Выбрать главу

Kitiara war wirklich versucht. Der Valdan hatte die Macht. Aber der Zauberer würde nie zulassen, daß sie einen eigenen Handel mit dem Valdan abschloß. Sie zuckte mit den Schultern, und Toj ließ das Thema fallen.

Sie schlossen ihren Rundgang durch das Lager ab. Lida und Janusz warteten schweigend, als Toj sie zum Schlitten führte. Die Feindseligkeit zwischen den Zauberkundigen war offensichtlich. Sie vermieden es sogar, einander anzusehen. Res-Lacua stürmte heran. Er rülpste und stank nach Fisch. Wortlos bestiegen Kitiara und Lida den Schlitten, doch diesmal gesellte sich Janusz zu ihnen. Die Schreckenswölfe warfen sich ins Geschirr, und sie ließen das Lager hinter sich.

»Eindrucksvoller Vorposten, was, Hauptmann?« sagte Janusz schließlich.

»Ausreichend«, sagte Kitiara. »Es fehlt noch ein fähiger Befehlshaber, der die Truppen in Form bringt, aber die Möglichkeiten sind da – bei richtiger Führung.« Lida warf ihr einen erstaunten Blick zu.

Der Magier warf den Kopf zurück und lachte. »Ach, Kitiara, du hast Nerven! Das muß ich dir lassen.«

Der Ettin rannte hinter dem Wolfsschlitten her. Auf dem Boden des Schlittens sah Kitiara im Schatten das Stück Schiefer, das mit ihr vom Düsterwald herteleportiert worden war. Sie hatte es vorhin fallen lassen. Jetzt rutschte sie darauf zu, um es mit dem Stiefel zu verdecken.

Es begann zu schneien, und bald waren sie von gefrorenem Schnee bedeckt.

Der Ettin strahlte angesichts der Eisschicht auf seinem fast nackten Körper. Lida und Kitiara zogen gegen den gnadenlosen Wind ihre Mäntel enger um sich.

»Wenigstens stinkt er in dieser Kälte nicht so«, murmelte Kitiara. Lida lächelte nur andeutungsweise.

Sie fuhren bergauf. Bald wurde Kitiara klar, daß sie eine weitere Stufe des Gletschers erklommen.

Die Wölfe flogen über den tiefer werdenden Schnee. Lida schien in Träume zu versinken. Sie döste ein, erwachte jedoch mit einem Aufschrei, als sie rückwärts vom Schlitten kippte. Kitiara sprang hinter ihr her und riß die Zauberin hoch, während sie mit ihren Flüchen die Wölfe von ihr fernhielt. Der Zwischenfall amüsierte Janusz und den Ettin, doch was wichtiger war – das Durcheinander lenkte sie ab. Nachdem Lida gerettet war, steckte das scharfe Stück Schiefer sicher in Kitiaras Tasche, und die Kriegerin war überzeugt, daß keiner ihrer Feinde davon wußte. Es war nicht viel, aber es mochte sich als hilfreich erweisen.

Die Reise ging weiter. Alle versanken in Schweigen, das von nichts als dem Hecheln der Wölfe und dem Knirschen des Schnees durchbrochen wurde. Der Ettin hatte aufgehört zu summen.

Irgendwann ließen Schnee- und Eisregen nach, und die grauen Wolken wichen dem wohl hellsten Sonnenschein, den Kitiara je gesehen hatte. Die Sonne wurde von der weißen Umgebung zurückgeworfen, bis Kitiara vor Schmerz die Augen tränten. Den Ettin schien das gleißende Licht nicht zu stören. Kitiara und Lida zogen die Kapuzen ihrer Pelzmäntel über, kniffen die Augen zusammen und senkten den Blick. Erst da merkte Kitiara, daß die Fahrt zu Ende war. »Aussteigen«, befahl Janusz.

»Hier?« Kitiara hob den Kopf. Einen Augenblick lang sah sie nichts als Schnee. Dann paßten sich ihre tränenden Augen an, und sie sah einen graublauen Spalt vor sich. Sie und Lida kletterten aus dem Schlitten und streckten sich, um ihre steifen Muskeln zu lockern.

Hinter dem Schatten stieg der Gletscher steiler an als alles, was sie bisher gesehen hatten. »Schloß«, sagte der Ettin.

Kitiara und Lida sahen sich um und blickten einander dann verwundert an. Es war keine Behausung in Sicht und schon gar kein Schloß.

»Magie?« flüsterte Kitiara. »Ist es unsichtbar?« Lida schaute sich um. Dann schüttelte sie den Kopf. »Ich sehe kein Anzeichen von Magie.« Der Ettin zeigte auf das Eisgebirge vor ihnen. »Vielleicht werden wir wieder teleportiert«, überlegte Kitiara. Ihre Gedanken waren nicht bei der Sache, als sie vorwärts ging. Plötzlich stießen ihr starke Hände ins Kreuz. Sie fiel in das Blaugrau. In den Schneeschatten. Ins… Nichts.

