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Das Trommeln wurde lauter. Das Dröhnen zerrte an Tanis’ Nerven. Es hörte sich an wie Kriegstrommeln, aber langsamer. Jetzt glaubte Tanis, er könnte schwächere Schläge hören, die abwechselnd mit den lauteren Vibrationen ertönten. Vielleicht war es gar nicht ein großes Wesen, sondern viele kleinere. Er sagte Caven, was er vermutete.

»Im Namen von Takhisis, sind es womöglich Drachen?« flüsterte der Kerner.

»Drachen sind schon seit Tausenden von Jahren nicht mehr auf Krynn gesichtet worden. Wenn überhaupt jemals.«

Caven und Tanis warteten regungslos ab, während die schwarze Linie näher kam, sich ausbreitete, schwärzer wurde. Dann kamen sie mit brausendem Flügelschlag angerauscht. Cremeweiße Bauchfedern blitzten auf, als sich über dreihundert Rieseneulen auf den Steinen und Bäumen der Küste niederließen. Unter den ersten war Xanthar, der sich umständlich auf einen nadelartigen Felsvorsprung setzte. Wie der Blitz sprangen Tanis und Caven zwischen den Bäumen hervor und rannten auf ihn zu.

Tanis rief den Namen der Eule in der Erwartung, gleich die sarkastischen Worte des Tiers in seinem Kopf summen zu hören. Aber es kam keine telepathische Antwort. Tanis war erschrocken, Caven überrascht. Vor der Rieseneule blieben sie stehen.

»Was hat denn der alte Kanarienvogel?« stammelte Caven. Tanis blickte dem Vogel in die eingesunkenen, schlammfarbenen Augen, die vor Schmerz verschleiert waren. Der Schnabel des Vogels stand ein Stück weit offen. Er schien zu keuchen. Aus der Nähe erkannte der Halbelf das einst schlanke Tier kaum mehr. Die stolze Haltung des Vogels konnte nicht verbergen, daß Xanthar fast nur noch aus Knochen und Federn bestand.

»Er kann nicht mit uns reden«, sagte Tanis zu Caven. »Er ist zu weit vom Düsterwald entfernt. Die Zauberin hatte ihn gewarnt.« Der Vogel nickte. »Aber er kann alles verstehen, was wir sagen.« Wieder nickte Xanthar.

»Was ist mit den anderen Vögeln?« wollte Caven wissen. »Können wir mit ihnen kommunizieren?«

Tanis sah sich die lautstarke Menge Rieseneulen an, die sich ein ganzes Stück in beiden Richtungen über das Ufer verteilt hatten. Xanthar schüttelte den Kopf. »Nach allem, was Kai-lid erzählt hat, vermute ich, daß nur Xanthar die seltene Fähigkeit hatte, mental zu anderen als zu seiner Rasse zu sprechen«, meinte der Halbelf. Xanthar neigte wieder den Kopf.

»Könnte er noch mit der Zauberin reden?«

Xanthar legte den Kopf schief, und Tanis zuckte mit den Schultern. »Vielleicht. Er hat sie ausgebildet. Zwischen ihnen besteht ein starkes Band. Aber das spielt keine Rolle, oder? Sie ist nicht hier.«

Vier etwas kleinere Eulen gesellten sich zu Xanthar. Sie schienen mit dem alten Vogel zu streiten. Jeder von ihnen saß auf der Spitze einer toten Eiche und zeigte seine Erregung durch Zirpen, Flügelschlagen und reichlich Schnabelwetzen. Xanthar saß – offenbar ungerührt – hoch auf seinem Stein und überblickte sie alle wie ein König. Die kleineren Vögel meldeten sich wieder zu Wort, doch Xanthar senkte wieder den Schnabel; weil er anderer Meinung war, wie Tanis vermutete. Die anderen rutschten unruhig auf ihren Ästen hin und her und heulten lauter. Xanthar schien nachzudenken, senkte dann aber erneut den Schnabel. Die vier anderen Eulen dachten offenbar, daß eine Entscheidung gefallen war. Mit kräftigem Flügelschlag schwangen sie sich in die Luft.

Xanthar folgte ihnen nicht. Statt dessen richtete er sich auf und rief ihnen etwas hinterher. Sein Kreischen konnte es mit dem Tosen von Wind und Ozean und krachenden Eisschollen aufnehmen.

Mehrere Eulen stiegen auf und kreisten über ihnen, wobei sie auf die Rieseneule einschrien. Eine schien besonders aufgestört, denn sie schoß wieder und wieder zu Xanthar herab und kreischte abgehackt.

»Ich glaube, sie wollen, daß Xanthar nach Hause zurückkehrt«, sagte der Halbelf, der zusah, wie die Rieseneule ihren Schnabel hob und ein tiefes Trillern ausstieß, wie Wasser, das über Steine rinnt. Daraufhin kamen die vier zurück, wirkten jedoch geschlagen. Diesmal landeten sie auf dem Boden, wo sie Tanis und Caven aus großen Augen anstarrten.

