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Da plötzlich fiel Tanis ein Gnom aus Haven namens Schwätzer Sonnenrad ein, der einen strahlenden, purpurfarbenen Juwel benutzt hatte. Er schlug Xanthar mit der Hand auf die Schulter, was der müden Eule einen Protestlaut entlockte. Tanis entschuldigte sich, konnte aber die Aufregung in seiner Stimme nicht verhehlen.

Was ist denn?

Rasch beschrieb Tanis der Rieseneule seine Idee.

Dann müssen wir noch vor Sonnenuntergang handeln.

Xanthar drehte ab und flog mit kräftigem Flügelschlag nach Nordwesten. Er schien neue Kräfte gewonnen zu haben. Caven hielt Malefiz an, um das Paar zu beobachten, wozu er gegen die blendende Sonne seine Augen beschattete. Xanthar kreiste langsam westlich von Hengst und Reiter, während Tanis wieder Kitiaras Sack öffnete.

Beeil dich. Die Sonne geht bald unter.

»Ich dachte, es ist dir egal, ob Caven hier stirbt?«

Pause. Niemand verdient den Tod. Am wenigsten, wenn es um eine gute Sache geht.

»Xanthar«, sagte Tanis, »auf deine alten Tage wirst du noch ein sentimentaler, alter Vogel.«

Graue Federn sträubten sich an Xanthars Hinterkopf. Ich möchte doch betonen, daß du wenige Sommer vor deinem Hundertsten auch kein allzu junges Küken mehr bist, Halbelf.

Tanis lachte. Er nahm einen der Eisjuwelen zwischen Daumen und Zeigefinger. »Ich bin soweit«, sagte er. Auf Tanis’ Zeichen hin flog Xanthar nach Süden. Der Halbelf hielt den Stein hoch über seinen Kopf und richtete ihn genau aus. »Der Stein wird warm«, schrie er.

Hast du nicht gesagt, dieser Sonnenradkerl hätte seinen Juwel zum Schluß in die Luft gejagt?

Der Stein in Tanis’ Hand war mittlerweile heiß, doch noch immer schoß kein Strahl aus dem Kristall. Selbst wenn der Stein so funktionierte wie der des Gnomen, wußte Tanis nicht, ob er imstande sein würde, den sengend heißen Stein weiter festzuhalten. Schließlich ließ er ihn fluchend los, und der Juwel trudelte glitzernd unten in den Sand, in dessen Wogen er verschwand.

Xanthar flog wieder nach Norden, während Tanis einen Pfeil aus dem Köcher zog. Mit dem Dolch spaltete er den Schaft längs bis kurz vor dem Ende auf und bekam so eine grobe Zange. Dann zog er einen weiteren Juwel aus dem Packsack.

Versuch, sie nicht alle zu verlieren. Ich dachte, du willst sie noch irgendwann als Lösegeld verwenden.

Tanis grummelte. Mühsam klemmte er den Juwel zwischen die Seiten seines neuen Werkzeugs. Dann hielt er die ganze Konstruktion über den Kopf, um einen anderen Ansatz zu finden.

Schnell. Die Sonne…

»Ich weiß.«

Wieder erhitzte sich der Juwel, doch mit Hilfe der selbstgebastelten Zange konnte Tanis ihn ohne Schwierigkeiten festhalten. Selbst jetzt schien der Stein sich nur bis zu einem bestimmten Punkt zu erhitzen, nicht weiter. »Es sind deine Flügel«, murrte Tanis.

Was?

»Deine Flügel. Die Sonne steht schon tief. Deine Flügel beschatten den Stein.«

Wäre es dir lieber, wenn ich sie nicht benutzen würde?

»Werd nicht sarkastisch.«

Xanthar zuckte mit den Achseln und flog wieder nach Norden. Caven war mittlerweile abgestiegen und versuchte, den Hengst zu führen. Das war auch nicht erfolgreicher, denn das Pferd schwamm im Sand.

»Ich habe noch eine Idee.« Ohne an das Risiko zu denken, löste Tanis den Harnisch, der ihn an der Eule festhielt. Vorsichtig kniete er sich auf den Rücken der Eule.

Was machst du da? Halbelf, du verlierst das Gleichgewicht – ich kann dich nicht auffangen, wenn du fällst!

Ohne auf den Vogel zu achten, stellte sich Tanis auf Xanthars Rücken. Die Federn der Eule erwiesen sich unter seinen Mokassins als glatt. Der Halbelf richtete sich ganz auf und streckte den linken Arm balancierend zur Seite. Dann hielt er mit dem rechten Arm die Zange mit dem Juwel hoch über seinen Kopf. Er versuchte, nicht an den Boden tief unter ihm zu denken. Plötzlich glitt Kitiaras Sack mit den restlichen sieben Juwelen vom Rücken des Vogels. Tanis wollte schnell zupacken, rutschte aber aus und landete mit einem Aufschrei auf Xanthars Rücken. Er lag quer über der Eule, so daß seine Beine an einer Seite herunterbaumelten und der Kopf über die andere Seite hinausragte. Dadurch hatte er einen guten Blick auf den Packsack, der kreiselnd hinuntersauste und auf der Ebene aufprallte. Über der Aufschlagstelle bildete sich eine Staubwolke. Tanis setzte sich mühsam wieder auf. Wenigstens hatte er die Zange nicht fallen lassen.