Kitiara hörte Lida schreien und sah die Zauberin mit ihr in die Leere stürzen. Während Kitiara mit den Armen rudernd und sich drehend fiel, erkannte sie ihren Fehler. Sie war in eine schneebedeckte Gletscherspalte gestoßen worden, die im gleißenden Licht der untergehenden Sonne nicht zu sehen war. Sie sah Bruchstücke vom Himmel, eine glatte Wand, ein fernes V auf dem Grund, das mit erschreckender Geschwindigkeit auf sie zuraste. Als sie sich herumwarf, sah sie den Zauberer des Valdans wie eine Feder oben schweben. Warum sollte er sie umbringen, ehe er wußte, wo die Eisjuwelen waren? Das war völlig unlogisch.

Die Kriegerin sah Eiszacken auf dem Grund der Spalte. Es gab nichts, was sie tun konnte. Weit oben sah man nur noch einen Lichtpunkt. Wieder hörte sie Lidas Kreischen. Kitiara gab einen Strom von Unflätigkeiten von sich. Wenigstens würde sie den Göttern zeigen, daß Kitiara Uth Matar das Leben nicht maunzend wie ein Kätzchen verließ wie diese Zauberin.

Beim Fluchen fiel ihr das ungeborene Kind ein. Kitiara würde sterben, ohne dieses Baby zu bekommen. Nein, versicherte sie sich, sie hätte es sowieso nicht bekommen. Es gab schließlich Zauberer, die sich gegen Bezahlung um solche Unannehmlichkeiten kümmerten.

Aber…

Sie verdrängte den Gedanken.

Hätte ihr Baby ihre schwarzen Locken gehabt? Cavens schwarze Augen? Oder Tanis’ spitze Ohren und seine schrägen, haselbraunen Augen? Hätte es wohl die irritierende, urteilende Mentalität des Halbelfen geerbt, immer das Rechte tun zu wollen?

Tat sich da unten in der Gletscherspalte, durch die sie stürzte, nicht eine weitere Spalte auf?

Kitiara wäre bei den Geburtswehen tapferer gewesen als ihre Mutter, das wußte sie.

Obwohl sie glaubte, daß sie gleich sterben würde, tröstete sich Kitiara mit dem Gedanken, daß sie bei den Geburtsschmerzen nicht gewimmert hätte. Sie hätte die Hebamme mit ihrer Tapferkeit in Erstaunen versetzt. Nein, erinnerte sich Kit wieder, sie hätte das Baby doch gar nicht bekommen. Oder, fügte sie hinzu, wenn sie es geboren hätte, hätte sie es jedenfalls sicher nicht behalten.

Sie hatte sich nie vor einer Schwangerschaft geschützt. Ihr war nie der Gedanke gekommen. Wie konnte ihr Frauenkörper sie derart verraten haben?

Dann verschwand Lida – in einem Seitenkanal.

Kitiara raste ihr hinterher. Ganz plötzlich verlangsamte sich ihr Fall, als wäre sie aus der Luft in ein dichteres Element gelangt. Unter ihr schwebte Lida jetzt mit den Füßen nach unten zum Boden eines Schachtes. Kitiara landete neben ihr. Sie hörte Janusz husten. Als sie herumfuhr, sah sie den Zauberer dreißig Fuß höher in einer Wandöffnung stehen. Er hob die Hand zum spöttischen Willkommensgruß. Kitiara sah weg.

Sie waren in einem Verlies, doch es war ein Verlies, wie Kitiara es noch nie gesehen hatte. Dieses Gefängnis war nur aus Eis errichtet, aus riesigen Schollen. Die Wände erstreckten sich ohne Risse über Hunderte von Fuß nach oben.

An den Rändern des Verlieses baumelten ohne sichtbare Aufhänger ein Dutzend Leichen in unterschiedlichen Zerfallsstadien. Kitiara hörte Lida würgen. Die Kriegerin erkannte die Kleidung der Leichen – die weißen Mäntel des Eisvolks. Sie blickte wieder zu Janusz.

»Die Eisjuwelen stammen aus dem Eisreich«, sagte der alte Magier gelassen. »Da bin ich sicher. So sicher wie darin, daß das Eisvolk weiß, wo man nach diesen Steinen schürfen kann.« Er wies auf die vertrockneten Krieger. »So enden alle, die mir das Wissen verweigern, das ich zu bekommen wünsche. Solltest du dir merken, Hauptmann.«

Die Wände des Kerkers waren glatt, als wären sie geschmolzen und wieder gefroren, fand Kitiara. Der Boden hingegen war mit etwas bedeckt, das wie dickes Segeltuch aussah. Sonst gab es keine Polsterung, doch sie und Lida waren unverletzt gelandet. Lida schien vom Anblick der Leichen wie hypnotisiert. Ihr Gesicht wirkte in dem kalten Licht, das von den Wänden ausging, aschblau.

Nun bückte sich die Kriegerin und klopfte sich den Schnee von Hosen und Mantel. Endlich war ihr mal warm genug, obwohl sich die Eiswände nach oben erstreckten, so weit sie sehen konnte. Kitiara ging auf die nächste Leiche zu und streckte die Hand nach dem Toten aus.