieht aus wie eine Mauer, und mehr ist es auch nicht. Es gibt noch eine Mauer weit im Süden. Die ist ein natürliches Gebilde und viel größer als diese, aber für uns von keinem strategischen Nutzen. Der Valdan will, daß hier eine zweite gebaut wird, um den Feind aufzuhalten, falls er kommt.« Er zeigte darauf. Obwohl seine Beine in Stierhufen endeten, waren seine Hände wie die eines Menschen. »Die Mauer leitet den Feind zu einer Gletscherspalte. Die Öffnung ist nicht zu sehen. Der Zauberer hat einen Spruch darüber gelegt, und es heißt sogar, daß die Spalte sich bewegt, obwohl ich vermute, daß das nur Erfindung ist, um die Thanoi vom Umherstreunen abzuhalten. Der Feind wird die Gefahr jedenfalls nicht erkennen, bis alle seine Soldaten in den Tod stürzen!«

»Und wer ist der Feind?« fragte sie rasch. »Ganz Krynn«, erwiderte der Minotaurus ebenso schnell. »Jeder, der sich uns in den Weg stellt.« Er warf ihr einen verschlagenen Blick zu. »Du tätest gut daran, dich uns anzuschließen, Hauptmann Uth Matar. Wie ich höre, hast du eine ungewöhnliche militärische Begabung. Der Valdan könnte dich gebrauchen. Ich hätte nichts gegen eine solche Hilfe.«

Kitiara schnaubte. »Irgendwie bezweifle ich, daß ich dazu Gelegenheit bekomme. Der Zauberer scheint mich nicht zu mögen.«

»Oh, aber Zauberer Janusz ist nicht der Feldherr. Es ist der Valdan, den du beeindrucken mußt. Vielleicht erweist er sich gnädig.«