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Vor ihren Augen lag ein Scheiterhaufen aus Torf. Das Eisvolk hatte eine niedrige Bahre aus Eisblöcken gebaut, auf der in einer Leinenschlinge Xanthars zugedeckter Körper lag. Rundherum war Torf aufgestapelt, der beim Eisvolk begehrt und kostbar war.

Es hatte einiges an Verhandlungskunst in Form von Gesten und Zeichensprache gekostet, die Rieseneulen dazu zu bringen, daß sie dem Eisvolk gestatteten, Xanthars Körper zu verbrennen. Bis auf das Trillern und Heulen, das direkt auf Xanthars Zusammenbruch am Vortag gefolgt war, gab es bei den Rieseneulen keine besonderen Riten, wenn einer von ihnen starb. Die Vorstellung eines »Begräbnisses« schien Goldener Flügel und Klecks zu verwirren. Tanis hatte versucht, ihnen zu erklären, daß es beim Eisvolk als große Ehre galt, einen Körper Rauch und Flammen zu übergeben, und daß die Dörfler glaubten, Xanthars wahres Ich würde durch diese Zeremonie befreit, um im Totenhimmel weiter durch die Lüfte zu sausen, wie es der große Vogel zu Lebzeiten getan hatte.

Die Eulen hatte das nicht wirklich überzeugt, doch sie hatten zugestimmt. Tanis wurde den Verdacht nicht los, daß die Rieseneulen glaubten, diese Menschen hätten die erstaunliche Vorstellung, daß der arme Xanthar nur gefroren war und sich deshalb von der Bahre erheben würde, wenn er aufgewärmt war.

Jetzt standen die Rieseneulen – zweifellos mindestens ebensosehr aus Neugier über das Eisvolk wie aus Respekt gegenüber Xanthar – hinter den Dorfbewohnern aufgereiht. Schweigen senkte sich über die Menge. Die Krieger in ihren Seehundsfellmänteln knieten vorne; andere standen dahinter, und die Eulen ragten im Hintergrund empor. Tanis steckte zwischen Caven und Brittain. Er rümpfte die Nase über den Geschmack der speziellen Tinktur, mit der er und Caven sich auf eindringliche Mahnung des Verehrten Klerikers eingerieben hatten, um vor dem klebrigen Eis im Bau des Valdans geschützt zu sein.

Der Verehrte Kleriker stand auf und sprach zu den Anwesenden. Tanis stellte fest, daß die Leute aus dem Dorf zwar Gemeinsprache redeten, jedoch nur aus Höflichkeit gegenüber ihren Gästen. Es war nicht ihre Muttersprache. Tanis konnte an diesem Morgen nicht viel von der unübersetzten Ansprache des Klerikers verstehen und gab sich bald seinen eigenen Gedanken hin. Erst sann er über Xanthar nach, um sich dann zu fragen, ob Kitiara sich wohl wirklich mit dem Valdan verbündet hatte.

Er warf einen Blick auf Caven, seinen Rivalen. Seine Miene war schwermütig, und Tanis konnte Erschöpfung und Trauer in seinen Augen erkennen. Als Caven merkte, daß der Halbelf ihn anstarrte, drehte er sich um und nickte diesem ernst zu. Kurz darauf senkte Tanis selbst den Kopf, um sich dann mit dem Gefühl, daß etwas zwischen ihm und dem Kerner beigelegt war, wieder dem Verehrten Kleriker zuzuwenden, der sich mit einer Fackel zu der Bahre hinunterbeugte.

Ein Seufzer stieg aus der Menge auf, als die Flamme aufflackerte und den Torf entzündete. Frauen und Kinder begannen, eine hohe Klage zu singen, die von einer Walroßknochenflöte begleitet wurde. Dann schlossen sich die tiefen Stimmen der Krieger der traurigen Melodie an und verliehen ihr Substanz. Die Eulen standen plötzlich stramm, hoben den Kopf und trillerten eine sanftere Form ihres Trauerlauts vom Vortag. Die ganze Zeit wuchsen die Flammen in die Höhe. Schließlich begann das Tuch, das Xanthars Körper umhüllte, zu schmoren, gerade als die Eisblöcke der Bahre schmolzen. Fast wie durch Magie sank der Körper der Eule in die hungrigen Flammen.

Danach stand das gesamte Dorf auf und verließ schweigend den Versammlungsplatz. Die Eulen wichen auseinander, um die Menschen durchzulassen. Dann folgten sie ihnen.