Wieder flog Xanthar nach Norden und kurz darauf erneut südwärts. Bald stand Tanis wieder in der richtigen Position mit einem Arm zur Seite ausgestreckt, den anderen mit dem Juwel hoch über seinen Kopf gereckt. Er wagte keinen Blick nach oben, um zu überprüfen, ob der Stein richtig ausgerichtet war.

Halbelf…

Die Gedanken des Vogels wurden unterbrochen. Oben begann es zu summen. Aus dem Augenwinkel sah Tanis einen amethystfarbenen Strahl auf den Sand zuschießen. »Funktioniert es?« rief er. »Schmilzt der Sand?«

Aus dem Winkel kann ich das nicht feststellen.

»Flieg weiter.«

Sie setzten ihren langsamen Flug nach Süden fort, wobei der Stein ununterbrochen brummte, bis fast eine Stunde verstrichen war und Tanis’ Muskeln vor Schmerz lahm wurden. Endlich erreichten sie den Rand der Sandwüste. Dankbar ging Tanis in die Knie und klammerte sich an der Eule fest, während diese zur Landung ansetzte. Gerade als die Sonne am Horizont versank, drehten sie sich dann um und sahen zurück.

Mitten durch die schier endlose Ebene zog sich ein leuchtender Weg aus geschmolzenem und gehärtetem Sand. Und in der Ferne nahten vorsichtig über diesen eigenartigen Weg Caven Mackid und der lahmende Malefiz. Caven schwenkte triumphierend Kitiaras abgestürzten Packsack über dem Kopf.

In dieser Nacht machten sie Pause. Xanthar schlief. Währenddessen kümmerte sich Caven um Malefiz, der sich bei seinem Kampf mit dem Sand eine Sehne angerissen hatte. Das gewaltige Pferd stand mit lahmem Bein da. Es schnaubte und lehnte jedes Futter ab.

»Du kannst ihn nur ruhen lassen«, sagte Tanis.

Am nächsten Morgen glühte Malefiz vor Fieber und war kaum noch bei Bewußtsein. Caven stand da und blickte wortlos auf sein Pferd herab. Seine Hand lag am Griff seines Dolches. Tanis ging ein Stück zur Seite, damit der Kerner den Hengst von seinen Qualen erlösen konnte.

»Was jetzt?« fragte Caven Tanis. »Es sind noch mindestens hundert Meilen bis zum Eisreich. Die Eule kann uns nicht beide tragen.«

Beide Männer blickten auf Xanthar, der immer noch auf einem Felsen über dem Lager schlief. Sein erschöpftes Schnarchen war noch hundert Fuß weiter zu hören. Als wenn der Blick der Männer sie aufgestört hätte, erwachte die Eule schnarrend und sah sich dämmrig um.

»Er kann nicht einmal mich noch sehr viel weiter schleppen«, flüsterte Tanis. »Er nennt mich schon dauernd Kai-lid.«

Caven zog die Brauen hoch, worauf Tanis erklärte: »Lidas Düsterwaldname, wie die Eule sagt.«

Der verwirrte Blick des Kerners wich einem erwartungsvollen Ausdruck. »Was machen wir also jetzt?«

Der Halbelf reagierte gereizt. »Wer hat mich denn zum Führer dieser Reise ernannt?« Caven wartete. »Machen?« wiederholte der Halbelf. »Ich finde, was Xanthar machen sollte, ist, in den Düsterwald zurückzukehren, denn von dort hat er offensichtlich Kraft und Macht bezogen. Beides verliert er unaufhörlich. Und was wir beide machen sollten, Caven Mackid, ist, ohne ihn weiterzuziehen.«

»Wie?« wollte Caven wissen.

»Wie schon? Wir laufen.«

17

Kitiara und der Valdan

»Schnell, schnell! Valdan wartet.« Beide Ettinköpfe sprachen gleichzeitig, als das Monstrum von dem Zugangsloch hoch oben in der Kerkerzelle heruntersah. Das Gebrüll des Ettins hallte durch die leere Zelle, so daß Lida aufsprang. Kitiara genoß es, den Ettin zu reizen, indem sie gemächlich zu der Wand gegenüber dem Eingang schlenderte. Der zweiköpfige Troll warf ein Seil durch die Öffnung, an dem er herunterkletterte. Er packte sie mit seinen dreckverkrusteten Händen. »Schnell. Will jetzt. Jetzt, jetzt, jetzt.« Kitiara roch den ranzigen Fischgeruch in seinem Atem. Der dreizehn Fuß große Ettin schleppte sie zu dem Leiterersatz. Lida wollte folgen, doch Res-Lacua hielt sie auf. »Nur Soldatfrau.«