»Ich hasse diesen Blick«, flüsterte Caven. »Da komme ich mir vor wie Abendbrot. Ihr Abendbrot.«

»Ich denke, daß Xanthar seine Familie immer noch beherrscht«, sagte Tanis, der die Bemerkung seines Kameraden ignorierte. Er erhob die Hand gegenüber dem nächstsitzenden Vogel. Dieser neigte leicht seinen Kopf.

Caven zog eine Augenbraue hoch. »Familie?«

»Sieh sie dir an.« Tanis zeigte auf die vier und auf andere Eulen zu beiden Seiten. »Xanthars Dunkelbraun und Grau, und sie sind heller. Diese beiden sind golden, aber ein paar haben den gleichen weißen Fleck über dem Auge wie er. Sieh dir ihre Gefiederzeichnung an, ihre Haltung. Traust du deinen eigenen Augen nicht?«

Der Kerner starrte eine Weile hin und schüttelte dann den Kopf.

»Wenigstens ist jetzt klar, wie wir ins Eisreich kommen«, stellte Tanis fest. Xanthar nickte.

»Klar?« Cavens Augen schossen nervös von Tanis zu Xanthar, dann zu dem Paar brauner Eulen hinüber, das über die Böschung auf den Halbelfen und Caven zugewatschelt kam. Ihre braunen Augen leuchteten entschlossen, doch das Gesicht des Söldners verriet seine aufkeimende Panik. »Oh, nein!«

Tanis beachtete ihn nicht.

»Lieber schwimme ich durch die Bucht, als auf dem Rücken dieser Tiere zu fliegen«, schluckte Caven. Er ging einen Schritt zurück. »Ich – ich bin nicht dazu geschaffen, wie ein Vogel zu fliegen, Halbelf.«

»Du meinst, du hast Höhenangst«, sagte Tanis.

Caven fuhr auf. »Angst? Ich doch nicht. Ich würde bloß lieber… lieber… laufen.«

»Du mußt fliegen, also Schluß jetzt.«

»Ich… kann nicht.«

»Nicht einmal für Kitiara?«

»Für niemanden. Mir wird schwindelig… ich falle runter. Halbelf, im Zweikampf schlägt mich keiner, auch zu Pferde nicht, aber oben in der Luft…« Der Gedanke ließ ihn erschauern. »Bei den Göttern, das wage ich nicht!«

»Wir brauchen dich«, gab Tanis zurück. »Du kannst meinen Harnisch nehmen. Bind dich fest, du fällst nicht runter.«

Einer der Vögel, der auf seiner braunen Stirn eine weiße Blesse hatte, war bei Tanis angelangt und drehte sich um und bot ihm seinen breiten Rücken an. Der Halbelf holte das Ledergeschirr aus dem Packsack und legte es der Eule um Brust und Flügel. Sie klappte ihre Flügel auf und zu, um den Sitz des Geschirrs zu prüfen.

»Halbelf…«, sagte Caven warnend.

Der andere Vogel, der genauso golden war wie der erste, aber ohne dessen Blesse, tauchte auf der anderen Seite von Caven auf. Ernst blickte er auf den Söldner herab, zupfte dann mit dem Schnabel an seinem Hemd und stupste ihn zu der wartenden Eule hin. »Nein!« sagte Caven. »Geh weg!« Er legte eine Hand an sein Schwert und blickte wild nach beiden Seiten.

Die beiden Eulen sahen einander an, dann zu Tanis hin. Der Halbelf hörte keine telepathische Stimme, doch er verstand, was die Vögel vorhatten. Im selben Moment hob die Eule ohne Harnisch ihren Schnabel und kreischte. Bei dem Geräusch sträubten sich Tanis die Haare im Nacken. Caven fuhr herum und wollte sein Schwert ziehen. Da schnappte sich der Halbelf das Stück Treibholz, das er zuvor weggeworfen hatte, hob es geschwind auf, und als der Söldner mit dem Schwert ausholte, ließ Tanis ihm das Holzstück auf den Kopf krachen. Der Kerner sackte augenblicklich in sich zusammen.

Kurz darauf hatte Tanis den bewußtlosen Söldner der Eule mit der Blesse auf den Rücken gebunden, die vom Rand des Abgrunds in die schwindelerregende Leere über dem aufgewühlten Wasser der Eisbergbucht sprang. Die andere Eule, an deren Hals sich Tanis klammerte, folgte kurz darauf. Xanthar erhob sich von seinem Ausguck und übernahm die Führung. Nach einmaligem Kreisen wendeten sie sich gen Süden.

Hinter ihnen folgten Hunderte von Rieseneulen, die sich über den blaugrauen Himmel verteilten.Kai-lid.