Bald saßen die Krieger auf und schraubten sich um die Rauchsäule von Xanthars Scheiterhaufen in den Himmel, bildeten eine Reihe und flogen nach Süden. Zweihundert Eulen flogen ohne Reiter. Tanis sah von Goldener Flügel aus zu, wie der wichtigste Kundschafter des Eisvolks auf einer grauen Eule die Führung übernahm. Drei weitere Späher folgten ihm. Bald waren die vier außer Sichtweite, denn sie eilten weit voraus.

Caven und Klecks flogen hinten. Sie bewegten sich von Krieger zu Krieger, um den frischgebackenen Fliegern Rat zu geben und Mut zuzusprechen. Brittain, der auf einer grau-weißen Eule saß, die er Windbrecher getauft hatte, ritt neben Tanis. Der Wind war so stark, daß sie sich nur laut brüllend unterhalten konnten, und aus diesem Grund verständigten sich der Halbelf und der Eisvolkführer vornehmlich durch Handzeichen.

Eine Stunde später kamen die Späher in Sicht, die auf die Hauptgruppe zuschossen. »Sie sind gleich hinter dieser Anhöhe!« rief Delged, der erste Kundschafter, Brittain und Tanis zu. »Hinter einer hohen Wand aus Eisblöcken.«

»Beschreibe das Lager«, verlangte der Halbelf.

»Tausend Minotauren, Walroßmenschen und Ettins«, erwiderte Delged, dessen Gesicht vom Wind, von der Kälte und vom Schreien gerötet war. Tanis lenkte Goldener Flügel näher an Windbrecher.

»Und unser Volk?« hakte Brittain nach.

»Hundert Gefangene.« Der Kundschafter zeigte in Richtung Osten. »In Pferchen im Osten.«

»Nur hundert?« fragte Brittain. »Aber aus den besiegten Dörfern wurden viel mehr Menschen verschleppt!«

Der Kundschafter wich dem Blick seines Anführers zunächst aus, rief dann aber zurück: »Die Körper Des Volks liegen überall auf dem Gletscher. Ein paar… ein paar sind offenbar gefressen worden.«

Die drei schwiegen eine Zeitlang. Als schließlich die glitzernde Oberfläche der Eisblöcke in Sicht kam, zog Tanis Goldener Flügel in eine weite Kurve. Die übrigen folgten ihnen, wobei sie sich an ihre vorher besprochenen Kampfstellungen begaben.

Brittains erster Offizier, der die Gefangenen befreien sollte, schwenkte mit vierzig Eulen und Kriegern nach links. Brittain und Windbrecher wollten die Hauptstreitmacht führen. Der Aufstieg war schwerfällig, denn jede Eule umklammerte mit den Krallen ein zackiges Stück Eis.

»Zum Angriff!« befahl Brittain, als sie über die Eisblöcke flogen.

Die versammelten Stiermenschen, Thanoi und zweiköpfigen Trolle blickten fassungslos nach oben. Im selben Moment veränderten die Eulen ihre Flugtechnik, so daß ihre Flügel gegen den Wind ankämpften und laut knatterten, anstatt geräuschlos durch die Luft zu gleiten. Das dadurch entstehende Getöse, das durch die Morgenluft dröhnte, trug zusätzlich zum Entsetzen des überraschten Feinds bei. Die Thanoi und Ettins stoben auseinander. Nur die Minotauren hielten die Stellung und bereiteten sich ruhig auf den Kampf vor. Windbrecher, der an der Spitze flog, ließ sein Stück Eis auf einen Minotauren fallen, der daraufhin zusammenbrach. Eine Blutlache breitete sich auf dem verschneiten Grund aus. Der gestürzte Stiermensch rührte sich nicht mehr. Die Angreifer jubelten und schleuderten unzählige weitere der scharfen, gefrorenen Geschosse auf die Truppen des Valdans.

»Wo ist der Anführer?« schrie Tanis.

Brittain sah sich die Feinde genauer an, doch es war Delged, der Kundschafter, der die Antwort gab. »Da!« Er zeigte auf eine muskelbepackte Gestalt in einem Lederharnisch, die eine Streitaxt schwang. »Der Minotaurus! Toj nennen sie ihn.«

»Aber was ist mit der Frau?« wollte Brittain wissen. »Hast du die Frau gesehen, von der wir gehört haben?«

Delged schüttelte den Kopf.

»Vielleicht nur ein Gerücht«, sagte Tanis. Brittain warf ihm einen Blick zu, sagte aber nichts. Dann nickte der Eisvolkführer dem Halbelfen zu, berührte die Kapuze seines eigenen Mantels und lenkte Windbrecher und die übrigen Truppen zu einem zweiten Angriff.